Mülheim.
Der Schweiß fließt ordentlich. Sie werfen sich Medizinbälle zu, laufen dabei seitwärts in der Hocke durch die Sporthalle in Speldorf. Die zwölf jungen Frauen quälen sich beim zweistündigen Training, geben die nächsten zwei Stunden lang Vollgas. Anders würden es die Mülheim Shamrocks gar nicht wollen, denn sie verfolgen ein ehrgeiziges Ziel: die Deutsche Meisterschaft im American Football. Die Saisonvorbereitung läuft und Coach Claudia Baack ist bemüht, das 25-köpfige Erstliga-Team mit neuen Talenten zu verstärken.
Das erweist sich jedoch als schwierig. Beim American Football denkt man nämlich zunächst an Männer und Testosteron. An muskelbepackte Kolosse mit riesigem Bizeps. Jedoch nicht an Frauen. Ihr Sport sei aber nur eine vermeintliche Männerdomäne, finden die Shamrocks. „American Football ist ein Mädchensport“, sagt Spielerin LuBelle Kreutzer (29). Denn anders als bei der britischen Variante Rugby machen die Rüstungen und Helme der US-Version den anfangs brutal anmutenden Vollkontaktsport äußerst sicher. Kreutzer muss es wissen, die ehemalige Nationalspielerin steht als Linebacker auf dem Feld. „Wir müssen tackeln können und hemmungslos in den Gegner reingehen.“ Böse verletzt hat sie sich dabei in ihren nunmehr 13 aktiven Jahren noch nie. Zudem seien die gefährlich aussehenden Zusammenstöße eher selten. Football ist eben keine Rauferei, sondern taktisch hochkomplexes „Großraumschach“. Die Bandbreite der Spielpositionen beim Football ist groß und während der Angriff (Offense) schnelle, drahtige Sportlerinnen benötigt, werden kräftigere Athletinnen in der Verteidigung (Defense) eingesetzt, wo sie ihre Gegnerinnen blocken sollen.
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Wie muskulöse Schränke mit wuchtigen Oberarmen sieht bei den Shamrock allerdings keine aus. „Die meisten Spielerinnen sind normal gebaut“, sagt Veteranin Britta Müller (33), die 2011 noch im Deutschland-Trikot spielte und sich wieder einen Platz im Nationalkader erkämpfen möchte. „Tatsächlich suchen wir händeringend nach stämmigeren Frauen.“ Leider hätten aber gerade sie Hemmungen, an einem Schnuppertraining teilzunehmen, weil sie sich mit ihrem Hüftgold für ungeeignet wähnen. Dabei sind der Mannschaft längst nicht nur Sportskanonen mit gestählten Körpern willkommen. „Wir kriegen alle für die Bundesliga fit, die Spaß mitbringen“, sagt Claudia Baack.
Keine leeren Versprechungen
Dass dies keine leeren Versprechungen sind, hat Anfängerin Alina Rettke (22) bereits am eigenen Leib erfahren. Sie spielte vorher Handball und Fußball, doch ihr neues Training ist intensiver als in den anderen Mannschaftssportarten. „Es macht Spaß, aber in den ersten Tagen hatte ich sehr, sehr schlimmen Muskelkater“, sagt sie und lacht. Seitdem sind nur wenige Wochen vergangen, aber Rettke gehört bereits als Wide Receiver (Passempfängerin) zum Bundesligateam. „Football ist viel mehr als Karambolage, er ist sehr vielfältig. Man braucht Kraft, Ausdauer und Taktik“ und jede einzelne Spielerin ist wichtig für den Erfolg oder Misserfolg einer Mannschaft.
Daher hat die Architekturstudentin auch der Ehrgeiz gepackt. Sie möchte ihre Kondition verbessern und will, sofern es ihre Freizeit erlaubt, im Fitnessstudio fleißig Gewichte stemmen. „Die Saison geht im Mai los, und es soll ja nicht auffallen, dass ich ein Neuling bin.“ Alle Teamkameradinnen unterstützen sie dabei, Rückendeckung bekommt sie außerdem aus ihrem privaten Umfeld.„Ich würde mich freuen, wenn wir mehr Mädels für uns begeistern könnten. Jetzt ist die beste Zeit, einzusteigen.“
Für Alina Rettke ist es ein echter Glücksfall, dass sie den „Mädchensport“ American Football für sich entdeckt hat. Sie hofft, ihre Freundinnen für ihre neue Leidenschaft gewinnen zu können. Denn mit den Mülheim Shamrocks um den Deutschen Meistertitel zu kämpfen, das wird bestimmt aufregend.