Acht Doppelpacks im Laufe einer Fußballsaison, die stünden jedem Mittelstürmer bereits sehr gut zu Gesicht. Wer dann aber zusätzlich noch vier Mal dreifach trifft und in zwei Spielen sogar vier Mal – der heißt Serdar Kutucu (29). Auf insgesamt 43 Saisontore brachte es die lebende Torgarantie von Bezirksligist Firtinaspor Wanne. Ein nicht nur für diese Liga sensationeller Erfolg. Für den Klassenerhalt seines Teams waren seine Fließband-Tore jedenfalls bereits mehr als die halbe Miete. Auch wenn dieser außergewöhnliche Torriecher vielerorts Begehrlichkeiten weckt - im Wanner Westen kann man locker durchatmen. Serdar Kutucu bleibt an der Emscherstraße.

Warum eigentlich Bezirksliga, möchte man sich fragen. Vorab verraten: Ihm gefällt es einfach. „Mir hat wohl ein bisschen Glück gefehlt“, gibt er aber im Rückblick durchaus auch zu Protokoll. „Es kamen nicht die richtigen Anfragen.“ Wehmut klingt allerdings kaum mit, wenn er das sagt.

Wenn er sich zum Beispiel erinnert an seine Jugendbundesliga-Zeit bei Rot-Weiß Essen. Im zweiten A-Jugendjahr wechselte er dann zur Herner Westfalia, kickte dort gemeinsam mit dem heutigen Mannschaftskollegen Yusuf Kocakaya. Oberliga-Trainer Jose Morais, heute Assistent von Jose Mourinho, setzte damals jedoch nicht auf Nachwuchskräfte aus dem eigenen Lager, und so ließ man Kutucu als Neu-Senior schließlich wieder ziehen.

Der Stürmer fasste daher zunächst Fuß bei Erle 08 in der Landesliga. In der Folge schoss der 29-Jährige diverse Teams zu Aufstiegen, der Sprung in die lukrativen Ligen allerdings, der wollte nicht gelingen. Oder sollte nicht. Beruf und Familienplanung standen zwischenzeitlich oben auf der Agenda. Heute ist Serdar Kutucu dreifacher Familienvater und verdient sein Geld als Gerüstbauer. Fußball war und ist immer nur ein perfekter Zeitvertreib nebenher geblieben.

Deshalb könne ihn nun auch das „große Geld“ gar nicht locken. „Ich könnte das Zehnfache wie bei Firtina verdienen“, erzählt Kutucu aus seinem aktuell bunten Angebots-Portfolio. Aber ihm gefällt gerade die Vereinsfamilie an der Emscherstraße, die zuverlässige Vereinspolitik dort. Und nicht zuletzt Trainer Jörg Ritz. Von türkischen Trainern hält Kutucu nämlich nicht sonderlich viel. „Das funktioniert einfach nicht, das läuft zu kollegial“, findet der Stürmer. Ritz könne zwar auch kollegial – aber eben auch anders.

Kutucu selbst ist bei Firtina Kapitän und damit Ritz‘ verlängerter Arm auf dem Spielfeld, als Respektperson für das restliche Team. Ritz selbst hat sich manches Ärgern über seine Tormaschine abgewöhnt. „Manchmal denkt man 85 Minuten lang, er könnte sich doch wenigstens mal ein bisschen bewegen“, so der Trainer. „Aber dann macht er in fünf Minuten noch drei Tore. Was soll man da sagen?“

Um die 70 Tore in der Kreisliga C

In dieser fast beängstigenden Regelmäßigkeit ballert sich Kutucu nun schon seit Jahren durch die Strafräume der Region. Nachdem er Fortuna Herne mit 17 Rückrundentoren 2010 zum Bezirksliga-Durchmarsch verhalf, wechselte er aus Arbeitsgründen aus der Landesliga in die – Kreisliga C. Beim SF Treff Wanne trieb er auch die Chronisten endgültig in den Wahnsinn. „Dort habe ich um die 70 Tore geschossen“, erinnert er sich grob – pro Saison versteht sich. Für die Treffler ging es so natürlich ohne Umwege von der C- bis in die A-Liga, ehe Serdar Kutucu nach zwei Jahren zu Firtinaspor Wanne ging.

Tore mit gebrochenem Zeh

Die Erfolgsstory scheint dabei noch nicht zu Ende. Denn Trainer Jörg Ritz bescheinigt ihm ungebremsten Ehrgeiz, wenn er etwa wieder direkt von der Arbeit zu jedem Training hetzt und sich immer wieder für die anderen vorbildhaft reinhängt. Und nicht zu vergessen: Die letzten beiden seiner 43 aktuellen Saisontore erzielte er mit gebrochenem Zeh. Auch wenn Kutucu seine irre Saison-Quote zu einem guten Teil Anil Yilmaz, dem kongenialen Spielgestalter in seinem Rücken, zuschreibt, für Trainer Jörg Ritz bleibt es dennoch beispiellos: „Man muss die ja trotzdem erst mal alle rein machen.“

Für die außergewöhnliche Leistung in der Saison 2012/13 überreichte Vereinschef Önder Altan dem Goalgetter schließlich die vereinseigene Torkanone – ein weiteres Steinchen im Kutucu’schen Zufriedenheits-Mosaik. „So was habe ich noch nirgends bekommen“, weiß Kutucu die Geste zu schätzen. Und wieder ein Beleg für ihn, genau am richtigen Ort zu kicken. Auch in der kommenden Saison.