Herne. Der Herner TC mobilisiert die letzten Reserven, gewinnt das Pokal-Finale gegen Keltern mit 70:67: Das nächste Stück Herner Sportgeschichte.

Was hat diese Mannschaft für einen Charakter! Unfassbar. Mit einer fantastischen Energieleistung gewannen die Basketballerinnen des Herner TC auch das Endspiel um den DBBL-Pokal gegen die favorisierten Rutronik Stars Keltern und holten durch ein 70:67 (38:34) zum zweiten Mal nach 2019 den Pott nach Herne.

„Und den geben wir auch nicht mehr ab“, ließ sich OB Frank Dudda von der euphorischen Stimmung im Sportpark Eickel anstecken. Dieses WHS Top4 ist ein wunderbares neues Stück Herner Sportgeschichte.

Es bot mitreißenden Sport, vier bis zur letzten Minute spannende Partien von vier großartigen Mannschaften, war perfekt organisiert und hatte, nun ja, den „richtigen Sieger“. Zumindest aus Sicht der meisten Zuschauer.

Und auch die hatten ihren Anteil am Herner Triumph. „Ihr habt uns so toll unterstützt, ohne euch hätten wir das nicht geschafft“, wandte sich Laura Zolper an die Tribüne. Bedeckt vom goldenen Konfettiregen, inmitten ihrer überglücklichen Mitspielerinnen, fand die sympathischste Botschafterin unserer Stadt genau die richtigen Worte: „Ich bin so stolz, dass wir das hier gerockt und den Pokal nach Herne geholt haben.“

Nach dem Spielende gegen Keltern jubeln die Basketballerinnen des Herner TC.
Nach dem Spielende gegen Keltern jubeln die Basketballerinnen des Herner TC. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Stolz sein, ja das dürfen sie, diese jungen Frauen. Auf ihre sportliche Leistung, auf ihre Haltung zu wichtigeren Themen wie dem Ukraine-Krieg oder dem alltäglichen Rassismus, stolz sein auch darauf, dass sie ihr Motto „Teamplayer“ nicht nur auf den Shirts tragen, sondern mit Leben füllen.

Und weil für sie das Ganze mehr ist als die Summe der Einzelnen, gönnte auch jede HTC-Spielerin ihrer emotionalen Anführerin diese ganz besondere Ehre: Kristina Topuzovic wurde zum MVP, zur besten Spielerin des Turniers gewählt - hochverdiente Auszeichnung für eine herausragende Sportlerin, die unglaubliche Energie aufs Parkett bringt und auch im größten Stress pure Spielfreude ausstrahlt.

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Gegen Keltern im Finale waren diese Qualitäten der Serbin besonders gefragt. Als die von Beginn an heiß umkämpfte Partie in die Crunchtime ging und dem vom Vortag noch arg geschlauchten HTC etwas die Puste auszugehen drohte, fasste sich Topuzovic ein Herz, holte mit einem Wahnsinnswurf aus neun Metern zum 66:64 (38.) die Führung zurück und ließ eine Minute später noch einen zweiten Dreier zum 69:65 folgen. Das war die Vorentscheidung, damit war der Glaube zurück, es wirklich packen zu können.

Herner TC: Die ganze Bank flippt vor Freude aus

Zwar verkürzte Najai Wynn-Pollard 54 Sekunden vor Schluss noch auf 69:67, vergab aber den Bonus-Freiwurf. Kapitänin Sofia Pelander, die mit einem Double-Double glänzte, schnappte sich den Rebound, beim Gegenangriff verfehlte Tayler Mingo, die Sterne hatten den Ball und noch 30 Sekunden Zeit, die Verlängerung zu erzwingen oder mit einem Dreier sogar zu gewinnen. Herne verzichtete auf ein Foul, vertraute auf seine starke Defense – und wurde belohnt.

Katarzyna Trzeciak, die ebenfalls ein überragendes Spiel ablieferte, stahl Matea Tavic den Ball, und Tavic stoppte den Herner Angriff mit einem unsportlichen Foul. 1,1 Sekunden waren noch auf der Uhr, Mingo durfte an die Linie – und Marek Piotrowski und die ganze Herner Bank flippten vor Freude aus. Das Ding war durch.

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Und es war ein verdammt hartes Ding. Von Beginn an ging es hin und her. Mal führte Herne mit zwei, drei Punkten, mal lag der amtierende Meister und jetzt entthronte DBBL-Pokalverteidiger aus Keltern knapp vorn. Nicht weniger als 21 Mal wechselte die Führung, achtmal gab es Gleichstand. Herne lag am Anfang meist zurück, beim 6:11 (6.) dürfte nicht nur Felicia Siebert Übles geschwant haben. „Ich hoffe nur, wir gehen jetzt nicht unter und es wird spannend“, wünschte sich die HTC-Abteilungsleiterin vor dem Tipp-in. Sie wusste, dass ihr Team nach dem strapaziösen Halbfinale auf der letzten Rille lief.

Doch irgendwo fand der HTC immer noch Energiespeicher, die anzuzapfen waren. Mit dem Korb zum 8:11 warf Topuzovic den Sternen den Fehdehandschuh hin, Trzeciak hängte der geschmeidigen, kaum zu bremsenden Shaylisha Colles durch geschickten Ballvortrag zwei Fouls an, traf zweimal von der Linie, dann brachte Sofia Pelander mit dem 12:11 die Führung zurück. Feli Sieberts Befürchtungen hatten sich nicht bewahrheitet, der HTC war im Spiel – und blieb es auch.

Hernes Siebener-Rotation scheint am Ende der Kräfte

Im zweiten Viertel zog Herne sogar zweimal auf acht Punkte davon (30:22/16., 38:30/20.) und hätte sich mit etwas mehr Wurfglück noch weiter absetzen können. Doch Keltern blieb dran, holte auf und ging Mitte des dritten Viertels erstmals wieder in Führung (44:45/25.).

Der Rest war Spannung pur. Es ging auf und ab, mitunter schien Hernes Siebener-Rotation am Ende ihrer Kräfte. Vor allem der am Vortag überragenden Jelena Vucetic fehlte die Frische für ihre schnellen Antritte. Dafür sprang besonders Trzeciak in die Bresche, auch sie hielt Herne im Schlussviertel im Spiel. Bis die Chefin übernahm: Kristina Topuzovic.

„Geil“: Nur einen Einwortsatz brachte Marek Piotrowski als ersten Kommentar über die Lippen. Dann aber legte der Headcoach nach. „Wir haben heute alles gegeben. Teilweise waren wir k.o., aber wir sind immer wieder zurückgekommen. Das können wir nur noch mit dem Gewinn der Meisterschaft toppen.“ Und dann nahmen der „Magier“, sein Zauberlehrling Predrag Stanojcic und alle die anderen weitere Glückwünsche entgegen. Ehrlich gemeint und absolut verdient. Das war Werbung für den Sport, nicht nur für Damenbasketball.

Platz drei sicherten sich übrigens die Rheinland Lions durch ein ebenfalls hart erkämpftes 80:74 gegen die TK Hannover Luchse.

Sarah Polleros (Nr. 21) beim Wurf – angefeuert von Sofia Pelander (dahinter, Nr. 14).
Sarah Polleros (Nr. 21) beim Wurf – angefeuert von Sofia Pelander (dahinter, Nr. 14). © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Herner TC – Rutronik Stars Keltern 70:67

Viertel: 18:17, 20:17, 18:21, 14:12.

HTC: Topuzovic (18/4 Dreier, 8 Rebounds), Mingo (17/1), Trzeciak (14/2), Pelander (10, 12 Rebounds), Zolper (5/1), Vucetic (4), Polleros (2), Groll, Köhne, Reich.

RSK: Colley (16, 9 Reb.), Skobel (14/2), Tavic (13), Kiss-Rusk (10), Wynn-Pollard (7/1), Rivers (4), Pokk (3/1), Deura, Mandic, Schüler.

Statistik (HTC – RSK): Zweier: 47 % (18/38) – 52 % (25/48); Dreier: 40 % (8/20) – 29 % (4/14); Freiwürfe: 77 % (10/13) – 50 % (5/10); Rebounds: 31 – 34; Assists: 7 – 6; Steals: 5 – 5; Tturnovers: 18 – 17; Fouls: 19 – 16.