Was den Mann für die extremsportlichen Fälle in der Welt der steinernen Riesen erwartet, ist vorgegeben: Schier übermenschliche Strapazen, Entschlossenheit bis zur Selbstaufgabe, aber auch der ultimative Kick mit so reicher Belohnung. „Das kannst du dir nicht kaufen. Das zu erleben, ist der Lohn für die viele harte Arbeit in der Vorbereitung“, sagt Adam Hetmanski der Ultratrail-Spezialist vom Verein Marathon im Vorfreude-Modus mit glänzenden Augen und einem strahlenden Lächeln.
Am Freitag um 18 Uhr beginnt der lange, beschwerliche, abenteuerliche und mit so unfassbar vielen Eindrücken versehene Weg durch die Bergwelt. Der Saisonhöhepunkt des 45-Jährigen ist so etwas wie das Olympia seiner Fachdisziplin in schwindelnder Höhe. Der Ultra-Trail du Mont-Blanc (UTMB) kommt gleich mit astronomischen 170 Kilometern und 10.000 Höhenmetern daher. 2013 absolvierte Hetmanski den legendären UTMB bereits erfolgreich in 37:06,50 Stunden. Damals war er achtbester Deutscher. In diesem Jahr peilt der Mülheimer eine Unterbietung dieser Marke an. Wenn andere bei diesem Höllenritt in der Höhenluft einfach nur durchhalten und ankommen wollen, verfolgt er bei der Berg- und Talfahrt ein anderes, erhabenes Ziel: „Ich will gewinnen!“
Die erste Hürde hat der ehemalige Fußballer und Leichtathlet im Vorfeld des Klassikers genommen. Aufgrund seiner gesammelten Zulassungspunkt durfte er sich in den großen Kreis der Auserwählten aus aller Welt einreihen. 2.500 Starter, unter ihnen 82 aus Deutschland, sind erlaubt, diesmal kommen sie aus 74 Nationen. Der Start im französischen Wintersport-Paradies Chamonix erfolgt auf 1.100 Meter, im Verlauf der langen Reise geht es mehrmals hoch auf 2.750 Meter, also dahin, wo die Lungen bereits brennen. Mal bei Tageslicht, mal in der Dunkelheit der Nacht, in der die Stirnlampe den Weg weisen muss, um bösen Gefahren aus dem Weg zu gehen.
Nach dem Massenstart geht es alsbald in den Abend und dann nach wenigen Stunden schnurstracks in die Nacht. Zu diesem Zeitpunkt ist das internationale Feld bereits weit auseinandergezogen. Die Selektion nimmt ihren unerbittlichen Lauf. Pausen auf dem langen Weg kennt der Mülheimer nicht: „Die kosten doch nur wertvolle Zeit.“ 16 Versorgungsstellen warten auf die Bergspezialisten. Dort gibt es Müsli, Wasser, Obst. Hermanski schnappt sich im Vorbeilaufen nur Wasser. „Ich habe es fünf Jahre getestet und habe meine eigenen Sachen.“ Womit er den Akku wieder auflädt, verrät Hetmanski nicht. „Jeder hat so sein Geheimnis“, heißt es vielsagend mit einem verschmitzten Lächeln. Bananen kommen auch nicht in Frage: „Die liegen eine Stunde im Magen. Ich nehme nur Nahrung in flüssiger Form zu mir.“
Wer am mächtigen Mont-Blanc bestehen will, der muss schon in der Vorbereitung ans Limit gehen. Neben Fahrradfahren und Krafttraining standen pro Woche 260 Kilometer Laufen auf dem Programm. Den Witthausbusch und Kahlenberg hat Hetmanski regelmäßig unsicher gemacht, dabei im Flachland unzählige Höhenmeter absolviert, um die Basis für den Ernstfall in den Bergen zu schaffen.
Für den Start in der Klasse 40 bis 50 Jahre (mit 1.070 Teilnehmern das stärkste Feld) ist der Mülheimer gewappnet. Er weiß, was ihn bei diesem Ultra-Auftrag erwartet: „Früher oder später bist du auf dich allein gestellt“, heißt es aus Extremsport-Erfahrung. Über allem thront die unbändige Vorfreude: „Die Leidenschaft kommt von innen. Du kannst es nicht mit Worten beschreiben. Du hältst dich in einer anderen Welt auf und in der werden Kräfte freigesetzt, mit denen du selbst nicht gerechnet hast.“