Heiligenhaus. Kegeln ist das „deutsche Darts“. Der Kneipensport ist wieder im Trend. In Heiligenhaus spielen sie sogar Bundesliga. Wie sportlich Kegeln sein kann
Klingeln im Sekundentakt und krachendes Parkett, athletische Bewegungen und schwitzende Sportler – es ist richtig Tempo drin. Direkt beim Betreten der Kegelbahn der SK Heiligenhaus ist mir klar, dass das hier gar kein gemütlicher Kneipensport-Abend bei Bier und Frikadellen ist. Stattdessen gibt es Wasser.
An diesem Mittwochabend absolvieren die amtierenden Deutschen Meister im Sportkegeln von der Sportkegelvereinigung Heiligenhaus – oder wie sie sich nennen: die Heljens Red Lions – ihr wöchentliches Training. Gut, auf den zweiten Blick könnte man auch sagen: Es gibt insgesamt sicherlich Sportarten, die körperlich noch anstrengender, deren Akteure durchtrainierter sind. Aber Sportkegeln in dieser Hinsicht auf eine Stufe mit Billard, Minigolf oder Darts zu stellen, wäre mehr als unfair, wie ich gleich selber merken werde.
Sportkegeln: Nicht vergleichbar mit der Bundeskegelbahn in der Kneipe
„Natürlich geht es beim Sportkegeln in erster Linie um Präzision und Konzentration“, erklärt Marcel Grote. „Deshalb trainieren wir hier vor allem die Abläufe, dass die einfach sitzen.“ Aber der Kapitän der Mannschaft der Lions in der 1. Bundesliga prognostiziert mir auch: „Wenn du gleich einige Wurf hintereinander machst, wirst du feststellen, dass du Muskelkater in Körperstellen bekommst, die du wahrscheinlich sonst nicht benötigst.“
Zur Kenntnis genommen. Vom Gegenteil überzeugt, gehe ich vollkommen unaufgewärmt auf die Bahn. Marcel Grote erklärt mir noch einige der wichtigsten Dinge: immer genau drei größer werdende Schritte machen, eine Linie anvisieren und die Kugel gerade werfen, nicht anschneiden. Ich treffe. Oft sogar sieben oder acht Kegel. Oft auch weniger oder nichts. Aber mit Konzentration und Auge ein himmelweiter Unterschied zu einer Kegelrunde beim Betriebsausflug.
Sportkegeln beim SK Heiligenhaus: Auch trainierte Fußballer bekamen danach Muskelkater
Einen Unterschied machen tatsächlich aber auch die von Marcel angekündigten Schmerzen. Die langen Ausfallschritte am Ende und die 16cm-Durchmesser-Kugel mit ihren 2,8 Kilo spüre ich nach 30 Würfe hintereinander in den hinteren Oberschenkel, den Adduktoren und der rechten Schulter. „Und das war jetzt noch mit Reden und Pausen“, grinst Grote. „Ich spiele auch Fußball in Essen-Haarzopf und habe auf unserer Kegelbahn schon Mannschaftsabende organisiert, nach denen das Fußballtraining am nächsten Tag für den einen oder anderen schwierig war.“
Ein Spiel im Sportkegeln besteht aus vier Runden auf vier Bahnen à 30 Würfen, die jeder Spieler eines Teams absolvieren muss. Für jede Runde bleiben maximal zwölf Minuten Zeit, während nebenan der Gegner wirft. „Das sind auch mentale Drucksituationen, wenn der neben dir eine Neun nach der anderen macht. Das nicht an sich ranzulassen, auf sich fokussiert bleiben, macht einen guten zu einem extrem guten Kegler“, so Marcel Grote.
Wie beim Darts: Sportkegler müssen einfach möglichst viel trainieren
Um ein extrem Guter zu werden, arbeite jeder beim SK Heiligenhaus außerhalb des Trainings mit dem gemeinsamen Bahnenwerfen am Mittwoch sehr individuell. Waldläufe oder Krafteinheiten mit dem Team stünden nie auf dem Plan. „Manche von uns machen Laufsport nebenbei, ich spiele, wie gesagt, Fußball. Das hilft meiner Kondition natürlich“, berichtet Heiligenhaus-Kapitän Grote. „Ich stretche mich auch vor dem Kegeln, andere machen aber sonst wenig bis gar nichts.“
Einer dieser „Kegel-Puristen“ ist übrigens 20-facher Weltmeister aus Heiligenhaus. „Kegeln, nur Kegeln. Wenn ich einen Sport mache, dann mache ich den richtig“, sagt André Laukmann stolz. „Es gibt auch keine Tricks beim Kegeln. Der Trick ist einfach: Bock auf Kegeln haben und so oft es geht trainieren. Wie beim Darts.“ Mit den Red Lions mache der 38-Jährige bei jedem Training 300 Wurf, hinzu kämen nochmal 300 in der Woche, die er alleine runterreißt.
Auch, wenn es keine Tricks beim Kegeln gibt, gibt Laukmanns Teamkollege Marcel Grote aber ein Versprechen ab: „Wer mit uns trainiert, wird nach fünf Minuten schon genug draufhaben, um beim nächsten Kegeln mit Freunden in der Kneipe zu glänzen.“
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