Herne. Drei EuroCup-Heimniederlagen, in der DBBL im Niemandsland. Ein (Aus-) Blick auf die Saison des Deutschen Meisters und Pokalsiegers Herner TC.

Was ist los mit dem deutschen Meister und Pokalsieger? Fünf ihrer letzten sechs Spiele haben die Basketballerinnen des Herner TC verloren. Im EuroCup sind sie mit drei Heimniederlagen in Folge so gut wie ausgeschieden, in der DBBL dümpeln sie nach einem Drittel der Hauptrunde im Niemandsland der Tabelle herum. Grund genug, einmal näher hinzuschauen.

Ausgangssituation

Mit dem Gewinn des Doubles hat der HTC die Messlatte für diese Saison auf eine maximale Höhe gelegt, an der er sich bislang vergeblich abmüht. Das Team, das diese historischen Erfolge gefeiert hat, existiert allerdings nicht mehr.

Viel Arbeit in den nächsten Wochen: Marek Piotrowski.
Viel Arbeit in den nächsten Wochen: Marek Piotrowski. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Sieben Leistungsträgerinnen konnten oder wollten nicht bleiben, darunter „General“ Karin Kuijt, die auf dem Parkett die Kommandos gab, und Kapitänin Emina Karic, die den HTC-Geist verkörperte und als verlängerter Arm des Trainers auch außerhalb des Spielfelds für Zusammenhalt sorgte. Auf diesen Aspekt weist auch Marek Piotrowski hin: „Es ist der Verein, der das Double geholt hat, nicht die Mannschaft, die wir zur Zeit haben.“

Strategie

Damit steckte der HTC in einem Dilemma. Er war vom Jäger zum Gejagten geworden, wollte seine Position im nationalen Ranking nicht kampflos räumen und als Doublesieger auch seiner Verantwortung gerecht werden, den deutschen Damenbasketball auf europäischer Bühne zu vertreten. Zugleich aber musste er ein komplett neues Team aufbauen.

Kniffelige Aufgabe für den „Magier“

Eine knifflige Aufgabe selbst für Marek Piotrowski, den „Magier“. Limitierender Faktor war, wie fast immer im Leistungssport, das liebe Geld. Zwar fand der Verein mit Tedi einen neuen Sponsor, der das Abenteuer EuroCup mit nicht unerheblichen Zusatzkosten ermöglichte, für das Team aber stand nicht mehr Geld zur Verfügung als zuvor. „Nach unseren Erfolgen sind nicht alle gekommen und haben das Portemonnaie aufgemacht“, sagt Piotrowski, hat dafür aber auch Verständnis. „Auch die Herner Wirtschaft ist begrenzt.“

Da die Mädchen aus dem eigenen Nachwuchs ein paar Euro mehr bekommen sollten, ist der Kuchen für die Profis sogar etwas kleiner geworden. Trotzdem entschieden die Verantwortlichen, die Herausforderung anzunehmen und Europa zu wagen.

Erwartungen

Wie seit Jahren gewohnt, formulierte niemand in Herne konkrete sportliche Zielvorgaben. Im FIBA-Cup wolle man lernen, in der DBBL sich weiter in der Spitzengruppe etablieren, hieß es eher vage. Vollmundige Kampfansagen verboten sich von selbst. Schließlich glich nicht nur die eigene Truppe einer Wundertüte, die positive, aber auch negative Überraschungen enthalten kann. Auch die Stärke der Konkurrenz war kaum einzuschätzen.

Einen argen Dämpfer gab es dann im Trainingslager: Chloe Bully erlitt einen Kreuzbandriss, fällt wohl zumindest für die gesamte Hauptrunde aus. Die Belgierin war eine der Stützen des Meisterteams, trumpfte in den Playoffs groß auf und war mit ihrer kämpferischen, mannschaftsdienlichen Spielweise für eine Schlüsselrolle in dieser Saison vorgesehen.

Mit nurmehr neun Profis plus drei Nachwuchsspielerinnen war der Kader für die Doppelbelastung arg auf Kante genäht. Dieses Risiko gingen die Verantwortlichen bewusst ein. „Vielleicht haben wir die Lage ein bisschen unterschätzt. International weht doch ein ganz andere Wind“, sagt Marek Piotrowski heute.

Zwischenbilanz

Nach ordentlichem Beginn mit vier Erfolgen in den ersten sechs Ligaspielen und einem triumphalen Auftaktsieg im EuroCup ist der HTC zuletzt eingebrochen. Vier englische Wochen in Folge forderten ihren Tribut.

„Im Ganzen sind wir nicht zufrieden“, räumt der Trainer ein. Die Last liege auf zu wenigen Schultern, von der Bank komme kaum Entlastung, und damit sei der HTC auch leicht auszurechnen. „Kennedy muss oft über 40 Minuten marschieren, weil es ohne sie gar nicht läuft.“

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Viel mehr müsse er auch von den großen Spielerinnen verlangen. „Unsere Centerinnen haben den richtigen Weg noch nicht gefunden“, übt Piotrowski vorsichtige Kritik an Katharina Fikiel und Ivana Brajkovic, die oft wie Türme auf dem Feld stehen. „Aber wir arbeiten dran. Und in einzelnen Spielen haben sie es ja auch schon gezeigt.“

Große Probleme hat der HTC auch bei der permanenten Umstellung von Europa auf die Bundesliga. „International ist viel mehr Härte im Spiel, in der Bundesliga wird sehr kleinlich gepfiffen“, ist Piotrowskis Erfahrung.

Besonders Jordan Frericks, MVP der Vorsaison, verzweifelt geradezu an dieser unterschiedlichen Linie. Muss sie sich im EuroCup gegen härteste Attacken behaupten, wird drei Tage später fast jeder Körperkontakt abgepfiffen. Zuletzt geriet Frericks in der Liga stets in Foul-Trouble.

Kurzfristige Ziele

„Wir haben acht Punkte Rückstand auf Platz eins, aber nur vier Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz“, verweist Piotrowski auf die Tabelle. Momentan müsse man nicht über die Titelverteidigung reden. „Die Liga ist sehr ausgeglichen, wir müssen erstmal Punkte sammeln, um die Playoffs zu erreichen.“ Danach könne man weitersehen. „Die Playoffs sind dann eine Sache für sich. Eine gute Position ist aber schon wichtig. Wir wollen nicht nur Achter werden und gleich auf Keltern treffen.“

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Erst einmal muss Piotrowski die Negativerlebnisse aus den Köpfen kriegen und sein Team wieder in die Spur bringen. Bis Weihnachten stehen noch vier schwere Ligaspiele an, da sollten noch etliche Punkte aufs Konto wandern. „Wir schauen von Spiel zu Spiel. Jetzt haben wir erst mal zwei Wochen Zeit, in denen wir arbeiten können. Rupnik und Westerik sind bei ihren Nationalteams, alle anderen sind vor Ort.“

Statt nur zu regenerieren und das Team sofort auf den nächsten Gegner einzustellen, können jetzt Spielzüge einstudiert und Systeme automatisiert werden. Daran haperte es zuletzt gerade in der Offense, die ständig stockte und kaum flüssige Angriffe kreierte.

Personal

Kein Hehl macht Piotrowski daraus, dass er mit einigen Spielerinnen unzufrieden ist. Deshalb will er in den nächsten Tagen verstärkt Einzelgespräche führen, um zu spüren, von wem noch eine Steigerung zu erwarten ist.

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„Wir werden nichts übers Knie brechen, aber es wird schon Änderungen im Kader geben. Auch auf Bullys Verletzung haben wir ja noch nicht reagiert.“ Im Rahmen des finanziell Machbaren wird der HTC seinen Kader optimieren und Fehleinschätzungen korrigieren.

Das Positive

„Menschlich ist es ein gutes Beisammensein, die Mannschaft kämpft, gibt sich nie auf, die Mädchen versuchen, alles zu geben“, sieht Piotrowski hier eine gute Basis. Und auch von den Rängen komme viel zurück. „Toll, dass am Samstag trotz des Fußball-Hits so viele Menschen in der Halle waren und uns so angefeuert haben“, bedankt sich Piotrowski. „Mit diesen Zuschauern im Rücken werden wir auch wieder schönere Zeiten erleben.“ Denn an eines glaubt der Coach: „Wir haben unsere Erfahrungen in Europa gemacht. Und davon werden wir in der Rückrunde auch profitieren.“