Oberhausen. Der SC feiert 120. Geburtstag. Der Chef von RW Oberhausen zieht nach 20 Jahren Bilanz: „Ich hatte keine Ahnung, aber eine große Fresse.“
Ein paar Wochen ist Hajo Sommers noch Präsident von Rot-Weiß Oberhausen. Nach der Mitgliederversammlung am 20. Januar wird der Aufsichtsrat einen neuen Vorstand berufen, voraussichtlich wird Marcus Uhlig dessen Vorsitzender. Im kommenden September hätte der Gastronom (Music-Circus, Yucatan, Falstaff), Kleinkunst-Manager (Ebertbad) und Hobby-Politiker (Die Partei) auf 20 Jahre in rot-weißer Verantwortung zurückblicken können. Am Mittwoch, 18. Dezember, wird der „SC Rot-Weiß Oberhausen-Rhld. e.V.“ runde 120 Jahre alt. Das ist zwar kein Jubiläum, aber ein hübsches Alter für einen Sportverein mitten im Revier. Ein Gespräch mit Hajo Sommers über den Verein, den Fußball und also dies und das.
Wie soll das werden nach dem 20. Januar, wenn sich das Leben nicht mehr ausschließlich um RWO dreht?
Hajo Sommers: Ausschließlich ist ja ein bisschen viel gesagt, schließlich hatte ich auch ohne oder neben RWO noch genug zu tun.
Man wird Hajo Sommers aber noch beim Fußball sehen?
Na logo! Ich bin – gefühlt – mein Leben lang alle 14 Tage im Stadion gewesen. Da soll so bleiben, und ich gedenke, meinen alten Stammplatz auf der Gegengeraden einzunehmen, Stoag-Tribüne, wie das heute heißt.
Von dort aus ging es vor knapp 20 Jahren in die Vorstandsetage von RWO. Klingt wunderlich!
Das war ein wunderlicher Weg! Thomas Dietz, den ich bis dahin nur ganz am Rande kannte, weil meine Verlobte geschäftlich wegen irgendeiner Immobilie mit ihm zu tun hatte, sprach mich in den damaligen Chaos-Tagen an: Man vergisst das immer wieder und viel zu schnell: Hermann Schulz und Manni Rummel hatten mit ihrem überstürzten Rückzug einen Trümmerhaufen hinterlassen: ungeahnte Schuldensummen, ungeklärte Personalfragen, eine sportlich relativ ruinöse Situation. Der damalige Rechtsdezernent der Stadt, Dirk Buttler, hatte sich bereitgefunden, als Vorsitzender zu agieren, aber auch schnell eingesehen, dass man sich da einen soliden Ruf als kommunalpolitisch aktiver Advokat kaputtmachen kann. Und auf einmal wurde ich Präsident, ohne Ahnung vom Fußball, aber mit großer Fresse, offen für alles, was man im völlig verstaubten Fußball damals nicht kannte – erst recht nicht in Oberhausen – und mit einem irgendwie und trotz allem unerschütterlichen Optimismus ausgestattet.
Die Finanzen bleiben bei RWO das zentrale Thema, das den meisten zwar zum Halse heraushängt, das aber nichts daran ändert, dass ohne Geld alles Mist ist.
Darum war das auch immer mein Geschäftsbereich innerhalb der Vorstandsarbeit. Vom Fußball verstehe ich als gelernter OTHC-Hockeyer fachlich nicht genug, habe mich da auch immer raus gehalten.
Aber aus Geldfragen kann man sich nicht raus halten.
Ganz und gar nicht! Wir hatten 4,5 Millionen Euro Schulden, was sich in Oberhausen nach noch mehr anhört als es ist, weil man hier den Umgang mit größeren Summen ja nicht mehr gewöhnt ist. Heute sind es noch 1,2 Millionen, und wir schreiben umsatzmäßig seit vier Jahren die berühmte schwarze Null. Und anders als anderswo haben wir das sehr, sehr alleine und aus eigener Kraft geschafft. In Duisburg etwa ist der MSV im Prinzip pleite, und da beruft der Oberbürgermeister eine Geberkonferenz ein. Da zucken wir nur mit den Achseln: Was soll‘s? Wir brauchen uns nicht ständig bei Oberbürgermeistern oder so zu bedanken.
Aber die Stadt hat doch schon mitgeholfen in der schlimmsten Situation des SC Rot-Weiß?
Die Stadt war manchmal wohlwollend unseren Anliegen gegenüber, um es mal so zu formulieren. Manchmal aber auch nicht, und da fragte ich mich oft, ob das jetzt eine Art Behördenwillkür ist oder die reine Desorganisation oder der fehlende gute Wille. Sie kann und konnte ja auch nicht viel tun in der Lage, in der sie seit Jahren selber steckt. Von den, sagen wir mal, offiziellen Stellen neben unseren Sponsoren, denen ich unendlich dankbar bin, hätte ich schon etwas mehr erwartet - gar nicht mehr Geld, sondern einfach mehr Entgegenkommen. Wir haben durch unser in Deutschland ziemlich einmaliges Verhalten als verschuldeter Fußballverein immer wieder demonstriert, nicht an Aufgabe zu denken, sondern zu malochen. Und wir haben immer mit offenen Karten gespielt.
Beim Rückblick darf man wohl von einer „Ära Sommers“ sprechen, was die Frage provoziert: Was sind die Meilensteine – falls es welche gibt?
Als Meilenstein will es nicht bezeichnen, eher als eine Art Grundsatz. Anfangs standen wir vor der Frage: Gehen wir in die Insolvenz? Dann wäre der Verein tatsächlich verschwunden in der Kreisliga, Das wollten wir nicht, also haben wir zäh und beharrlich malocht, hatten immer mal Ideen, waren dankbar für Leute, die Ideen hatten. Und dann wuchsen auch Meilensteine.
Ganz wichtig aus meiner Sicht war der Umzug von der Landwehr zur Lindnerstraße. Ich weiß, dass ich damit an einer Wunde rühre, die manche „alte“ Rot-Weiße immer noch verspüren. Aber da muss man ehrlich sein: Das Vereinsheim – vom Keller bis zur ersten Etage – war verkommen, die Aschenplätze schlecht, der Rasenplatz furchtbar. Das ist jetzt alles viel, viel besser. Man wird es richtig sehen, wenn die Bahn hoffentlich mal mit ihrer Baustelle fertig wird.
Meilenstein 2 war der Aufstiegsdurchmarsch mit Günter Bruns, Meilenstein 3 der Abstiegsdurchmarsch - das sind schon Alleinstellungsmerkmale. Was ich mir persönlich hoch anrechne: Wir sind zum Teil dieser Stadt geworden. Wir beteiligen uns am Leben unserer Stadt, wir veranstalten viele Dinge, die mit Sport nichts oder nur am Rande zu tun haben. Wir machen eine aktive und vorbildliche Jugendarbeit im Rahmen unserer Möglichkeiten. Und ach ja: Nach vielen Jahren habe ich es geschafft, dass die Stoag wieder bei uns halten muss.
Zum Teil dieser Stadt geworden zu sein, ist eine markante Aussage, vielleicht auch eine, die irgendwann in rot-weißen Chroniken zu lesen sein wird. Was war der Preis dafür?
Das sind knapp 20 Lebensjahre, die nicht spurlos bleiben. Man wird ja bekanntlich nicht jünger, und ich habe mit anderthalb Herzinfarkten bezahlt. Zum Glück und mit der Hilfe meiner Ärzte, meiner Freunde und natürlich meiner Verlobten bin ich wieder kuriert. Radfahren, frische Luft. Tut alles schon gut.
Wer sich ständig beschimpfen lassen muss, soll sich auch bezahlen lassen. Das ist ein Satz aus einem unserer letzten Gespräche. Damit wird begründet, dass der Vorstandsvorsitzende demnächst bezahlt werden soll.
Man sagt ja gerne, dies und jenes sei nicht vergnügungssteuerpflichtig. Das kann ich für das Amt des RWO-Präsidenten bestätigen, nur: Es gibt gar nichts, wovon er Vergnügungssteuer bezahlen könnte, es gibt nämlich nichts für den Job, dessen Arbeitszeit ungeklärt, aber üppig ist. Kürzlich habe ich erfahren, dass die Mitglieder im Präsidium des Westdeutschen Fußballverbandes nicht etwa ehrenamtlich arbeiten, sondern gut bezahlt werden. Von uns, von den Vereinen!
Zurück zum Anfang: Werden wir von Hajo Sommers noch nach seiner Zeit bei RWO hören?
Also, das will ich doch hoffen. Mit dem Falstaff wird es aus bauterminlichen Gründen noch dauern, aber ich bin Mitglied der Satire-Partei „Die Partei“ und will bei der Kommunalwahl für den Rat kandidieren. Darauf freue ich mich sehr!