Witten. .

Beim bloßen Gedanken an den tragischen Tod des niederländischen Schiedsrichter-Kollegen bei einem Jugendspiel in Almere am vergangenen Wochenende wird Hans-Gerd Henning ganz flau im Magen. „Einfach unfassbar, dass sowas passieren kann“, kann der 58-Jährige seine Bestürzung nur schwer in Worte kleiden.

Er selbst ist seit mehreren Jahrzehnten Schiedsrichter - eigentlich einer aus Leidenschaft, doch die hat nicht nur aufgrund des Todes von Richard Nieuwenhuizen in jüngster Vergangenheit stark nachgelassen. „Wenn ich heute noch mal vor der Wahl stünde - ich würde nicht mehr Schiedsrichter werden wollen“, betont Henning, der seit 13 Jahren den Vorsitz der Schiedsrichter-Gruppe Witten inne hat. Ähnlich wie er denken vermutlich viele seiner Amtskollegen - „als ich damals als Vorsitzender begann, hatten wir in Witten 80 Schiedsrichter. Heute sind es nur noch 48“, weiß der Bezirksleiter eines großen Nahrungsmittel-Herstellers. „Du lebst heute mit der permanenten Gefahr, dass du nicht mehr gesund vom Platz ‘runter kommst.“ Harte Worte - doch Henning hat in seiner Zeit als Referee genug Negativ-Beispiele erlebt und geht sogar noch einen drastischen Schritt weiter: „Im Prinzip sind wir keinen Deut besser als die Holländer.“

Auch wenn der Fußballkreis Bochum mittlerweile einen Deeskalations-Beauftragten installiert hat, sich von Profis beraten ließ, die den Schiedsrichtern die richtigen Verhaltensweisen mit auf den Weg gaben - es geschieht immer wieder etwas. Die Kreisspruchkammer unter der Leitung von Helmut Jersch hat ständig auch heftige Übergriffe gegen Unparteiische zu verhandeln. Henning nennt Beispiele aus der Praxis, noch gar nicht lange her: „Bei einem B-Liga-Spiel in Bochum wurde ein Wittener Schiedsrichter, der gerade was notieren wollte, von einem Spieler rüde umgecheckt - und musste ins Krankenhaus.“ Bei der Hattinger Stadtmeisterschaft sprachen sich offenbar „zwei ausländische Mannschaften in ihrer Sprache untereinander ab, nach dem Spiel den Schiedsrichter aufzumischen“ - unter Geleitschutz gelangte der Referee später zu seinem Fahrzeug. Das Schlimmste wurde verhindert.

„Ich denke, das Problem ist vor allem gesellschaftlichen Ursprungs - das löst man nicht mal eben so“, sagt Henning, der selbst für die SF Durchholz oft Partien leitet. „Die Qualität im Fußball sinkt drumherum immer mehr - das beginnt bei den Spielern und geht über Trainer bis zu den Funktionären“, nimmt der 58-Jährige kein Blatt vor den Mund. „Das akuteste Problem bereiten uns derzeit die Spieler aus Osteuropa - die schlagen sofort zu, ohne erst lange nachzufragen“, sagt Henning. Die Begeisterung für den Fußball - bei ihm ist sie mächtig abgekühlt.