Witten. .

„Es ist unfassbar. Warum sucht man sich für solch eine Tat ausgerechnet so ein Sport-Event aus?“ Auch Wittens Läufer-Urgestein Uli Sauer war von der Nachricht des Bombenanschlags beim Marathon in Boston (USA) regelrecht geschockt. Dennoch lässt er sich nicht davon abhalten, am Sonntag bei einem noch größeren Marathon-Wettbewerb an den Start zu gehen. Zum 14. Mal bereits schnürt er die Schuhe für London.

„Ich habe mich immer gefragt: Welche Art von Veranstaltung würden wohl von derartigen Anschläge betroffen sein“, sinnierte Uli Sauer noch vor dem Abflug in die britische Metropole. Dass ausgerechnet am Rande eines Marathonlaufes todbringende Bomben in die Luft fliegen und für so viel Leid sorgen würden, damit hätte der 60-Jährige niemals gerechnet. Doch deswegen die Reise ins britische Königreich abblasen? Die monatelange Vorbereitung über den Haufen werfen? „Nein, das kommt für mich nicht in Frage. Und ich habe aus unserem Läufer-Umfeld auch von niemandem erfahren, der wegen der Anschläge jetzt seinen Start abgesagt hätte“, teilt Sauer mit.

Natürlich wird bei dem einen oder anderen unterschwellig die Angst mitlaufen. „Leider gibt es ja immer wieder mal Nachahmer, Trittbrettfahrer“, weiß der Wittener. Doch ebenso gut kennt er die minutiöse Organisation in London. „Die Briten sind ja eh’ ein sehr wehrhaftes Volk - und schon während der Olympischen Spiele im letzten Jahr waren die Sicherheitsvorkehrungen enorm. Das wird sich nun für Sonntag sicher noch einmal steigern.“

Erste Konsequenz für die erwarteten 37.000 Marathoni: Jeder einzelne wird sich mit Trauerflor auf die 42.195 Kilometer durch und um London herum begeben. „Und es wird vor dem Start eine Gedenkminute geben“, weiß Uli Sauer. Ohnehin ist kaum zu erwarten, dass der beliebte London-Marathon, der zur Serie der „World Majors“ zählt, ähnlich unbeschwert vonstatten geht wie die bisherigen Auflagen. „Ich denke schon, dass das Lauferlebnis und die ansonsten in London einmalige Atmosphäre unter den zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen leiden werden“, ist sich der Ausdauer-Spezialist sicher. „Vielen wird gerade im Zielbereich schnell der Gedanke kommen: Ich will jetzt hier weg. Normalerweise steht man da ja noch lange zusammen, unterhält sich mit anderen Läufern oder trifft seine Angehörigen“, berichtet der London-Liebhaber. Ohnehin ist der Lauf in der britischen Millionenstadt etwas ganz Besonderes für Uli Sauer: „Dort bin ich damals meinen zweiten Marathon überhaupt gelaufen - und das war ein absolutes Schlüsselerlebnis. Seither habe ich keinen dort verpasst.“ Dass ein Start im Insel-Königreich nicht ganz kostengünstig ist (allein das Antrittsgeld beläuft sich auf 250 Euro), hakt der Wittener als Nebeneffekt ab. Eine Alternative gebe es für ihn ohnehin nicht. „Über Boston habe ich wirklich immer mal nachgedacht - aber der Marathon dort findet ja immer kurz vor dem in London statt, da passt das alleine zeitlich nicht.“ Angesichts der jüngsten Geschehnisse kaum anzunehmen, dass sich der 60-Jährige in Bälde mal dazu entschließen wird, doch auch in Boston sein Glück zu versuchen.

„London, das ist ein ganz anderer Marathon als die meisten sonst, viele laufen dort in völlig irrwitzigen Kostümen“, schwärmt der Wittener Laufsport-Veteran. „In erster Linie ist das eine Charity-Veranstaltung - 70 Prozent der Starter sammeln dort Spenden für den guten Zweck.“ Diesmal werden es wohl glatte 100 Prozent sein - denn gesammelt wird nun für die vielen Opfer des feigen Attentats von Boston.