Gelsenkirchen. Mandy Böhm begann ihre Sportlerkarriere einst als Tänzerin. Nun hat sich die Gelsenkirchenerin in Kanada den Weltmeistertitel im MMA gesichert.

Welche Sportart soll es sein? Diese Frage stellen sich sicherlich viele Eltern einige Jahre nach der Geburt ihres Kindes. Dass Sport wichtig ist, ist unbestritten, aber welche aus diesem riesigen Pool von Richtungen passt zum Kind? Viele Sportarten auszuprobieren, kann dabei Abhilfe schaffen. So war es auch bei Mandy Böhm. Die gebürtige Gelsenkirchenerin versuchte sich in jungen Jahren unter anderem als Turnerin und Tänzerin. Ballett stand bei der damals 15-Jährigen hoch im Kurs.

14 Jahre später erscheint Mandy Böhm als Weltmeisterin zum Gesprächstermin mit der WAZ. Aber weder im Turnen noch im Tanzen. Die inzwischen 29-Jährige hat einen riesigen Gürtel im Gepäck, und das ist ein ganz besonderer: der Gürtel der frischgebackenen Fliegengewichts-Weltmeisterin im Mixed-Martial-Arts (MMA).

Schweren Herzens hat Mandy Böhm den Fight-Club verlassen

Der Gegensatz zum Ballett könnte kaum größer sein. Mandy Böhm selbst bezeichnet MMA als die Königsklasse des Kampfsports. MMA vereint fast alle Kampfsportarten. „Ein Sportler muss komplett sein, er sollte unter anderem Boxen, Ringen, Kickboxen, aber auch Bodenkampf beherrschen“, beschreibt sie das Anforderungsprofil. Seit knapp zehn Jahren kämpft sie nun auf der Matte. Und spätestens seit Ende Mai ist die Gelsenkirchenerin auch jedem in der Szene bekannt: Mandy Böhm schlug im kanadischen Quebec Lokalmatadorin Jade Masson-Wong im ersten Frauenkampf der kanadischen Liga TKO und krönte sich damit zur Weltmeisterin.

Mandy Böhm hat ihren Trainingsmittelpunkt ins Ausland verlagert

Bis zum TKO-Kampf hatte Mandy Böhm ausschließlich in der German MMA Championschip, kurz GMC, gekämpft. Mit dem Teamwechsel ins irische SBG hat sie nun auch ihren Trainingsmittelpunkt ins Ausland verlagert.

„Im Ausland gibt es bessere Möglichkeiten. In Deutschland gibt es nur wenige MMA-Kämpferinnen. Die wenigsten sind in meiner Gewichtsklasse“, sagt die Fliegengewichts-Kämpferin.

Für die Reise nach Kanada investierte sie ihre gesamten Ersparnisse. Den Sport liebe sie aber auch deswegen, weil er deutlich gerechter als andere sei: „Ich kenne keine andere Sportart, in der Frauen und Männer derart gleich viel verdienen können. Auch Herkunft, Religion, Nationalität und so weiter spielen auf der Matte keine Rolle. Es geht nur darum, wie gut du in diesem Sport bist.“

Auch wenn sie nun nicht mehr federleicht über das Ballettparkett schwebt, lebt Mandy Böhm dennoch ihre ganz persönliche Cinderella-Story, wie sie es selbst bezeichnet. Wie die junge Frau im gleichnamigen Disney-Film, die als Magd verspottet wird, aber aufgrund ihrer Tanzkünste dem Prinzen imponiert und von ihm letztlich zur Frau genommen wird, hatte auch Mandy Böhm auf dem Weg aus dem staubigen Gelsenkirchen zum Weltmeistertitel viele Hürden zu nehmen.

Wenige Monate vor dem Kampf musste sie ihren Heimatverein, den Fight-Club Gelsenkirchen, bei dem sie auch als Trainerin tätig war, verlassen. Sie musste sich „schweren Herzens von meinem Zuhause trennen“, wie sie sagt. „Die Leute vom Fight-Club wollten nicht, dass ich den Kampf annehme. Sie sagten, ich sei noch nicht weit genug“, erzählt sie von den Reaktionen auf die Einladung.

Zuvor alle fünf Profi-Kämpfe gewonnen

Mandy Böhm, die zuvor alle fünf Profi-Kämpfe gewonnen und drei vor Ablauf der fünf Kampfrunden durch K.-o.-Schlag beendet hatte, traute sich mehr zu. „Was hätte ich verlieren können?“, fragt sie. „Ein Versuch war es wert, zumal so eine Chance kein zweites Mal kommt. Außerdem: Wer kommt schon von Gelsenkirchen nach Kanada?“

Mandy Böhm.
Mandy Böhm. © Olaf Ziegler

Monster, wie Mandy Böhm zum einen aufgrund ihrer harten Kampfart, zum anderen aber auch wegen ihrer manchmal zickigen Art während der Diät genannt wird, wechselte zum irischen Profistall Straight Blast Gym (SBG), bei dem sie sich fünf Monate lang unter Trainer John Kavanaugh, der auch MMA-Star Conor McGregor coacht, auf den Kampf vorbereitete. Mit Erfolg: „Ich bin sehr siegessicher in den Kampf gegangen, weil die Vorbereitung super war. Mein Trainer hat immer an mich geglaubt.“

Mandy Böhm möchte nach ihrer Karriere Kinder bekommen

Fernab von der Heimat im Ruhrgebiet gab Mandy Böhm in Kanada allerdings die richtige Antwort auf alle zweifelnden Stimmen. In der dritten Runde besiegte sie ihre Kontrahentin durch vorzeitigen K. o. Zuvor hatte aber auch das Monster einstecken müssen. „In der ersten Runde habe ich nach dominantem Beginn einen Knock-out kassiert. Da dachte ich schon, die Runde wäre nach Punkten verloren und ich hätte keine Chance mehr. Anfang der dritten Runde wurde ich dann auch noch extrem müde, aber ich habe es doch noch irgendwie geschafft. Es war unfassbar“, erzählt Mandy Böhm begeistert. Vor allem mental sei der Kampf eine echte Probe gewesen, denn das Publikum habe im Gegensatz zu Mandy Böhms Kämpfen in Deutschland nicht auf ihrer Seite gestanden: „Meine Gegnerin war eigentlich der große Act in Kanada. Sie sollte zu Hause den Titel holen. Es war daher seltsam, dass es still war, wenn meine Schläge angekommen sind. Normalerweise jubeln die Leute dann ja. Im Gegenzug musste ich die Freude des Publikums bei Treffern meiner Gegnerin wegstecken. Aber das hat noch einmal zusätzlich gepusht.“

Nach dem Kampf gönnte sie sich erst einmal eine vierwöchige Auszeit samt Urlaub. Die Akkus sind seitdem wieder voll, und der Hunger auf weitere Titel ist da. Erst wolle sie ihren TKO-Titel verteidigen, danach solle es in die weltweit führenden MMA-Ligen Bellator oder UFC gehen. Darüber hinaus hat Mandy Böhm genaue Pläne: „Ich möchte UFC-Champion werden und dann meinen Titel verteidigen. Danach ist Schluss, denn ich möchte noch Kinder bekommen.“ Es wäre das Happy End von Mandy Böhms ganz persönlicher Cinderella-Story.