Herne. Die Saison hinterlässt beim HTC gemischte Gefühle. Trainer Marek Piotrowski blickt auch nach vorn – mit Plänen für den Basketball-Standort Herne.

Auch eine Woche nach dem Saisonende für Hernes Bundesliga-Basketballerinnen hat Marek Piotrowski noch am Ausscheiden im Playoff-Viertelfinale zu knabbern.

Er blicke mit „komplett gemischten Gefühlen“ auf diese Spielzeit zurück, erklärt der Cheftrainer des Herner TC auf die Frage nach seinem Saisonfazit.

„Mitte März hatten wir alle nach unserem Pokalsieg noch Freudentränen in den Augen, zwei Wochen später gab es Tränen der Verzweiflung und der Enttäuschung“, beschreibt Piotrowski die emotionale Achterbahnfahrt in der zweiten März-Hälfte.

Herner TC: „Das Final Four in heimischer Halle war eine Riesen-Aktion“

Letztlich, so ist der 62-Jährige überzeugt, hatte das eine mit dem anderen eine Menge zu tun: „Das Final Four in heimischer Halle war eine Riesen-Aktion. Da ist die Mannschaft mit Unterstützung unserer Zuschauer über sich hinausgewachsen. Wir haben nur mit einer Siebener-Rotation gespielt, aber alle haben sich mental extrem gepusht.“ Nach dem großartigen Erfolg mit dem ausgelassen gefeierten Gewinn des deutschen Pokals sei der Abstand zum ersten Playoff-Spiel zu kurz gewesen. „Obwohl wir es wollten, waren wir nicht in der Lage, dieselbe Leistung noch einmal abzurufen“, hat Piotrowski erkennen müssen.

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Dafür hat er aber durchaus Verständnis: „Das kommt im Sport immer wieder vor, dass man nach einem großen Triumph ein paar Tage braucht und erst einmal in ein kleines Loch fällt.“

Warum das vor drei Jahren anders war, als der HTC nach dem Pokal auch den Meistertitel nach Herne holte, dafür hat Piotrowski eine einfache Erklärung: „Damals hatten wir zwölf fitte und gesunde Top-Spielerinnen, konnten jede Position zweimal besetzen. Diesmal war der Kader kleiner, und einige kamen nach langer Verletzung gerade erst zurück.“

An Einstellung und Motivation der einzelnen Spielerinnen habe er nichts auszusetzen, schon gar nicht am Teamgeist. „Unsere Mannschaft hatte eine sehr gute Moral, einen sehr guten Charakter“, lobt der Headcoach auch im Nachhinein. Und deshalb, so Piotrowski, wäre mit dem HTC auch zu rechnen gewesen, wenn er die Serie gegen die Panthers aus Osnabrück überstanden hätte. „Dann wären wir auf die Rheinland Lions getroffen, die haben wir schon in deren Halle geschlagen. Und auch gegen Freiburg und Keltern haben wir in dieser Saison schon gewonnen“, blickt er etwas wehmütig auf die verpassten Chancen. „Irgendeine Medaille hätten wir geholt, da bin ich sicher.“

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Nach der Saison ist vor der Saison

Hätte, wäre, wenn – lange will sich der „Magier“ nicht im Konjunktiv ausdrücken. Getreu dem Motto „Nach der Saison ist vor der Saison“ richtet Piotrowski den Blick gleich wieder nach vorne. Noch bevor sich die HTC-Frauen in alle Winde zerstreut hatten, wurden in ersten Gesprächen Möglichkeiten einer Vertragsverlängerung ausgelotet. Wen er gerne halten will und zu welchen Bedingungen das vielleicht möglich ist, diese Themen bespricht Piotrowski nur mit Co-Trainer Predrag Stanojcic, dem Vorstand und Sponsoren.

In diesem Zusammenhang verweist Piotrowski auch auf ein Dilemma: Gerade die Leistungsträgerinnen haben ihren Marktwert gesteigert und das Interesse anderer Clubs geweckt. „Wir haben schon gesehen, welche unserer Spielerinnen zum Beispiel beim Top4-Turnier von anderen Vereinen angesprochen wurden“, so der Headcoach.

Das Trainerteam des Herner TC: Marek Piotrowski (re.) und Co-Trainer Predrag Stanojcic.
Das Trainerteam des Herner TC: Marek Piotrowski (re.) und Co-Trainer Predrag Stanojcic. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Den einen oder anderen Vertragsabschluss möchte er dennoch möglichst schnell unter Dach und Fach bringen, um damit auch eine Richtung anzuzeigen. „Unser Ziel ist es schon, wieder ein wirklich starkes Team auf die Beine zu stellen“, formuliert Piotrowski vorsichtig. „Aber dazu müssen wir jetzt erst Gespräche mit unseren Sponsoren führen. Es gibt ja viele Unsicherheiten. In den letzten zwei Jahren war es Corona, jetzt ist es der Krieg, der einen kaum einzuschätzenden Einfluss auf die Wirtschaft hat.“ Seine Hoffnung: „Vielleicht hilft uns ja unser Erfolg, um schnell neue Verträge zu unterschreiben.“

Das wäre auch im Hinblick auf das Gesamtkonstrukt Herner TC eine wichtige Weichenstellung. Denn mit dem Viertelfinal-Aus des Bundesligateams ist die Saison für die Basketball-Abteilung des Turn-Clubs von 1880 keineswegs beendet. Im Gegenteil. „Wir drücken jetzt alle unseren zweiten Damen die Daumen. Sie stehen auf Platz eins der Regionalliga und haben die Möglichkeit, in die 2. Bundesliga aufzusteigen. Schon ohne unser Erstligateam wäre das ein Erfolg, wie er in der Sportstadt Herne selten ist.

Drittes Bundesligateam in Liga zwei ist ein Thema

Ob sich der HTC mit einem zweiten, bei einer erneuten WNBL-Teilnahme sogar dritten Bundesligateam nicht übernähme? „Wir beschäftigen uns mit diesem Thema“, sagt Piotrowski. „Wir würden ohne Profis spielen, wissen aber, dass durch Fahrtkosten nach Berlin, Leipzig oder Hamburg, durch Schiedsrichterkosten, Gebühren für die DBBL und anderes eine ordentliche Summe auf den Verein zukommt.“

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Unter sportlichen Aspekten jedoch hält er ein „Farmteam“ in der 2. DBBL für ausgesprochen sinnvoll. „Dieses Projekt könnte junge, ehrgeizige Spielerinnen aus dem ganzen Umkreis anlocken, die sich weiterentwickeln wollen. Denn der Sprung von der Regionalliga in die erste Liga ist riesengroß, auch der von der zweiten in die erste Liga ist noch groß genug“, weiß der Mann, der den HTC in fast 20 Jahren aus den Niederungen der Landesliga bis in die absolute deutsche Spitze führte. „Gerade nach dem Abstieg von Bochum aus der zweiten Liga wäre Herne in der Region der Top-Standort für Damenbasketball.“

In den nächsten Wochen will der „Magier“ alte und neue Geldgeber mit dieser Vision begeistern. „Wenn sich Sponsoren bereit erklären, diesen Weg mit uns zu gehen, wäre das eine schöne Bestätigung für die hier geleistete Arbeit.“

Aber jetzt gelte es zunächst, auch sportlich den Sprung zu schaffen. „Wir alle werden unsere 2. Damen in den nächsten Wochen pushen“, verspricht Piotrowski. Vielleicht können Talente wie Jule Groll, Hedda Köhne oder Melina Reich zeigen, was sie im Training der „Ersten“ von Topuzovic, Mingo und Co. gelernt haben. Aber auch Laura Zolper und Sarah Polleros, die etablierten Bundesligaspielerinnen aus den eigenen Reihen, würden die Saison nach dem Pokalsieg gern mit einem zweiten Triumph krönen.