Estland. Milan Delevic hat geschafft, wovon so viele träumen: Er ist Fußballprofi. Auf dem Weg dahin lernte er aber auch zahlreiche Schattenseiten kennen.
- Milan Delevic hat seinen Traum, Fußballprofi zu werden, trotz großer Rückschläge und schwieriger Bedingungen verwirklicht, indem er 2018 nach Serbien ging, um sich bei einem Drittligisten durchzusetzen, was ihm schließlich den Aufstieg in die erste Liga ermöglichte.
- Auch wenn er in Serbien teils mit Korruption und unprofessionellen Strukturen zu kämpfen hatte, öffneten ihm seine Leistungen Türen, die ihn zuletzt nach Estland zum Verein Paide Linnameeskond führten, mit dem er sogar in der UEFA Conference League spielte.
- Heute blickt er auf eine prägende Karriere voller Höhen und Tiefen zurück, die ihn sowohl sportlich als auch persönlich wachsen ließ, und er würde denselben Weg erneut einschlagen.
Es war die schwerste Zeit seines Lebens – und dennoch würde Milan Delevic denselben Weg noch einmal gehen. Als der gebürtige Mülheimer im Jahre 2018 eines Morgens wach wurde, da war es ihm klar: „Ich wollte etwas ganz neues, einen Tapetenwechsel. Ich war nicht mehr zufrieden und habe meinen Eltern gesagt, dass ich nach Serbien will“, erinnert sich der heute 26-jährige Fußballer zurück.
Damals spielte Delevic, der in der Jugend einst beim TuS Union Mülheim angefangen hatte für den FC Kray. „Mein Ziel war es aber immer, höher und weiter zu kommen“, so Delevic. Beim Essener Landesligisten schien er in eine Sackgasse geraten zu sein, der Weg in den Profifußball – quasi unmöglich.
Doch heute hat Delevic genau dies geschafft. Er ist Fußballprofi und spielte bis vor kurzem noch in der UEFA Conference League – für den Verein Paide Linnameeskond aus Estland.
Vom FC Kray nach Serbien: die Entscheidung fällt über Nacht
Damals, 2018, blieb es nicht bei der Idee, Delevic setzte sie auch in die Tat um und zog nach Serbien. Nach einem Probetraining schloss er sich dem Drittligisten FK Zvezdara aus der Hauptstadt Belgrad an. „Ein Teil meiner Familie lebte in Serbien. Allerdings im Süden. In Belgrad war ich komplett alleine, ich hatte dort gar keinen“, so Delevic.
Knapp zwei Jahre blieb er beim Klub, ehe ein Agent ihm anbot, ihn in die 2. serbische Liga zum OFK Zarkovo, ebenfalls einen Verein aus Belgrad, zu vermitteln. „Das ist super schwer. Denn in Serbien gilt die dritte Liga als Amateurliga, die zweite als Profi-Liga. Dort reinzukommen ist fast unmöglich“, so der Innenverteidiger.
Von der dritten in die erste Liga in Serbien, doch Milan Delevic lernt auch die Schattenseiten kennen
Er schaffte es dennoch – lernte dann aber schnell auch die Schattenseiten des Geschäfts kennen. Kurz zusammengefasst: Korruption und Unprofessionalität. „Es kam vor, dass der Sohn eines Geschäftsfreundes des Präsidenten unbedingt spielen musste“, sagt Delevic. Auf ihn selbst setzte der Trainer von Zarkovo zunächst jedoch nicht.
„Die Zeit war mega schwer, vor allem psychisch“, so Delevic. Erst nach einem kompletten Wechsel der Geschäftsführung wurde es besser für den Deutschen. Nach und nach spielte er sich doch in die Startelf und öffnete sich selbst so die nächste Tür: ein Angebot des Erstligisten Kolubara Lazaravec flatterte ins Haus – 1. Liga, endlich richtiger Profifußball, das Ziel war erreicht. Doch im Rückblick sagt Delevic: „Das war der schlimmste Moment überhaupt.“
Er hatte längst beim neuen Klub zugesagt, da startete dieser eine Transferoffensive. Ein Innenverteidiger nach dem anderen wurde verpflichtet, viele mit Erfahrung aus höheren Ligen, am Ende seien es sieben oder acht gewesen, sagt Delevic.
Klar, dass er da keine Chance mehr hatte, allein aufgrund seiner geringeren Reputation. Kein einziges Spiel machte Delevic für Kolubara. Versprechen an ihnen wurden nicht eingehalten. Statt gegen Vereine wie Roter Stern Belgrad zu spielen, saß er nur auf der Tribüne. „Das war der Moment, an dem ich kurz davor war, meine Karriere zu beenden.“
Mialn Delevic bekam als Fußballprofi nur 800 Euro im Monat
Zum Glück entschied er sich doch zum Weitermachen. Während seiner folgenden Leihe in die 2. Liga zum FK Loznica fiel er beim direkten Duell dem ambitionierten Tabellenführer IMT Belgrad auf und wurde von dem fest verpflichtet. Nach dem Aufstieg in die erste Liga, lief es dort für ihn diesmal auch sportlich besser.
Doch zu dieser Saison lief der Vertrag aus und Delevic hatte weiterhin ein großes Problem: das Geld. „Ich habe nur 800 Euro im Monat bekommen. Ohne meine Eltern hätte ich es nicht finanzieren können. Denn auch in Belgrad brauchst du schon mindestens 1500 Euro, damit man normal leben kann.“ Diese Forderung wurde von IMT Belgrad allerdings nicht erfüllt, also musste sich Delevic wieder umschauen.
Ein kurzer Flirt mit einem kanadischen Verein lief ins Leere. Stattdessen ploppte irgendwann eine Nachricht eines Freundes auf seinem Smartphone auf: „Da stand: Würdest du nach Estland gehen? Ganz ehrlich: Ich kannte das Land zwar vom Namen, aber sonst überhaupt nichts“, sagt Delevic. Am Ende überzeugte ihn, dass sein neuer Klub Paide Linnameeskond sich die Teilnahme an der Qualifikationsrunde zur Europa Conference League erspielt hatte.
Beinahe hätte Delevic gegen den 1. FC Heidenheim in der Conference League gespielt
„Ich dachte mir, selbst wenn wir in der ersten Runde rausfliegen sollten, würde das in meinem Lebenslauf stehen und gut aussehen“, sagt Delevic ehrlich. Am Ende wurden es sogar drei Runden. Erst setzte sich Paide in Hin- und Rückspiel gegen den walisischen Klub Bala Town durch, dann gegen Stjarnan Gardabaer aus Island. Erst gegen den schwedischen Verein BK Häcken ging die Europareise zu Ende.
„Die haben uns auseinandergenommen und in der Runde danach ja auch nur ganz knapp gegen den 1. FC Heidenheim verloren. Insgesamt war es eine mega geile Erfahrung, man hat die Unterschiede in der Fußballkultur richtig gesehen. Die Jungs aus Wales waren zum Beispiel mehr Bodybuilder als Fußballer. Allein schon wegen der drei Runden Conference League hat sich mein Wechsel hierhin gelohnt“, so Delevic lachend.
Neben den Highlights in Europa läuft es für ihn in Estland auch im sportlichen Alltag deutlich besser als in Serbien. Die fußballerische Qualität sei unterhalb der Top-Vier zwar nicht so hoch, die Organisation aber auf einem deutlich höheren Niveau. Delevic: „Und am letzten Spieltag der Saison haben wir uns für die kommende Saison wieder für Europa qualifiziert. Als Dritter mit 72 Punkten. Ich würde es genau so wieder machen. Über das Sportliche gibt es unterschiedliche Meinungen. Aber vor allem charakterlich bin ich an meinem Weg total gewachsen.“
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