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Erst vor wenigen Tagen, am 10. April, wendete sich der Präsident des Deutschen Fußball Bundes (DFB) an alle Fußballer, Fans und Funktionäre. Anlässlich des bevorstehenden NSU-Prozesses forderte Wolfgang Niersbach in einem offenen Brief den entschiedenen Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Er brachte zu Papier: „Extremismus und Intoleranz haben nur dort eine Chance, wo weggeschaut und wo geschwiegen wird. Wir müssen deshalb genau hinhören, wenn Menschen auf und neben dem Platz wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder ihrer sexuellen Orientierung beleidigt werden.“ Und der Verbands-Fußballausschuss um ihren Vorsitzenden Georg Schierholz tat am Dienstag genau das, als in Kaiserau der Fall von Marco Antwerpen zum zweiten Mal vor der Spruchkammer verhandelt wurde. Es wurde genau hingehört und hingeschaut. Der Abend endete mit einem Freispruch und der Erkenntnis, dass die Sportgerichtsbarkeit Grenzen hat.
Antwerpen wird vorgeworfen, den Fußballer Nassirou Ouro-Akpo nach dem Oberliga-Spiel zwischen dem SV Schermbeck und RW Ahlen rassistisch beleidigt zu haben. Ahlens Trainer soll den Togolesen im Anschluss an ein hitziges Spiel mit den Worten „Verpiss dich, du schwarzer Pisser“ beschimpft haben. Ein schwerer Vorwurf, der durch Aussagen des Spielers und dreier Zeugen vor der Spruchkammer bestätigt wurde. Dennoch blieben nach zwei Verhandlungstagen berechtigte Zweifel, die zum Freispruch Antwerpens führten. Zwar deckten sich die Schilderungen aller Zeugen, was die tumultartigen Szenen im Anschluss an das Spiel angingen, doch nannten die Ohrenzeugen der Beleidigung unterschiedliche Tatorte. Vom Spielfeld bis hin zu den Türen der Umkleidekabine. Die Widersprüche ließen sich vor der Spruchkammer nicht ausräumen. In logischer Konsequenz folgte die Kammer dem Leitsatz „in dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten. Marco Antwerpen verließ den Sitzungssaal „Madrid“ kurz vor 22 Uhr mit einem Freispruch.
Dass der Spruchkammer-Vorsitzende Georg Schierholz in der Urteilsbegründung erklärte, er sei keinesfalls von der Unschuld Antwerpens überzeugt, verdeutlichte die engen Grenzen des Sportgerichts-Verfahrens. Denn der Spruchkammer fehlten die Wege und Mittel zur lückenlosen Aufklärung. Das liegt in der Natur der Sache, weil die Anklageseite im Fall „Antwerpen“ nur eine Zuschauerrolle einnehmen konnte. Ihr lagen weder Ergebnisse einer Ermittlungsbehörde vor, noch konnte sie selbstständig zur Aufklärung beitragen. Das Ungleichgewicht zwischen Anklage und Verteidigung mündete in Zweifeln, die keinen anderen Urteilsspruch zuließen.
Was bedeutet dieses Urteil im Zusammenhang mit den Forderungen von DFB-Präsident Niersbach? Vor allem wohl eins: Ein Fall „Antwerpen“ ist aufgrund der Schwere der Vorwürfe und den Unzulänglichkeiten der Sportgerichtsbarkeit vor einer Spruchkammer nicht aussagekräftig verhandelbar. Der DFB und seine Landesverbände stoßen hier an ihre Grenzen. „Wenn Menschen auf und neben dem Platz wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder ihrer sexuellen Orientierung beleidigt werden“, müssen in letzter Instanz ordentliche Gerichte über Recht und Unrecht befinden. Der Fall „Antwerpen“ wird sportrechtlich mit dem Aktenzeichen XY versehen. Er bleibt ungelöst. Strafrechtlich laufen die Ermittlungen des Staatsschutzes bereits seit Wochen. Erst am vergangenen Donnerstag vernahm die Polizei einen weiteren Zeugen.