Sonsbeck. Es ist zweieinhalb Jahre her, als für Jannis Pütz eine Welt zusammenbricht. Der Fußballer aus Sonsbeck erfährt eine schlimme Diagnose.

Für Jannis Pütz läuft es derzeit richtig gut. Mit dem kleinen Dorfklub SV Sonsbeck steht der offensive Mittelfeldkicker im zweiten Jahr nach dem Aufstieg in die Oberliga Niederrhein dort in der oberen Hälfte der Tabelle. Noch besser klappt es mit dem virtuellen Fußball, denn „Jisten NSQ“ ist E-Sports-Profi bei Borussia Mönchengladbach und zählt derzeit zu Deutschlands besten „FIFA“ -Zockern.

Im Moment sieht die Welt für den aus dem Spargeldorf Walbeck in Geldern kommende Ex-Straelener richtig rosig aus. Das war nicht immer so, im Gegenteil: Vor noch nicht allzu langer Zeit lag die Welt für den heute 26-Jährigen in Trümmern – nach einem Arztbesuch am 19. Mai 2021.

Jannis Pütz, wie geht es dir gerade?

Jannis Pütz: Sehr gut! Die Saison in der Virtual Bundesliga hat am vorigen Wochenende begonnen, leider haben wir aber gegen Bayer Leverkusen verloren. Das war allerdings erst der erste Spieltag, wir haben also noch genügend Gelegenheiten, das wieder wettzumachen.

Ist mit der Unterschrift unter einen Profivertrag bei Borussia Mönchengladbach ein Traum für dich wahrgeworden?

Auf jeden Fall! Ich bin seit kleinauf Gladbach-Fan, wie eigentlich alle in unserer Familie. Zwar bin ich ‚nur‘ E-Sports-Profi, für einen Profivertrag im ‚normalen‘ Fußball hat es dann doch nicht gereicht, aber ich bin trotzdem megastolz darauf, die Farben der Borussia in der Virtual Bundesliga – wie am vorigen Samstag beim Event in Lukas Podolskis ‚Straßenkicker-Base‘ Köln – vertreten zu dürfen.

„„Es ist wichtig, dass solch ein Thema wie Hodenkrebs in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Mein Urologe hat mir gesagt, dass nach meiner Geschichte mehr junge Männer zum Vorsorgecheck bei ihm waren.““

Jannis Pütz

Wie bist du ans Daddeln gekommen?

Durch meinen Bruder. Niklas ist zwei Jahre älter und hatte damals, als ich ein Kind war, schon eine Playstation. ‚Fifa 06‘ war unser erstes Game, ich war davon sofort begeistert und bin bis heute beim Zocken geblieben.

Jannis Pütz hatte eine schwere Zeit zu überstehen, ehe er wieder an Fußball denken konnte.
Jannis Pütz hatte eine schwere Zeit zu überstehen, ehe er wieder an Fußball denken konnte. © FUNKE Foto Services | Rüdiger Bechhaus

Was bist du für ein Spieler?

Sehr offensiv! Ich gehe immer aufs Tor, bin schnell und suche den Abschluss. Vor zwei Wochen war ich sogar bei der WM-Qualifikation in London dabei. Das war mein erster internationaler Einsatz, diesmal als Einzelspieler, es war eine sehr geile Erfahrung, auf die besten ‚FIFA‘ -Zocker aus der ganzen Welt zu treffen. Leider bin ich dort nach einigen Siegen am Freitag und Samstag schließlich in der entscheidenden Runde am Sonntag nicht mehr weitergekommen. Nach den deutschen Meisterschaften als Einzelspieler vor zwei Jahren war das bisher das größte Highlight für mich als E-Sports-Profi.

In Sonsbeck geht es etwas beschaulicher zu, oder?

Das kann man wohl sagen (lacht)! Wir sind ein Dorfverein, alles ist sehr familiär, jeder kennt jeden. Die Mannschaft ist schon lange zusammen, auch nach dem Aufstieg im Sommer2022 hat sich nicht viel verändert, außer dass der Kader punktuell verstärkt wurde. Wir sind eine super Truppe mit vielen guten Kickern und in Heinrich Losing einem tollen Trainer, der richtig gut zu uns passt.

Hättest du vor zwei Jahren gedacht, dass du heute so unbeschwert über Fußball reden kannst?

Ich denke nicht. Das war eine schwere Zeit – und ich bin sehr froh, dass ich sie hinter mir habe.

Was war da los?

Eines Tages ist mein Hoden plötzlich angeschwollen und tat weh. Dann kam ein seltsames Schweregefühl im Bauch dazu, sodass ich zu meinem Hausarzt gegangen bin. Der hat mich direkt an einen Urologen verwiesen und der mich weiter zur Biopsie ins Krankenhaus in Kempen. Dort wurde dann Hodenkrebs diagnostiziert.

Wie hast du diese Nachricht aufgenommen?

Im ersten Moment war das ein Schock! In Kempen wurde dann aber der betroffene Hoden entfernt – und damit dachte ich, es ist gut. War es aber nicht…

Erzähle bitte weiter!

Zur Kontrolle bin ich zum CT in ein Krankenhaus in Duisburg geschickt worden. Dort haben die Ärzte dann festgestellt, dass der Krebs durch den Samenstrang in den Bauch gestreut hatte. Dass in der Unterhose etwas fehlte, war für mich das geringste Übel, aber das…

Wie ging es dann weiter?

Ich musste zur Chemotherapie in einem Krankenhaus bei uns in Geldern, drei Zyklen, jeweils drei Wochen lang. In der Zeit habe ich alle Haare verloren und war teilweise sehr schlapp. Ein kurzer Spaziergang, und ich war völlig fertig. Weil es mitten im heißen Sommer war, war es besonders schlimm.

Wie haben deine Familie und deine Freunde auf deine Erkrankung reagiert?

Besonders für meine Eltern war es ganz schlimm. Ich selber bin damit ganz offen umgegangen, habe alles erzählt, doch sie waren natürlich voller Sorgen und haben eine harte Zeit durchgemacht. Die Chemotherapie war aber dann, zum Glück, nach neun Wochen abgeschlossen – und danach ging es aufwärts. Es hat zwar ein bisschen gedauert, bis ich wieder fit war und mein erstes Spiel gemacht habe, aber ich bin einfach nur glücklich, dass diese Sache für mich gut ausgegangen ist.

In der jüngeren Vergangenheit gab es in der Bundesliga einige prominente Fälle von Hodenkrebs – Sébastian Haller, Timo Baumgartl, Marco Richter und Jean-Paul Boetius: Als diese öffentlich bekannt wurden, kamen dann bei Ihnen immer wieder die Erinnerungen an Ihre Erkrankung hoch?

Natürlich, da wird einem jedes Mal bewusst, was man selbst durchgemacht hat. Männer gehen ja in der Regel etwas schludriger mit Krankheiten um, aber ich kann nur jedem raten: Geht zur Vorsorge, lasst Euch untersuchen – und wenn etwas ist, sprecht darüber. Es ist wichtig, dass solch ein Thema wie Hodenkrebs in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Mein Urologe hat mir jedenfalls gesagt, dass nach meiner Geschichte mehr junge Männer zum Vorsorgecheck bei ihm waren.