Der 21-jährige Wallone Lauric Jean ist seit dieser Saison Spitzenspieler des Zweitligisten TTC Ruhrstadt Herne. Der belgische Nationalspieler hält viel vom deutschen Star Timo Boll und der chinesischen Mentalität.

„Lustig sind die Fahrten in unserem Kleinbus zu den Auswärtsspielen“, sagt Lauric Jean, der Spitzenspieler des Tischtennis-Zweitligisten TTC Ruhrstadt Herne. „Ich mache gerne Witze und versuche andere zum Lachen zu bringen“, ergänzt der 21-Jährige. Für ihn sei es wichtig, dass die Atmosphäre innerhalb der Mannschaft stimme, dann könne er auch gute Leistungen bringen.

Auch als Spieler der zweiten deutschen Liga ist die Belastung groß. So wie kürzlich, als er von den Swedish Open aus Stockholm direkt zum Bundesliga-Alltag nach Herne reiste. Jean ist eben ganz Profi. „Natürlich bedeutet das Stress, aber den bin ich nun einmal gewohnt. Es ist positiver Stress“, sagt Jean.

Anreise mit dem ICE

Seit dieser Saison agiert der belgische Nationalspieler nach Stationen in Charleroi, Ochsenhausen und zuletzt vier Jahren in Jülich für den heimischen Zweitligisten. In Herne fühlt er sich „wie in einer Familie“, der Betreuerstab sei klasse und alles sehr gut organisiert. Zu den Spielen reist er aus Belgien mit dem ICE an, Ausstieg Bochum, das sei einfach und praktisch.

Im deutschen Nachbarstaat hat er allerdings kein richtiges Zuhause, wie er angibt, weil er an verschiedenen Orten trainiert. Das heißt aber nicht, dass er sich die ganze Zeit in Hotels aufhält. Ein Appartement besitzt er in Lüttich und eine Wohnung bei den Eltern, berichtet der Mann, der in Frankreich an der Grenze zu Belgien geboren wurde; seine Mutter ist Französin, sein Vater Belgier.

Apropos Vater: Er, ein normal begabter Spieler, wollte anfangs gar nicht, dass sein Sohn, der ihn immer wieder drängte, Tischtennis spielt. „In den belgischen Sportzentren steht das Tischtennis nicht so im Mittelpunkt, es ist Nebensache. Die Leute kommen eher, um einen Café oder ein Bier zu trinken. Und das wollte mein Vater für mich nicht“, sagt Jean, der aber immer wieder nervte und damit mit etwa fünf Jahren Erfolg hatte. Bis zu seinem zwölften Lebensjahr trainierte ihn sein Vater, Lauric Jeans Karriere ging dann steil nach oben, bis er in Belgien nicht mehr gefordert wurde, und dann wechselte er mit 15 nach Deutschland, weil das Niveau dort höher ist und er sich verbessern konnte. Stärker werden will er auf jeden Fall in Zukunft, vor allem, wenn es darum geht, unter Druck die wichtigen Punkte machen zu müssen.

Erster Kinofilm: Bärenbrüder

Neben dem ganzen Stress braucht Jean aber auch Entspannung. Sein Lieblingsort in Europa ist der Genfer See in der Schweiz, sein Ferienziel, weil es dort sehr ruhig ist und der Wallone abschalten kann. Und was war sein erster Film, den er im Kino sah? „Ich habe vor Kurzem noch mit meiner Freundin darüber gesprochen“, antwortet der 21-Jährige. „Es war ‚Frère des ours’, den ich im Alter von zwölf Jahren angeschaut habe.“ In der deutschen Übersetzung ist das der Film „Bärenbrüder“, eine Walt Disney-Zeichentrickproduktion aus den USA. Parallel zum Tischtennis absolviert der bescheidene Belgier ein Teilzeitstudium, das ihn dazu qualifiziert, mit Behinderten zu arbeiten.

Einige Trainingseinheiten hat Jean, der das Ziel erste Bundesliga hat, auch schon mit dem deutschen Superstar Timo Boll absolviert, von dem er sehr viel hält: „Er ist einer der wenigen Europäer, der die übermächtigen Chinesen besiegen kann. Er hat eine tolle Einstellung“, erläutert Jean. Wie überhaupt auch die Chinesen eine ganz andere Mentalität mitbrächten. „Sie trainieren viel härter, mit viel mehr Strenge und Disziplin. Wenn bei Übungseinheiten ein Spieler Quatsch macht, dann kriegt er sofort Ärger.“

Jean-Michel Saive (44), ehemaliger Weltranglisten-Erster, ist der erfolgreichste belgische Tischtennisspieler aller Zeiten. Wie ist Jeans Verhältnis zu ihm? „Einerseits ist er zurzeit Kollege im Nationalteam aber auch technischer Direktor des Verbands. Deshalb ist es nicht immer ganz einfach.“ Aber er respektiere ihn.

„Wichtig ist es, dass wir in unserer Herner Mannschaft viel lachen“, sagt Jean. Aber 20 Minuten vor Ankunft beim Auswärtsgegner ist es dann genug mit den Scherzen. Der Belgier kommt „in den Tunnel“, konzentriert sich auf das Meisterschaftsspiel, versucht sich hineinzudenken. Ganz Profi eben.