Oberhausen. Anthony Annan war international eine große Nummer: Profi, Nationalspieler, Champions League – sogar Schalke. Jetzt Kreisliga A in Oberhausen.
Die aktuelle Staffel der Fußball-Kreisliga A ist – ohne übertreiben zu wollen – die stärkste, die der Kreis 10 je gesehen hat. Unzählige Klassespieler tummeln sich auf den Plätzen. Arminia Lirich sorgte gewissermaßen für die Kirsche auf der Sahnetorte. Denn mit Anthony Annan läuft im Käfig eine echte Rakete auf. Der 37-jährige Ghanaer hat alles gespielt, was man im Welt-Fußball spielen kann: Weltmeisterschaft, Champions League, Bundesliga, Afrika-Cup – und und und. Jetzt schnürt er im defensiven Mittelfeld der Arminia die Stiefel. Wir haben uns mit ihm getroffen.
Wie kommt ein weitgereister Kicker nach Oberhausen? Die Erklärung ist simpel – und doch war es ein weiter Weg.
Annan machte in Ghana schnell auf sich aufmerksam. Als U20-Nationalspieler geriet er ins Visier von Scouts der Blackburn Rovers. „Die wollten mich verpflichten, aber mein damaliger Verein hat wohl zu viel Ablöse verlangt“, erzählt er. Der Transfer scheiterte.
Stattdessen ging es nach Norwegen: Vorspielen bei IK Start. „Meine erste Erfahrung? Sehr schlecht“, erinnert er sich grinsend. „Alles war weiß. Ich hatte vorher nie Schnee gesehen.“ Gut, dass man in Skandinavien meist in riesigen Hallen trainiert – aber nur zwei Tage, dann strahlte im Trainingslager in Spanien die Sonne.
Annan zu seinen vielen wechselnden Ausleihen: „Es war mein Job“
Annan überzeugte und unterschrieb seinen ersten Profi-Vertrag. Klingt soweit gut, doch dann begann eine Phase, die sich durch einen Großteil seiner Karriere zog: Er wurde ausgeliehen. „Das hat mir nie gefallen. Aber es war mein Job.“ Auch das ist ein Grund, warum Annan in Oberhausen ist: Zeit mit der Familie, sesshaft werden.
Zurück zur Vita: Der Durchbruch gelang ihm beim norwegischen Traditionsklub Rosenborg Trondheim: In seiner ersten Saison 2010 wurde er Norwegens Fußballer des Jahres. Das rief FC Schalke 04 auf den Plan. Trainer Felix Magath war seinerzeit auf Einkaufstour. Zwei Millionen Euro überwiesen die Königsblauen. „Magath nahm mich unter Vertrag, war aber leider drei Monate später weg“, erinnert sich Annan an die berüchtigten Medizinball-Einheiten („Oh ja, sehr viele Medizinbälle!“) und an Einsätze gegen Dortmund oder auch gegen Bayern. Insgesamt lief er zwölfmal in der Bundesliga auf.
Ralf Rangnick folgte auf „Quälix“ und damit ein drei Jahre langes Hin und Her für ihn. Er wurde an Vitesse Arnheim und Osasuna ausgeliehen. Den Draht ins Ruhrgebiet hatte er immer. Beim regelmäßigen sonntäglichen Kirchenbesuch in Oberhausen mit Gerald Asamoah lernte er seine Freundin kennen. Sie: ghanaische Wurzeln, in Oberhausen aufgewachsen und zuhause. Er: Profi-Fußballer, auf der ganzen Welt zuhause. Kann das gut gehen?
Es kann! Das Paar lebt gemeinsam in Alstaden, hat zwei Söhne, neun und fünf Jahre. Der älteste kickt bei Adler Oberhausen. „Damals kannte ich Arminia Lirich noch nicht“, lacht Annan.
Auch während seiner weiteren Karriere war er immer hier, so entstanden viele Kontakte. „NRW hat ein großes ghanaisches Umfeld“, erklärt Gerald Siebert, Co-Trainer bei der Arminia und an diesem Abend Dolmetscher. „Man traf sich in der Kirche und verabredete sich zum Kicken. Einmal im Jahr findet ein großes Kirchen-Turnier statt.“ Ein weiterer Grund, nach der Profikarriere den Lebensmittelpunkt nach Oberhausen zu legen.
Doch noch lief es für den Mittelfeldmotor bestens. Bei der Weltmeisterschaft 2010 war Annan Stammspieler für Ghana und stand in jedem Spiel über die volle Distanz auf dem Platz – auch beim 0:1 gegen Deutschland. Das bittere Aus folgte im Viertelfinale beim 1:2 gegen Uruguay. „Für sein eigenes Land zu spielen, ist das schönste“, denkt Annan an 64 A-Länderspiele.
Tolle Erinnerungen an 64 Länderspiele für Ghana
Auch in der Liga lief es – vor allem in Finnland. 2017, damals bei HJK Helsinki unter Vertrag, wurde er Finnlands Fußballer des Jahres. „Ich habe mich immer dort wohlgefühlt, wo ich am meisten Spielzeit bekam“, sagt er rückblickend, „in Finnland, Norwegen und Holland.“
Bis November 2022 ließ Annan beim finnischen Zweitligisten Turun Palloseura seine professionelle Laufbahn ausklingen, danach war für ihn klar: „Ich will zu meiner Familie, nach Oberhausen.“ Bei Oberligist VfB Homberg und Landesligist VfB Bottrop hielt er sich zwischenzeitlich fit. Eine Fortsetzung der Profi-Laufbahn wurde angedacht, auch Regionalligist RWO spielte eine Rolle. „Das wäre wohl nur für ein Jahr gewesen, keine Lösung“, sagt der Ghanaer.
Warum ausgerechnet Lirich? „Zum einen hatten Gerald und unser Neuzugang Dennis Peprah einen Draht zu Anthony und ihn mitgebracht, zum anderen bemüht sich das Umfeld des Vereins sehr, einen Job für ihn zu finden“, erklärt Trainer Jens Szopinski. Das war das perfekte Gesamtpaket für Annan: Ein bisschen zocken, bestenfalls mit einem Job in der Tasche – und endlich dauerhaft bei Frau und Kindern.
Im Käfig ist der Ex-Profi mittlerweile ein kleiner Star und musste schon Autogramme schreiben. Allüren lässt er kein bisschen durchblicken – im Gegenteil. Er ist zurückhaltend, fast schüchtern – und absolut geerdet. „Ich erwarte nicht, dass ich immer spiele.“ Solche Aussagen hat man von einem Ex-Profi in der achten Liga wohl noch nicht gehört.
Annan hat mit Arminia Lirich klare Ziele: „Wir wollen aufsteigen“
Annan hat Spaß an seinem neuen Klub. „Mir gefällt, dass die Mannschaft ein guter Mix mit richtig guten Jungs ist. Und dass der Trainer uns den Ansporn gibt, Gas zu geben, die Sache ernst zu nehmen und Ziele zu erreichen. Na klar. Wir wollen aufsteigen! Und dafür werden wir alles geben.“ Annan ist ehrgeizig. „Wenn du Profi gewesen bist, bleibst du auch Profi, wenn du in der achten Liga spielst.“
Von dieser Professionalität profitieren seine Mitspieler. Umso mehr macht es ihm Freude, dass „viele lernen wollen. Sie stellen Fragen und sind sehr wissbegierig.“ Lob geht an Trainer „Schuppi“: „Er will der Mannschaft helfen. Für mich geht es darum, seine Regeln und seine Philosophie zu befolgen.“
Wie er das tut, kann man Freitag, ab 19.15 Uhr, im Käfig sehen – dann empfangen die Liricher den FC Sterkrade 72. Spitzenspiel, ein echter Härtetest!
Wenn es Freitag ab 19.15 Uhr im Liricher Käfig zum Aufeinandertreffen der DJK Arminia Lirich und dem FC Sterkrade 72 kommt, ist das auch wegen Anthony Annan nicht nur irgendein Spiel in der Fußball-Kreisliga A. Beide Teams wurde vor der Saison zu den Titelfavoriten ausgerufen, und zumindest die Hausherren haben ihr Saisonziel dahingehend offensiv formuliert: „Wir wollen aufsteigen!“, hatte Trainer Jens Szopinski angekündigt.
Lirich wird gegen den FC 72 offensiv ins Rennen gehen
Und genauso offensiv wie das Saisonziel soll auch die Spielweise der Rot-Weißen aussehen: „Wir werden nach vorne spielen“, kündigt Szopinski an. „Natürlich wollen wir nach dem gelungenen Auftakt auch punktetechnisch nachlegen. Wir sind uns der Schwere der Aufgabe bewusst und wissen, dass da ein richtig dicker Brocken auf uns zukommt.“
Gäste-Trainer Patrick Wojwod bleibt ganz cool: „Natürlich ist das eine tolle Paarung. Aber danach haben wir immer noch 28 Spiele zu absolvieren. Daher möchte ich die Nummer ungern höher hängen“, geht er geerdet ins Match. Personell haben die 72er noch einmal nachgelegt: Von Sterkrade-Nord kehrt Okan Aslantin zurück, vom VfB Bottrop kommt Enes Kodaman