Bochum/Witten. . Lehrwart Heiko Schneider plädiert in Sachen Gewaltprävention für eine verstärkte Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Konflikte nehmen zu.

  • Konflikte auf den Sportplätzen im Fußball-Amateurbereich nehmen zu, auch die Gewalt gegen Schiedsrichter
  • Weniger junge Menschen wollen als Unparteiische ein Fußballspiel leiten
  • Lehrwart Heiko Schneider plädiert für umfassende Präventionsarbeit auf allen Ebenen

Es begann mit Nickeligkeiten, am Ende wurde eine Spielerin von ihren Gegnerinnen körperlich attackiert: Der Vorfall rund um die Fußballfrauen des SV Bommern (siehe unten) bestätigt, dass auf den Fußballplätzen im Amateurbereich bisweilen ein respektloser Umgang gepflegt wird. Eine Studie der Goethe-Universität in Frankfurt zeigt, dass immer häufiger auch Schiedsrichter angegangen werden. Heiko Schneider (49), Schiedsrichter-Lehrwart im Kreis Bochum, sagt im Gespräch mit WAZ-Mitarbeiter Maximilian Pleger, dass man in Sachen Gewaltprävention dringend handeln muss.

Die Frankfurter Wissenschaftler befragten 915 Unparteiische. Fast alle wurden schon beleidigt, knapp zwei Dritteln wurde Gewalt angedroht, und ein Viertel erlebte körperliche Gewalt bereits. Wie schätzen Sie die Situation der Schiedsrichter ein?

Man muss ja nur ins Internet gucken. Fast jede Woche gibt es einen neuen Vorfall. Generell ist zu merken, dass die Konflikte auf den Sportplätzen zunehmen. Und zwar zwischen allen dort anwesenden Gruppen – Zuschauer, Trainer, Spieler, und eben auch die Gewalt gegen die Schiedsrichter. Das fängt mit dem Umgangston schon an.

Schreckt das nicht zukünftige Schiedsrichter ab?

Natürlich, das ist ein großes Problem. Die Anwärterlehrgänge werden derzeit sicherlich nicht voller. Noch 2016 nahmen im Durchschnitt 25 Personen an zwei Lehrgängen teil. Im ersten diesen Jahres haben wir mit 13 angefangen. Am Ende absolvierten zehn die Prüfung, darunter acht neue Schiedsrichter aus Bochum und mit Thomas Emde und Marcel Porsdorf auch zwei aus Witten. Mit gut 300 Schiedsrichtern sind wir im Kreis Bochum im Vergleich noch ganz gut aufgestellt. Richtig zufriedenstellend ist das aber auch nicht. Dabei ist der Job eigentlich attraktiv.

Warum sollten sich junge Menschen gegenwärtig denn dazu entscheiden, ein Fußballspiel als Unparteiischer zu leiten?

Als Schiedsrichter übernimmt man Verantwortung, man formt sich und wird selbstbewusster. Die Jugendlichen entwickeln sich in ihrer Persönlichkeit. Aber in den Genuss kommen ja nicht viele, weil es kaum noch jemand machen will. Das liegt auch daran, dass die Außendarstellung nicht positiv ist. In den großen Ligen stehen die Unparteiischen inzwischen jedes Wochenende im Rampenlicht. Obwohl alle wissen müssten, dass diese Menschen auch Fehler machen können, wird meist ein negatives Bild der Spielleiter gezeichnet. Das färbt auf die unteren Ligen dann ab.

Als Schiedsrichter lernt man unter Umständen schon früh, Verantwortung zu übernehmen.
Als Schiedsrichter lernt man unter Umständen schon früh, Verantwortung zu übernehmen. © Theobald

Was muss man tun, um bei Jugendlichen wieder mehr Interesse am Schiedsrichterwesen zu wecken?

Zunächst mal muss man den Menschen an der Basis zuhören. Wir im Kreis Bochum haben schon vor 15 Jahren auf das Gewaltproblem hingewiesen. Damals wurden wir ausgelacht. Inzwischen räumt man dieses Problem auf höheren Ebenen ein, sagt aber, es sei minimal. Dabei ist ein Vorfall schon einer zu viel. Um die Situation auf den Fußballplätzen zu verbessern, muss auf allen Ebenen konzeptionell zusammengearbeitet werden.

Wie kann so eine Zusammenarbeit aussehen?

Es müssten meiner Meinung nach zunächst Arbeitsgruppen gebildet werden, an denen Vertreter von Verbänden, den Kreisen, der Vereine und die Schiedsrichter teilnehmen, um zentrale Fragen zu klären: Wo liegen die Ursachen der Gewalt? Was macht wer falsch? Wie schützen wir uns gegenseitig? Was für Konsequenzen drohen Tätern? Es fühlen sich ja nicht nur die Schiedsrichter unwohl. Auch die Vereine sind sich unsicher, was sie zum Beispiel mit auffälligen Spielern machen sollen. Derzeit bildet man da einfach keine Einheit, und jeder kocht sein eigenes Süppchen.

Gibt es denn Anlass zur Hoffnung, dass sich in naher Zukunft diesbezüglich etwas regt?

Der Kreis Bochum hat im Januar 2016 ein Konzept zur Gewaltprävention beim Verband eingereicht. Dazu soll es irgendwann mal eine Sitzung geben. Vielleicht kann das ja ein erster Anstoß sein. Ich wünsche mir einfach, dass angepackt wird. Unter Umständen stellt man dann fest, dass der falsche Weg eingeschlagen wurde, was man dann aber korrigieren kann. Wenn nichts gemacht wird, muss sich am Ende niemand wundern, wenn die Schubkarre im Sand steckenbleibt. Findet kein Dialog statt, werden wir auch im Raum Bochum früher oder später Probleme bekommen und Spiele nicht mehr besetzen können.