Oberhausen. Bezirksligist SW Alstaden um den überragenden Spielertrainer Raphael Steinmetz schafft mit 4:3 die Pokalsensation gegen den Wuppertaler SV.

Ein Spiel für die (Fußball-) Geschichtsbücher. Zumindest die in Oberhausen und Wuppertal. Es war Dienstag kurz nach 22 Uhr, als etwa 1000 Zuschauer an der sonst beschaulichen Alstadener Kuhle den gesamten Stadtteil erbeben ließen. Nach der gefühlt tausendsten kompromisslosen Klärung von Kapitän Aaron Langen machte Schiedsrichter Davide Zeisberg mit seinem Schlusspfiff die Pokalsensation perfekt. Mit 4:3 (2:2; 1:1) nach Verlängerung hatte Bezirksligist Schwarz-Weiß Alstaden das Regionalliga-Spitzenteam Wuppertaler SV ausgeschaltet und steht im Achtelfinale des Niederrheinpokals.

„Ein schmutziger Elfer in der Nachspielzeit würde mir reichen“, scherzte SWA-Präsident Hermann Buschmann vor dem Spiel. Knapp drei Stunden später konnte er es kaum fassen, dass sein Klub tatsächlich in der nächsten Runde steht. „Der absolute Hammer! Was die Mannschaft da von vorne bis hinten abgerissen hat, ist der Wahnsinn“, schüttelte er fast ungläubig den Kopf.

„Mit Sicherheit beste Teamleistung, die ich in Alstaden gesehen habe“

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Tatsächlich war es der enorme Wille des gesamten Teams, der diese Riesen-Überraschung möglich machte. „Das war die mit Sicherheit beste Teamleistung, die ich in Alstaden gesehen habe“, meinte Abwehrchef Langen nach der Partie mit Blick auf die ausgelassen feiernden Kollegen. Natürlich könnte man einzelne Spieler hervorheben. Allen voran Spielertrainer Raphael Steinmetz, der gegen seinen Ex-Klub drei Tore selbst schoss und das vierte sensationell einleitete. Oder Langen und seinen Innenverteidiger-Kollegen Sebastian Stollen, die die Wuppertaler Stürmer komplett entnervten. Und wenn einmal ein Ball an ihnen vorbeikam, war Alex Krobok im Tor zur Stelle, der einen herausragenden Abend erwischte. Die Aufzählung könnte bis zu den Reservespielern weitergeführt werden, denn letztlich hatte jeder einzelne seinen Beitrag zu diesem Erfolg beigetragen.

„Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin!“, sangen die SWA-Fans und Spieler nach dem Coup gegen den haushohen Favoriten aus Wuppertal.
„Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin!“, sangen die SWA-Fans und Spieler nach dem Coup gegen den haushohen Favoriten aus Wuppertal. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Es passte einfach alles zusammen an diesem denkwürdigen Abend an der Kuhle. Die Profis aus dem Bergischen begannen pomadig, nutzten jedoch gleich den ersten Torabschluss zur Führung nach zehn Minuten und sahen sich damit offensichtlich schon in der nächsten Runde. Dorthin wären sie vermutlich auch locker eingezogen, wenn sie die in den folgenden 20 Minuten vorhandenen Chancen zielstrebiger genutzt hätten oder Damjan Marceta bei seinem Pfostenschuss (27.) etwas mehr Glück gehabt hätte.

SW Alstaden wird gegen den Wuppertaler SV immer selbstbewusster

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Doch je mehr Chancen die Gäste vergaben, desto mutiger und selbstbewusster wurden die Alstadener. Nach dem ersten Torschuss durch René Biskup (23.) tauchten die Gastgeber immer häufiger vor dem WSV-Tor auf und in der 32. Minute traf Steinmetz dank seiner herausragenden Schusstechnik aus 17 Metern zum umjubelten Ausgleich. Spätestens sechs Minuten später, als der nächste Versuch von Steinmetz von der Unterkante der Latte knapp vor der Torlinie aufsetzte, wurden die Wuppertaler sichtlich unruhiger.

Der überragende SWA-Spielertrainer Raphael Steinmetz (l.) war den WSV-Kickern zumeist eine Idee und einen Schritt voraus.
Der überragende SWA-Spielertrainer Raphael Steinmetz (l.) war den WSV-Kickern zumeist eine Idee und einen Schritt voraus. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Endgültig hektisch wurde der Favorit nach der ersten Alstadener Führung in der 51. Minute. Steinmetz hatte in der eigenen Hälfte mit einer einzigen Körpertäuschung seinen Gegenspieler Davide-Jerome Itter wie einen Eiskunstläufer nach einem verkorksten Rittberger auf den Hosenboden gesetzt und bediente mit einem Traumpass Sven Konarski. der im Gegensatz zur gesamten WSV-Abwehr genau damit gerechnet hatte. Seinen Schuss ließ Gäste-Keeper Paul Grave nach vorn abprallen und der im Gegensatz zu den Wuppertalern gedankenschnelle Biskup brachte diesen im Tor unter.

Gäste-Trainer Hüzeyfe Dogan reagierte mit einem Vierfach-Wechsel, doch die Offensivbemühungen blieben unstrukturiert. Gefährlich wurde es fast ausschließlich bei Standards. So war es auch eine der letztlich 17 Ecken, die zum 2:2 führte (68.). Danny Walkenbach hatte danach noch zweimal Pech bei seinen Abschlüssen und auf der Gegenseite klärten Langen und Stollen noch jeweils einmal auf der Linie, so ging es in die Verlängerung.

Natürlich hatte der Regionalligist unter dem Strich mehr Chancen - aber SWA den bärenstarken Alex Krobok im Kasten.
Natürlich hatte der Regionalligist unter dem Strich mehr Chancen - aber SWA den bärenstarken Alex Krobok im Kasten. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Bereits ein Achtungserfolg für die Alstadener, die sich damit aber nicht zufriedengeben wollten. Obwohl ihr letztes Pflichtspiel gerade einmal 48 Stunden vorbei war und beinahe jeder in der Kuhle minütlich mit einem konditionellen Einbruch rechnete, nutzten die Schwarz-Weißen immer wieder die sich ergebenden Räume nach vorne. Nach herrlichem Doppelpass mit Konarski war es in der 95. Minute erneut Steinmetz, der zum 3:2 traf. Während die Alstadener Zuschauer ungläubig jubelten, stellten die rund 40 mitgereisten Ultras des Regionalligisten ihren zuvor bemerkenswerten Support abrupt ein.

Erst recht, nachdem Steinmetz mit einem kuriosen Tor auf 4:2 erhöht hatte (114.). Nachdem er einen langen Ball in die Spitze nicht erreichen konnte, dachte Wuppertals Keeper Grave, es hätte einen Abseitspfiff gegeben. Grave spielte den Ball Richtung Mittellinie, wo Steinmetz die Kugel annahm und aus 40 Metern ins leere Tor schoss. Damit war die Sensation perfekt, das dritte Wuppertaler Tor in der Nachspielzeit der Verlängerung interessierte so recht niemanden mehr.

Denn nun begann die berühmte dritte Halbzeit, die Dienstag sogar die fünfte war. Kurzfristig mussten die Getränkevorräte noch aufgefüllt werden und Steinmetz stimmte lautstark auf dem Platz die Humba an, bevor er sich mit brüchiger Stimme an die Fans richtete. „Ich habe es gerade schon der Mannschaft gesagt. Danke für diesen geilen Abend.“ Dem ist zumindest aus Alstadener Sicht nichts hinzuzufügen.

KOMMENTAR

Hut ab vor diesen Schwarz-Weißen! Der Bezirksligist aus Alstaden zeigte, dass mannschaftliche Geschlossenheit individuelle Klasse schlagen kann. So wie die deutschen Basketballer es vormachten, wuchs auch die Elf um den zuweilen genialen Spielertrainer Raphael Steinmetz als Einheit über sich hinaus und fuhr einen sensationellen Sieg ein. Eine noch größere Herausforderung wird es jedoch sein, schon am Freitag mit extrem müden Beinen den Fokus wieder auf die Meisterschaft zu richten. Aber auch abseits des Platzes absolvierte SWA eine bemerkenswerte Arbeit. Bei der Organisation und Vorbereitung der Partie wurde in akribischer Weise an fast alles gedacht. Für einen Klub dieser Größenordnung mit entsprechend wenig Erfahrung in diesen Bereichen und ausschließlich ehrenamtlichen Mitarbeitern eine grandiose Leistung. Das unvermeidbare Park-Chaos rund um die Bürgerstraße wurde so gut es geht in Grenzen gehalten, die Betreuung der Gästebesucher war vorbildlich und auch das gastronomische Angebot hielt dem Ansturm stand. Hier dürfte sich sogar der hiesige Regionalligist mit seinen zahlreichen Angestellten durchaus eine Scheibe abschneiden (was er aber erfahrungsgemäß vermutlich nicht tun wird). Lediglich das Toilettenangebot an der Kuhle ist noch verbesserungswürdig. Dazu haben sie hoffentlich schon in der nächsten Pokalrunde Gelegenheit.