Hagen/Silverstone. David Beckmann aus Hagen will in die Formel 1. Der Weg dahin ist steinig. Das liegt an den finanziellen Gegebenheiten im Motorsport.

Gewonnen hast du nur, wenn du vor allen anderen durch das Ziel fährst. Alte Rennfahrer-Logik. David Beckmanns erster Sieg in der Nachwuchsserie Formel 3 vor zwei Wochen in Ungarn hat also einen kleinen Schönheitsfehler, weil er von zwei Zeitstrafen gegen den Niederländer Bent Viscaal profitiert hatte. „Man will den Fahrer ja auf der Strecke besiegen“, sagt Beckmann. „Natürlich habe ich mich gefreut, aber ich möchte nicht mein Ziel aus den Augen verlieren. Nur weil ich jetzt einen Sieg geholt habe, bedeutet das nicht, dass ich am Ende in der Meisterschaft vorne sein werde.“ Prioritäten. In der Gesamtwertung liegt er auf Rang vier.

Die Karriere des 20 Jahre alten Hageners ist typisch für den Motorsport: Mit sechs Jahren begann Beckmann im Kart, stieg Jahr für Jahr auf, gewann Rennen und Meisterschaften, gehört zu den größten Talenten in Deutschland. Er fuhr gegen Lando Norris und Lance Stroll, die schon in der Formel 1 angekommen sind. Auch Beckmann wollte nun schon einen Schritt weiter sein. Zumindest in der Formel 2, dem Unterbau der Königsklasse. Doch seit August ist einiges anders.

Kurzfristiger Vertrag für David Beckmann bei Trident

Vater Robin, der seinen Sohn von der Kartbahn an gefördert und begleitet hatte, war in einen schweren Autounfall verwickelt worden. David brach die Formel-3-Saison ab, glaubte nicht mehr wirklich an eine Rückkehr in den teuren Formel-Sport. Und musste sich zunächst um andere Dinge kümmern: die Firma des Papas. Bis zum Sommer klappte das gut, gefahren wurde wegen der Corona-Pandemie ohnehin nicht. Doch als Beckmann im Juni kurzfristig einen Vertrag bei Trident für diese Saison bekam, musste er improvisieren. Zwischen den beiden Rennen in Österreich pendelte er von Spielberg nach Hagen, während sich die Konkurrenz voll und ganz aufs Rennenfahren konzentrieren kann. „Ich muss mich ja nun selbst finanzieren, also dafür sorgen, dass auch genug Geld reinkommt. Das sollte selbstverständlich nicht der Fahrer machen müssen, aber es ist nun mal eine Ausnahmesituation“, sagt Beckmann. Umso beeindruckender war der Sieg eine Woche später in Ungarn.

Gewann ein Rennen in Budapest: David Beckmann.
Gewann ein Rennen in Budapest: David Beckmann. © Getty Images | Mark Thompson

Beckmann macht einen aufgeschlossenen Eindruck, kann die Dinge abseits der Piste einordnen, Zusammenhänge erklären. Ihm bereitet die finanzielle Entwicklung im Motorsport Sorgen. Heutzutage würden Formel-3-Fahrer teils siebenstellige Summen für einen Startplatz bezahlen. „Das ist absurd“, sagt Beckmann. In der Formel 2 wird es noch teurer. Das Rattenrennen beginne in der Formel 1, die „finanziell außer Kontrolle“ geraten sei. Beim Nachwuchs heißt es: Wer zahlt, darf fahren, kann sich in ein besseres Team einkaufen und mehr Testkilometer abspulen. „Man kann nicht einfach trainieren gehen wie in anderen Sportarten. Diese Testtage sind sehr teuer. Wo in anderen Sportarten Ehrgeiz und Disziplin einen Unterschied ausmachen können, hilft im Motorsport nur der Instinkt des Fahrers“, erklärt er.

Top-Ergebnisse helfen zwar bei der Sponsorensuche, doch die lassen sich einfacher mit einem guten Auto einfahren. Und das muss man sich erst mal leisten können.

David Beckmann kann sich Karriere in Formel E vorstellen

Entsprechend groß ist der Druck auf die jungen Piloten. Sie müssen Risiko eingehen. „Man hat ein, vielleicht noch ein zweites Jahr, sich zu beweisen. Wenn man nicht schnell genug ist, war es das mit der Formel 1“, sagt der Sauerländer, aber: „Wer Talent hat, schafft es nach wie vor.“ Auch wenn der Weg in die Königsklasse immer schwieriger wird, da Cockpits von Fahrern mit reichlich Sponsorengeld blockiert sind.

Oder doch die Formel E? „Damit habe ich überhaupt keine Berührungsängste. Es wurde sehr viel Entwicklungsarbeit geleistet, die Batterien schaffen nun die gesamte Renndistanz. Ich finde das gut, auch wenn der Sound fehlt.“ Ohnehin sei E-Mobilität die Zukunft. Vor ein paar Jahren wäre die Antwort eines Nachwuchsfahrers vielleicht noch eine andere gewesen, die Serie wurde zunächst belächelt. Elektronik statt Benzin – bitte nicht. Die neue Renngeneration ist offener, Klimaschutz hat spätestens durch Fridays for Future eine neue Bedeutung bekommen. Und wie könnte Beckmann auch etwas gegen erneuerbare Energien sagen? Seine Firma baut schließlich Windkraftanlagen.

Doch das ist Zukunftsmusik. Nach der im September endenden Saison will er seine Möglichkeiten für die neue Saison ausloten. Die Gegenwart heißt Silverstone. An diesem Wochenende (Samstag, 9.25 Uhr, Sonntag 8.45 Uhr/Sky) startet Beckmann auf der englischen Traditionsrennstrecke. „Das Podium sollte wieder drin sein“, sagt er. Vielleicht ja sogar der Sieg. Aber dann ohne Schönheitsfehler.