Witten. .

Diese Nachricht schlug gestern in der deutschen Ringerszene ein wie eine Bombe. Die Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hat den Traditionssport völlig überraschend aus dem Programm für die Olympischen Sommerspiele 2020 (Entscheidung über den Austragungsort im September) gestrichen. Ringen gehört damit nicht mehr zu den 25 Kernsportarten.

Zwar bietet sich die Möglichkeit bei einer Exekutiv-Sitzung Ende Mai in St. Petersburg noch einmal für den Verbleib vorzusprechen, die Chancen werden jedoch als äußerst gering erachtet. Insgesamt 39 Kriterien (darunter etwa TV-Quoten und weltweite Verbreitung) zog das IOC heran, um die olympische Tauglichkeit der einzelnen Sportarten zu überprüfen und entschied sich jetzt gegen die klassische Sportart, die seit 1896 immer zum Programm gezahlt hatte. Nun gibt es die wohl vorerst letzte Möglichkeit 2016 in Rio de Janeiro.

Auch in Witten, eine absolute Hochburg des Ringsports in Deutschland, schlug die Nachricht hohe Wellen. „Ich bin absolut schockiert. Das IOC ist wohl endgültig in der Moderne angekommen. Es geht nur noch um finanzielle Interessen“, äußerte sich Mirko Englich, Olympia-Silbermedaillengewinner 2008 in Peking, bestürzt über den Vorgang. Auch für seinen Heimatverein KSV Witten, für den er in dieser Saison wieder an den Start gehen will, sieht er schwere Zeiten anbrechen. „Die Auswirkungen lassen sich jetzt noch noch gar nicht wirklich abschätzen. Für die jungen Leute bietet sich auf jeden Fall ein Anreiz weniger mit dem Ringen zu beginnen“, sieht Englich vor allem große Probleme in der zukünftigen Nachwuchsrekrutierung.

In die gleiche Kerbe schlägt Frank Weniger, Trainer des KSV. „Diese Entscheidung wird weitgehende Konsequenzen für das Ringen in Deutschland haben. Es werden zahlreiche Förderungsmaßnahmen und Gelder wegfallen, die dringend benötigt werden. Das werden letztendlich auch vor allem die jungen Athleten zu spüren bekommen“, macht sich der erfahrene Übungsleiter über die grundsätzliche Zukunft seiner Sportart Gedanken. Weniger sieht vor allem die zahlreichen Regeländerungen in den vergangenen Jahren kritisch, die das Ringen eigentlich attraktiver machen sollten. „Das war absolut kontraproduktiv. Man hat den Sport für den neutralen Zuschauer immer weniger nachvollziehbar gemacht“, gibt er den Funktionären eine Teilschuld an der jetzigen Entscheidung.

Kaum glauben wollte Heinz Güter Waschkuhn, Abteilungsleiter Ringen der Sport-Union Annen, die Nachricht. „Ich habe die Meldung im Videotext gelesen und hielt es erst für einen schlechten Scherz“, traf ihn der Ausschluss ebenfalls völlig unvorbereitet. „Das Interesse nimmt aber doch schon seit Jahren stetig ab. Immer mehr Mannschaften melden sich vom Ligabetrieb zurück“, bemängelt er den nötigen Unterbau. Warum allerdings gerade immer mehr die weniger populären Sportarten aus dem Programm gedrängt werden, ist für ihn ein Rätsel. „Wer kommt eigentlich auf solche Schnapsideen? Gerade die populären Sportarten haben doch eh eine viel größere Lobby. Der olympische Gedanke geht so mehr und mehr verloren“, beklagt Waschkuhn.

Extrem positiv beschreibt Alexander Leipold, ehemaliger Freistil-Bundestrainer und Bundesligastarter des KSV, seine Erfahrungen von den letzten Spielen in London. „Die Halle war voll, wir hatten eine klasse Stimmung und haben packende Zweikämpfe gesehen“, erinnert sich der Olympiasieger von 2000. All das gehört nun vorerst der Vergangenheit an.