Witten. Klaus Disse-Stebner denkt auch mit 67 Jahren noch nicht ans Aufhören. Für seine Arbeit wurde der Landestrainer nun vom Verband ausgezeichnet.
Überhaupt nicht damit gerechnet habe er, sagt Klaus Disse-Stebner. Der Wittener erhielt jüngst die goldene Ehrennadel vom Gewichtheberverband NRW. Dabei ist die Frage erlaubt: Wer, wenn nicht er, sollte mit dieser Anerkennung ausgezeichnet werden? Nach mehr als 40 Jahren, in denen sich der Wittener um den Kraftsport verdient gemacht hat, kommt diese Ehrung schließlich alles andere als überraschend.
„Ich freue mich darüber, weil ich in vielen Positionen lange dabei bin und meine Arbeit auf diese Weise anerkannt wird“, sagt Klaus Disse-Stebner. In der Poststraße, zwischen Kneipe und Stadtgalerie, liegt seit vier Jahrzehnten sein Sportstudio: der Fitnesskreis. Nach Klaus braucht dort jedoch niemand fragen – man würde wohl in ratlose Gesichter schauen. Allgemein bekannt ist der Kraftsporttrainer nämlich als „Krake“. „Viele kennen mich nur unter diesem Namen“, sagt Disse-Stebner. Sein Spitzname ist ein Hinweis darauf, dass der mittlerweile 67-Jährige in Sachen Sport auch mal auf anderen Pfaden unterwegs war. Fußballtorwart war er, bis zur B-Jugend beim damaligen VfL Witten 07. Ihn zog es weiter zum Schwimmen, ehe er zufällig beim Wasserball landete. Hier wurde aus dem jungen Klaus schließlich „Krake“, weil ein an dem Torhüter verzweifelnder Gegner einst befand, er halte wie eine eben solche. „Meine Mannschaftskollegen haben den Namen aufgeschnappt und übernommen“, erinnert sich Disse-Stebner, der später als Center durchs Wasser schwamm.
Ein beim Wasserball ausgekugelter Arm brachte „Krake“ schließlich zum Kraftsport. 18 Jahre war er alt und ein Orthopäde riet ihm im Zuge dieser Verletzung dringend zum Krafttraining. Gesagt, getan. Gemeinsam mit Kumpel Uli Müller, der vielen Wittenern als Handballtrainer bekannt ist, suchte Disse-Stebner nach damals noch seltenen Krafträumen. Fündig wurde das Duo in der Kreissporthalle und am Albert-Martmöller-Gymnasium. Für den Hausmeister gab’s zum Dank ab und an eine Flasche Weinbrand. „Wir haben da ja mehr oder weniger inoffiziell trainiert.“
1985: KSV Fitnesskreis gegründet
Über Kontakte fanden die emsigen Sportler schließlich den ehemaligen Nachhilferaum in der Poststraße, der bis heute – mittlerweile um einige Räume erweitert – das Zuhause für Wittens Kraftpakete werden sollte. Ende der 70er Jahre entschloss sich der ausgebildete Vermessungstechniker schließlich dazu, das Architekturstudium zu beenden und das eigene Sportstudio zu eröffnen. Disse-Stebner machte den B-Trainerschein und gründete 1985 den Verein KSV Fitnesskreis. Seitdem betreiben der Wittener und seine Schützlinge Wettkampfsport.
Und das überaus erfolgreich. Im Kraftdreikampf, der sich aus den Disziplinen Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben zusammensetzt, führte „Krake“ seine Schützlinge zu zahlreichen nationalen und internationalen Titeln. Der KSV Fitnesskreis in Witten wurde zwischenzeitlich zum Landesstützpunkt. In den letzten Jahren gehörten Lea Schreiner, Tamara Thomsen oder Paul Markwart zu den Erfolgsgaranten im Team „Krake“. „Mir ist es aber völlig egal, ob jemand an einer Weltmeisterschaft oder einer Bezirksmeisterschaft teilnimmt. Ich freue mich immer, wenn sich jemand um zwei oder drei Kilo steigert“, sagt Disse-Stebner. Er achtet bei seinen Athleten penibel auf eine saubere Technik, nimmt sich dafür während des Trainings viel Zeit. „Wir sind schon oft für unsere Technik gelobt worden“, freut sich Disse-Stebner.
Kraft und Disziplin unabdingbar
Der große Zeitaufwand ist eines der wenigen Mankos seiner Passion. Rund 70 Stunden in der Woche verbringt „Krake“ in seinem Studio, dazu kommen immer wieder Wettkämpfe. Auch wenn er alles noch einmal genau so machen würde, so bedauert er doch: „Privat bleibt leider viel auf der Strecke.“ Mittlerweile ist Disse-Stebner Opa und für seinen Enkel – diese Lehren hat er aus seinem Leben gezogen – nimmt er sich nun regelmäßig Zeit. Ebenso wie für sein zweites großes Hobby: Schäferhunde. Viele Jahre hat Disse-Stebner Hundesport gemacht, heute liegt der dreijährige Vierbeiner Oskar neben ihm im Büro des Sportstudios. „Er ist der Liebling aller Leute hier.“ Ans Aufhören denkt er indes noch lange nicht. „Ich liebe es einfach, wenn ich unter der Eisenstange liege“, sagt „Krake“, der auch mit 67 Jahren noch Bankdrücken macht. „Ich werde so lange Kraftsport machen, wie ich mit dem Rollator hier hineinkomme. Mich fasziniert das einfach.“
Viel Training und ab und an ein Schnitzel
Die Corona-Krise war auch für die Kraftsportler aus dem Fitnesskreis keine einfache Zeit. Knapp zwei Monate war das Sportstudio geschlossen. Nur wenige Athleten besaßen das Material, um das Training Zuhause fortzusetzen. „Die haben mir dann Videos geschickt, sodass ich ihnen Tipps geben konnte“, sagt Klaus Disse-Stebner. Ein Großteil seiner Schützlinge jedoch musste auf das Training verzichten.
Das hatte Konsequenzen. „Wer zwei Monate lang kein Krafttraining macht, der fängt relativ weit unten wieder an“, so „Krake“. Denn das allerwichtigste für den Kraftsportler, so Disse-Stebner, sei regelmäßiges Training. Für Kraftdreikämpfer bedeutet das: mindestens drei bis vier Übungseinheiten in der Woche. Mittlerweile konnten die meisten Sportler die Pause schon wieder kompensieren. Die Technik verlernt man ohnehin nicht. „Und die Muskulatur vergisst nicht. Einer meiner Schützlinge war jetzt nach neun Wochen auf dem gleichen Level wie vorher.“
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Ohne Zeit und Disziplin geht es nicht
Bleibt die Frage: Ist Kraftsport überhaupt gesund? „Natürlich“, antwortet „Krake.“ Seine Meinung: „Jeder sollte Kraftsport machen.“ Man fühle sich besser und habe viel weniger körperliche Probleme, weil die Muskulatur als Stütze fungiert. Wer allerdings ambitionierten Kraftsport betreiben will, der brauche vor allem zwei Dinge: Zeit und Disziplin. Darüber hinaus will „Krake“ nicht verschweigen, dass eine gute Veranlagung von Vorteil ist. Darüber hinaus ist Vorsicht geboten, weil die falsche Ausführung von Übungen schnell gesundheitliche Folgen haben kann. „Deshalb sitze ich ja während des Trainings eineinhalb Stunden neben meinen Sportlern und nörgele herum“, sagt „Krake.“
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Für viele Kraftsportler ist auch die Ernährung eine eigene Wissenschaft. Das sieht „Krake“ jedoch ganz entspannt. Er empfiehlt vor allem viel Eiweiß. Und das bedeutet: „Steak und Schnitzel sind immer gut.“