Es ist die 17. Etappe der „Tour de France“, und ein Herner steht nach 120 beschwerlichen Kilometern auf dem Siegertreppchen in Straßburg. Drei Tage später kann Eduard Klabinski, der damals 28-Jährige, auf der Strecke Mühlhausen – Roubaix, es ist die 20. Touretappe, diesen Erfolg wiederholen.
Das war vor fast genau 65 Jahren. In diesen Tagen findet die 100. Auflage des wohl weltberühmtesten Straßenrennen der Welt statt, das zum ersten Mal in seiner Geschichte auf der Insel Korsika gestartet wurde. Um in den Annalen der „Großen Schleife“ auf einen Fahrer aus Herne zu stoßen, muss man lange zurück blättern.
Start bei den Friedensfahrten
In den 1950er-Jahren zählten Tourteilnehmer Eduard Klabinski und seine Brüder Jean Paul, Felix, Bruno und Wladyslaw zur europäischen Radsport-Elite. Geboren wurden die Klabinskis in Herne. Hier sind sie jedoch fast in Vergessenheit geraten. Über die Kindheit und Jugend des Quintetts ist in der Kanalstadt kaum etwas bekannt. Geblieben sind ihre Erfolge bei zahlreichen Radrennen wie der Tour de France, bei der sich der 1920 geborene Eduard als erster und wohl auch einziger Herner 1948 in die Siegerliste der „Tour der Leiden“ einschrieb.
Später gehörten die Klabinskis verschiedenen Teams an, die unter anderem mehrfach bei den 1948 ins Leben gerufenen Friedensfahrten zwischen Prag, Berlin und Warschau an den Start gingen.
In Herne geboren wurden die radelnden Brüder Jean- Paul (1918 bis 1999), Eduard (1920 bis 1997), Felix (1922 bis 2009), Bronislaw, genannt Bruno (1924 bis 1995) und Wladyslaw (1925 bis 2004). Vermutlich verließen die polnischstämmigen Klabinskis wie viele ihrer Landsleute Mitte der 1920er-Jahre wieder das Revier, um sich im belgischen oder nordfranzösischen Kohlenrevier neu anzusiedeln.
Vor allem Eduard und Bruno Klabinsky schrieben in den frühen 1950ern Radsportgeschichte. Tour de France-Fahrer Eduard Klabinsky verdiente unter anderem von 1946 bis 1958 sein Geld als Radsportprofi. In dieser Zeit nahm er für verschiedene größerer und kleinere Rennställe an rund 200 Straßenrennen im In- und Ausland teil.
Bruno sorgt für Schlagzeilen
Später startete er aber auch für Frankreich bei den Friedensfahrten und schrieb sich hier ebenfalls in die Siegerlisten ein. So gewann Eduard 1954 die 114 Kilometer lange 9. Etappe, die von Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) nach Bad Schandau führte. Auf der 3. Etappe (Lodz – Kattowicz) überzeugte damals sein Bruder Wladyslaw, der zwischen 1952 und 1954 vier Siege bei der Polenrundfahrt einfuhr und auch erfolgreich bei den polnischen Meisterschaften an den Start ging. Wladyslaw kehrte wohl später in das Land seiner Vorfahren zurück, wo er 2004 in Warschau starb.
Bruno Klabinski war bei den Friedensfahrten aber noch erfolgreicher. Er stand von 1950 bis 1954 fünfmal auf dem Siegertreppchen. Bei seinem Friedensfahrtdebüt 1950 kam der gebürtige Herner hinter dem Dänen Will Emborg sogar auf den zweiten Platz in der Gesamtwertung.
Der 1922 geborene Felix Klabinskys schrieb sich schon 1947 in eine Siegerliste ein. Sein Name tauchte erstmals bei einem Rennen in Fourmies auf. Hier belegte der Drittgeborene der radelnden Klabinskis einen vierten Platz.
Für Schlagzeilen sorgte Bruno Klabinski 1955, als ein DDR-Begleitfahrzeug dem aus Herne stammenden und für Frankreich startenden Sportler nach einem Defekt ein neues Rad überließ. Darüber berichtete in jenen Tagen auch sehr ausführlich das DDR-Parteiorgan „Neues Deutschland“.
Ob irgendwann noch einmal Radsportler aus Herne zu solcher Popularität kommen, steht in den Sternen. Direkte Nachfahren der einst rennsportbegeisterten fünf Klabinki-Brüder gibt es in ihrem Geburtsort jedenfalls nicht mehr.