Silverstone. Charmant begrüßt Bernie Ecclestone Besucher in seinem anthrazitfarbenen Motorhome beim Großen Preis von Großbritannien in Silverstone. Wenn der Brite jedoch seine Formel-1-Weltkarte entwirft, gehört Drohen zu seinem Repertoire.

Verunsichern, im Unklaren lassen, Warnen - die Veranstalter der Grand Prix lässt das kaum kalt. Mit seiner Ankündigung, dass Monza aus dem Kalender gestrichen werden könnte, schreckte der 83-Jährige nicht nur Organisatoren und lokale Politprominenz auf. Ecclestone erntete auch Entrüstung von den Fahrern. "Meiner Meinung nach wäre das für jeden und die Formel 1 sehr dumm", schimpfte Ferrari-Mann Kimi Räikkönen. Welche Strategie verfolgt Ecclestone?

Der Brite ist clever, und er ist auf Profit aus. Eindeutig ist nur seine geschäftliche Triebfeder. Die Situation beim Großen Preis von Deutschland zum Beispiel ist undurchsichtig. Der Streit, ob die Formel 1 nun von 2015 an nur noch auf dem Nürburgring oder bis 2018 im Wechsel mit dem Hockenheimring stattfindet, ist nicht beigelegt. "Wir respektieren den Vertrag mit Hockenheim", sagte Ecclestone. Damit würde dort wie geplant 2016 und 2018 ein Rennen stattfinden.

Doch die Halbwertzeit von Ecclestones Aussagen ist überschaubar, Ankündigungen werden auch schnell wieder zurückgenommen. Alles Kalkül. Kaum ein Statement fällt zufällig. In dieses Bild könnte auch seine Ankündigung passen, vielleicht die kommerziellen Formel-1-Rechte vom Investor CVC zurückzukaufen. "Es ist möglich, obwohl auch ein oder zwei andere Unternehmen interessiert sind", zitierte der englische "Daily Express" Ecclestone.

Zwar muss er sich derzeit vor Gericht wegen des Vorwurfs der Bestechung verantworten, doch der Chefvermarkter will CVC auch während dieser prekären Phase zeigen, dass er die Fäden in der Hand hält, dass er für die Formel 1 unentbehrlich ist. Auch wenn er beteuerte: "Weggesperrt zu werden, würde mich mehr berühren, als die Kontrolle über die Formel 1 zu verlieren."

Noch hat er aber das Sagen. Und wie. "Ich denke nicht, dass wir einen neuen Vertrag machen werden, der alte war aus geschäftlicher Sicht ein Desaster für uns. Nach 2016 bye bye...", sagte Ecclestone über den auslaufenden Kontrakt mit dem Traditionskurs Monza. Das Aus für die Strecke in der Lombardei also spätestens zur Saison 2017?

"Das ist ein Kultkurs", sagte McLaren-Mann Jenson Button und sprach sich gegen eine Streichung aus. "Der Grand Prix in Monza ist ein Erbe Italiens und nicht nur der Lombardei", betonte der Präsident der Region, Roberto Maroni, und appellierte an Premierminister Matteo Renzi, sich der Verantwortung zu stellen.

Im provisorischen Rennkalender für 2015 ist noch genug Luft. Mexiko? Indien? Das von Ecclestone ersehnte Debüt vor der Skyline von New York ist schon zweimal geplatzt, an den Plänen für einen Grand Prix in der Nähe zum Big Apple hält er aber fest. "Neue Rennen können Jahre brauchen, ehe sie starten können", meinte er. Auch die Rückkehr nach Kalifornien ist mehr als ungewiss. "Ich könnte ein Rennen in Long Beach noch an diesem Nachmittag haben, wenn ich wollte", schwadronierte Ecclestone vor Kurzem.

Das Projekt Frankreich forciert er kaum. "Sie klopfen an, aber ich denke nicht, dass wir da etwas tun können", meinte Ecclestone jüngst zu einer baldigen Neuauflage. Letztmals machte die Formel 1 in Magny-Cours 2008 Station. Sollten die Franzosen ihre Geldprobleme in den Griff bekommen, den Kurs aufpeppen und dann auch dem Briten die erwünschte Apanage zahlen, würde es vielleicht doch noch klappen.

Als zweiter Grand Prix in der ehemaligen Sowjetunion nach Sotschi in diesem Oktober steht Aserbaidschan bereit. "Der Vertrag mit Baku ist unterschrieben. Es wird 2015 losgehen und Südkorea ersetzen", beteuerte Ecclestone im "Independent". Michael Schumachers früherer Teamchef Flavio Briatore fädelte den Deal ein.

Ecclestone hat keine Probleme mit umstrittenen Partnern. Ob Briatore oder Kremlchef Wladimir Putin. Auf Ecclestones Expansionskurs, der den Kernmarkt Europa immer mehr vernachlässigt, soll das Geld weiter strömen. Nachhaltigkeit steht nicht unbedingt auf seiner Agenda. So flogen Südkorea, Indien und die Türkei schon nach wenigen Jahren wieder aus dem Kalender. Singapur und Abu Dhabi hingegen zählen zu den unbestrittenen Perlen in seinem Sortiment. Genauso wie zum Beispiel Monaco - und auch weiterhin Monza?