Berlin. René Rast tritt nicht nur in der DTM, sondern auch in der Formel E an. Nach dem Ausstieg von Audi muss der 33-Jährige in den Elektro-Boliden eine neue Perspektive finden.

Raus aus dem einen Auto, hinein in das andere. Er hat es probiert. Ist ja auch interessant, diesen Unterschied direkt zu erleben. „Das ist brutal schwierig“, sagt René Rast. Rennwagen ist eben nicht Rennwagen. Schon gar nicht, wenn der eine mit Rennsprit läuft und der andere mit Strom.

In den vergangenen Wochen wechselte Rast sehr häufig sein Fahrzeug oder die Simulator-Konfiguration. Weil er sich auf zwei verschiedene Rennserien gleichzeitig vorbereiten musste. „Das ist nicht ohne. Aber wir hatten ja viel Zeit“, sagt der 33-Jährige. Corona hat die Abläufe durcheinander gebracht. Aber am 1. August steigt der Mindener in Spa (Belgien) in der DTM in die Saison ein, ab 5. August fährt er in Berlin in der Formel E. Vor ihm liegt ein Mammutprogramm, zwölf Rennen in 23 Tagen, je sechs pro Serie. „Das hat wahrscheinlich noch keiner von uns erlebt“, sagt Rast.

Es sind keineswegs nur die sehr verschiedenen Wagen und Serien, mit denen sich Rast auseinandersetzen muss. Er geht auch mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen in die Rennen. In der DTM ist Rast der Titelverteidiger, der dominierende Fahrer der vergangenen drei Jahre mit zwei Meisterschaften und einem zweiten Platz. In der Formel E „würde ich mir wünschen, ein- oder zweimal in die Punkte zu fahren. Das wäre ein tolles Ergebnis“. Er ist dort ein Neuling, der nach einer Perspektive sucht.

Sechs Rennen in neun Tagen in Berlin

Geplant war das alles nicht so, es hat sich ergeben. In der Formel E bestritt das Team Audi Sport Abt Schaef­fler die ersten fünf Rennen mit Daniel Abt und Lucas di Grassi in den beiden Cockpits. Doch als Abt während der Corona-Pause bei einem virtuellen Rennen seinen Platz im Simulator einem E-Sport-Profi überließ, kündigte ihm Audi. Rast, der in der DTM beim Audi Sport Team Rosberg fährt, übernimmt nun anstelle von Abt in der Formel E in der zweiten Saisonhälfte, die mit sechs Rennen in neun Tagen komplett in Berlin stattfindet.

In seinem Audi dominiert René Rast (r.) die Tourenwagenserie DTM.
In seinem Audi dominiert René Rast (r.) die Tourenwagenserie DTM. © dpa pa

Für Abt tut es Rast leid, aber für ihn selbst kann diese ungewöhnliche Konstellation noch sehr wertvoll werden. „Wenn sich eine Tür öffnet, muss man die Chance nutzen und hindurchgehen“, sagt der Audi-Pilot, dessen Arbeitgeber klare Prämissen für die Zukunft hat. Audi verlässt nach dieser Saison die DTM, konzen­triert sich auf die Formel E. „Dann brauche ich ein neues Betätigungsfeld“, erzählt Rast. Für die nächste Saison der elektrischen Serie hat Audi noch ein freies Cockpit, in Berlin „versuche ich, eine Bewerbung abzugeben“.

Herausforderung in der Formel E

Allein die stolze DTM-Vita genügt nämlich nicht. Dort steht das schnelle Fahren im Vordergrund, mit einem extrem leistungsstarken Wagen, hohen Kurvengeschwindigkeiten. Das Auto ist „sehr präzise im Fahren“. Dagegen muss man in der Formel E „ein bisschen mit dem Auto spielen, es bewegt sich einfach viel mehr, ist ein bisschen nervöser“, sagt Rast. Was viel an den stark profilierten Reifen liegt, dazu ist die Aerodynamik nicht so ausgeprägt wie in der DTM, die Leistung geringer.

Ebenso herausfordernd ist die Fahrweise. In der Formel E zählt nicht Schnelligkeit als einziges Kriterium. Clever zu fahren ist das Geheimnis. Der Pilot muss nicht nur Gas geben, sondern Batterie-Energie sparen und zurückgewinnen. Ungefähr zwischen 25 und 35 Prozent der für ein Rennen benötigten Energiemenge müssen rekuperiert werden. Der Antriebsstrang arbeitet dann (beim Bremsen und in Phasen, in denen nicht Gas gegeben wird) in entgegengesetzter Richtung.

Formel E: Lucas di Grassi in seinem Audi e-tron FE0. Mit ihm wird Rast in Berlin um Punkte fahren
Formel E: Lucas di Grassi in seinem Audi e-tron FE0. Mit ihm wird Rast in Berlin um Punkte fahren © dpa pa

Rennen auf dem Tempelhof-Gelände

Völlig fremd ist Rast das nicht, 2016 fuhr er bereits aushilfsweise ein Formel-E-Rennen, zufällig in Berlin. Aber damals auf der Karl-Marx-Allee, nicht wie jetzt auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Und in einem Auto der ersten Generation. Mittlerweile gibt es die zweite Generation. „Da steckt viel mehr Technik drin, mehr Software. Das ist einfach nicht mehr zu vergleichen. Früher hatte der Fahrer noch wenige Systeme, auf die er sich verlassen konnte“, erzählt Rast. Damals fuhr man aufgrund der geringeren Batteriekapazität noch mit zwei Autos, die gewechselt wurden. Jetzt reicht die Power für die volle Distanz.

Die Dichte der Rennen erfordert eine sehr penible Vorbereitung. Nach den Einsätzen abzuschalten, wird „wahrscheinlich schwierig sein“, glaubt der Audi-Fahrer, dessen Ansprüche in der DTM selbsterklärend sind. In seiner Herangehensweise unterscheiden sich die Fahrten in der Formel E davon nicht. „Ich will das Maximale herausholen“, sagt René Rast. Vorrangig muss er aber lernen, er muss spüren, ob die Formel E mehr sein kann als nur ein Ausflugsziel.