Köln/Manama (SID) - Der Sport muss "auf dem Rücksitz Platz nehmen", doch die Erleichterung über die unausweichliche Absage des Rennens am Krisenherd Bahrain eint die Formel-1-Familie. Selten war die Geschlossenheit im Fahrerlager so groß wie nach dieser historischen Entscheidung. "Die oft so zerstrittene Formel 1 atmet kollektiv auf", schrieb die englische Zeitung Guardian.
Durch Spionageaffären, absichtliche Unfälle oder Machtspielchen hatte die Formel 1 in den vergangenen Jahren für Skandale gesorgt, nun sind sich von Bernie Ecclestone bis Michael Schumacher, vom Kronprinzen bis zum letzten Fan alle einig: Die Absage des Auftaktrennens am 13. März war richtig. Der Daily Mirror stellte nüchtern fest: "Der Sport muss auf dem Rücksitz Platz nehmen."
"Wie so viele meiner Formel-1-Kollegen finde auch ich, dass die Absage der Veranstaltungen in Bahrain eine gute Entscheidung war", teilte Schumacher mit: "Die Menschen haben dort momentan wirklich wichtigere Themen als die Formel 1." Formel-1-Boss Ecclestone sagte der BBC: "Es war die einzig mögliche Entscheidung, wenn man sich anschaut, was in dieser Region der Welt gerade passiert".
Norbert Haug: "Wir begrüßen die Entscheidung"
Auch für Sebastian Vettels Teamchef Christian Horner war die Absage "die richtige Entscheidung". Mercedes-Sportchef Norbert Haug sagte: "Wir begrüßen und unterstützen die Entscheidung." Zum ersten Mal fällt damit aus politischen Gründen ein Formel-1-Rennen aus. Für die Absage in Belgien 1985 waren vergleichbar lapidare Probleme mit dem neuen Asphalt verantwortlich.
Ecclestone hatte Kronprinz Salman ibn Hamad ibn Isa Al Chalifa die Entscheidung überlassen, und dieser hatte nach den Unruhen der letzten Wochen mit mindestens sieben Toten keine Wahl. "Wir fühlten uns in der Verantwortung", sagte der Scheich, gleichzeitig stellvertretender Oberbefehlshaber des Militärs.
Logistisch kam die Absage wohl noch rechtzeitig. Laut Bild waren allerdings schon 1200 Reifen des Herstellers Pirelli per Schiff unterwegs nach Bahrain, wo vom 3. bis 6. März Tests stattfinden sollten. Ecclestone erstickte aber alle weiteren Spekulationen im Keim: "Mit Geld hat das nichts zu tun - in solchen Fällen reden wir nicht über Geld."
Dennoch überließ der 80-Jährige die Entscheidung den Bahrainern, nicht zuletzt, um das Startgeld von 35 Millionen Dollar nicht zu gefährden. Damit handelte er sich heftige Kritik des Daily Telegraph ein. "Dass die Verantwortlichen in Bahrain von alleine ihren eigenen Großen Preis absagen mussten, damit niemand sonst die Verantwortung übernehmen muss, zeigt, dass der Sport in einem moralischen Vakuum operiert", schrieb das Blatt von der Insel.
Kritik an der Expandierung des Sports
Offensichtlich ist auch, dass die Formel sich schneller entwickelt als die Welt, in der sie sich bewegt. Im Vorjahr stand die Premiere in Südkorea aus logistischen Gründen bis zuletzt auf der Kippe, drei Rennen später folgt nun die historische Absage. Die Expandierung des Sports in alle Teile der Welt birgt offensichtlich große Probleme. Eine vielleicht wichtige Erkenntnis für den Sport, gerade vor dem Hintergrund, dass die Formel 1 durch ihre jährliche Austragung oft als unfreiwilliger Testballon für Jahre im voraus vergebene Olympische Spiele oder Fußball-Weltmeisterschaften fungiert.
"Das ist die F1 der heutigen Zeit", schrieb der Corriere dello Sport: "Sie hängt vom Geld der asiatischen Wirtschaft ab und spürt die Winde und die Turbulenzen in Gebieten, in denen es junge oder gar keine Demokratien gibt." Doch auch die italienische Sporttageszeitung ließ sich durch die Absage des Rennens besänftigen und konstatierte: "Einen Hauch von Vernunft gibt es noch in den Köpfen der F1-Manager." Die Times schrieb: "Dass das Rennen abgesagt wurde, ist peinlich. Es in Bahrain zu belassen, hätte jedoch weitaus schlimmere Folgen gehabt. Panzer hätten den Sakhir Circuit beschützen müssen, und Tränengas hätte in der Luft gelegen."
Ob das Rennen in Bahrain nachgeholt wird, ließ Ecclestone offen. Es sei Aufgabe des Kronprinzen, "das Land auf den richtigen Weg zu bringen, damit wir in Zukunft dort weitermachen können".
Ob der nun verspätete Saisonstart ein Nachteil für bisher starke Teams wie Ferrari und Red Bull ist, wird sich zeigen. "Wir gewinnen Zeit", stellte McLaren-Pilot Lewis Hamilton zufrieden fest. Vettels Red-Bull-Teamkollege Mark Webber entgegnete: "Wir wären bereit gewesen. Aber auch wir haben nun noch einmal ein paar Tage mehr."