Oberhausen. Oberhausener Teilnehmer bei den olympischen Wettkämpfen waren eher rar gesät.

Im September gibt die Stadt Oberhausen ein vierbändiges Werk heraus, das zum 150-Jahr-Jubiläum das alte „Heimatbuch“ ablösen soll. In Band IV der Gesamtausgabe werden verschiedene Aspekte der Stadtgeschichte beleuchtet, und der ehemalige NRZ-Sportredakteur Gustav Wentz hat sich um den Sport gekümmert - auch um die „Olympier“ aus Oberhausen. Diesen Abschnitt stellte er uns freundlicherweise zur Verfügung. Zum heutigen Auftakt der Olympischen Spiele in London veröffentlichen wir ihn in einer leicht gekürzten Fassung.

Im antiken Griechenland, so wird es überliefert, schätzte man Sieg und Sieger beim olympischen Wettkampf angeblich so hoch ein, dass die Heimat-Polis (Stadt) des lorbeerbekränzten Athleten die Stadtmauern eingerissen habe. Das stimmt zwar vermutlich nicht, ist aber ein schönes Bild für die Freude und vor allem den Stolz der Bürger.

In Oberhausen gibt’s keine Stadtmauern, aber es hätte immerhin drei Mal den „olympischen“ Abrissgrund gegeben: Zwei Oberhausener nämlich kehrten von Olympischen Spielen mit einer Goldmedaille zurück – insgesamt drei waren es, die sich auf Paul Lange (1960) und Ulla Salzgeber (2000 und 2004) verteilt haben.

Paul Langes Olympiasieg in Rom hatte sogar eine gewisse Symbolik, errang er die Goldmedaille doch als eines von zwei westdeutschen Mitgliedern der gesamtdeutsch zusammengesetzten 4 x 500-Staffel bei den Kanuwettbewerben. Der Kanute vom TC Sterkrade 69 – 29 Jahre alt bei seinem Sieg – arbeitete als Maurer und sagte bei einem Gespräch 40 Jahre später: „Krafttraining und Trainingslager und so was brauchte ich nicht. Gegen die Arbeit auf dem Bau war Kanufahren für mich immer Erholung.“

Die Olympiasiege von Ulla Salzgeber in den Jahren 2000 (Sydney) und 2004 (Athen) nahm die Oberhausener Öffentlichkeit so recht gar nicht wahr, zumal hinter dem Namen stets der Zusatz Bad Wörishofen stand – das war aber nur der Wohnort. Unter ihrem Mädchennamen Helbing war die Dressurreiterin früh in Oberhausen bekannt, war sie doch schon 1977 als 19-Jährige Junioren-Europameisterin geworden. Journalistische Recherche brachte nach vielen Jahren ihre Oberhausener Wurzeln wieder ans Tageslicht – die Stadt lud die zweifache Mannschafts-Olympiasiegerin 2005 zur Sportgala ein und zum Eintrag ins Goldene Buch.

Nachdem die gelernte Juristin ihr Siegerpferd „Rusty“ (mit dem sie in Sydney im Einzel Bronze und in Athen Silber geholt hatte) in die Pension geschickt hatte, nimmt sie erneut Anlauf auf die internationale Spitze– von ihrer Wahlheimat im Ostallgäu aus. Übrigens: Den Bayerischen Verdienstorden hat Ministerpräsident Horst Seehofer ihr bereits verliehen.

Premiere in Amsterdam

Oberhausens olympische Geschichte hatte schon weit früher begonnen, genauer: 1928 in Amsterdam. Oberhausens erste Olympiateilnehmerin war eine junge Frau. Reni Erkens war Schwimmerin und profitierte sicher vom Beruf ihres Vaters. Der war nämlich Bademeister im Stadtbad. Im Kraul gehörte die 19-Jährige zu den besten Schwimmern des Reichs und führte die 4 x 100 m-Staffel auf den vierten Platz. Im Einzelwettkampf war die Oberhausenerin im Zwischenlauf ausgeschieden. Zu gern wäre sie 1932 auch in Los Angeles gestartet, aber das verhinderte eine Schwangerschaft. Ihr Mann Ernst, der aus Viersen kam, schwamm übrigens in Los Angeles und wurde Fünfter über 100 m Rücken. Der gemeinsame Sohn Ernst-Joachim belegte 1964 in Tokio über eben diese Distanz in eben dieser Disziplin eben diesen fünften Platz.

Ein anderer Oberhausener, der 1932 antrat, war der Boxer Fred Kartz vom BC Ringfrei Oberhausen. Der elegante Leichtgewichtler war kurz vor den Spielen bei einem Turnier in Chicago mit dem „Goldenen Gürtel“ als technisch bester Boxer geehrt worden, hatte aber beim Olympiaturnier das Pech, im Viertelfinale auf den Südafrikaner und späteren Olympiasieger Lawrence Stevens zu treffen.

Berlin war 1936 Austragungsort der Sommerspiele, und drei Oberhausener fuhren in die Reichshauptstadt. Willy Jürissen war gerade 26 Jahre alt und galt damit als junger Torwart, der erstmal zurückstehen musste. Fritz Schaumburg war ein auch international renommierter 1500 m-Läufer, und Hans Raff als 3000 m Hindernis-Spezialist komplettierte das Oberhausener Trio. Dem war keine Medaille beschieden: Die Fußballer (mit Jürissen auf der Bank) verließen schon in der Zwischenrunde das Turnier, der Taktiker Schaumburg kam mit einer unglaublichen Tempobolzerei im Finalrennen (am Ende stand ein Weltrekord des Neuseeländers Lovelock) nicht klar und wurde Neunter, und der sensible Hans Raff ließ sich durch Rempeleien und einen folgenden Sturz so sehr entmutigen, dass er aufgab. „Man darf nicht aufgeben“, sagte er später oft – auch als Trainer von Willi Wülbeck.

Nachdem 1948 in London deutsche Sportler noch ausgeschlossen waren, kehrten sie 1952 zurück in die olympische Familie. Aus Oberhausen waren zwei Sterkrader in Helsinki dabei: Karl Klug und Rolf Lamers. Leichtathlet Lamers kam vom Tackenberg, startete aber für den TV Voerde. Er erreichte im Finale über 1500 m den sechsten Platz. Klug war Mittelstürmer der Spvgg. Sterkrade 06/07 (und zuvor beim BV Osterfeld) und hatte als Linksaußen in der von Sepp Herberger betreuten Elf als zweifacher Torschütze (gegen Ägypten und Brasilien) zum Erreichen des Halbfinals beigetragen. Das versäumte er verletzt – die DFB-Elf schied aus. Seine Popularität war überwältigend: Mit einer Droschke wurde Karl Klug durch Sterkrade gefahren.