Für den TTC Ruhrstadt Herne spielen Lev Katsman und Marko Medjugorac in der 3. Liga, bei Turnieren um persönliche Ranglistenpunkte.
Sie kommen aus ganz unterschiedlichen Gegenden der Welt und spielen jetzt gemeinsam für den TTC Ruhrstadt Herne in der 3. Bundesliga um Meisterschaftspunkte und ihre persönlichen Ranglistenpunkte. Marco Medjugorac ist 22, Kanadier mit serbischen Wurzeln aus Sherbrooke, einer 12.500-Einwohner-Stadt in der französischsprachigen Provinz Quebec. Er lebt und trainiert zurzeit im belgischen Tischtennis-Leistungszentrum Blegny. Lev Katsman ist 17 Jahre alt und wurde im russischen Khabarovsk geboren. Die 650.000 Einwohner zählende Stadt liegt im äußersten Osten Russlands am Zusammenfluss von Ussuri und Amur, nur 50 km von der chinesischen Grenze entfernt. Lev Katsman wohnt in Ochsenhausen (Baden-Württemberg) und trainiert seit zwei Jahren im Trainingszentrum des Bundesligisten. Im Gespräch mit WAZ-Mitarbeiter Uwe Eulig schildern die beiden Jungprofis ihren Alltag fern von zu Hause und berichten über ihre Wünsche und Pläne.
Wie und wann seid ihr zum Tischtennis gekommen?
Katsman: Ich habe mit sechs Jahren angefangen, Fußball zu spielen und wollte damals Fußballprofi werden. Als ich neun war, hat mich mein Vater zum Tischtennis gebracht. Zwei Jahre habe ich dann beides gemacht, aber es war schnell klar, dass ich zum Tischtennis das größere Talent habe.
Medjugorac: Ich habe erst mit elf Jahren mit dem Tischtennis angefangen. Vorher habe ich ein bisschen Fußball und danach Tennis gespielt.
Ein großer Schritt von Moskau aus nach Deutschland
Wie lange seid ihr schon von zu Hause weg und warum habt ihr euch für Deutschland bzw. Belgien entschieden?
Katsman: Ich bin mit 13 in ein Sportinternat nach Moskau gekommen. Das war schon ein großer Schritt, denn Moskau liegt acht Flugstunden von meiner Heimatstadt entfernt. Mein Trainer in Moskau hatte gute Kontakte nach Ochsenhausen und so bin ich vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen.
Medjugorac: In Kanada und den USA ist Tischtennis nicht so populär. Da gibt es nicht mal eine Liga mit regelmäßigem Spielbetrieb. Deshalb war früh klar, dass ich nach Europa muss, wenn ich in diesem Sport weiterkommen will. Auch die allermeisten Turniere finden in Europa statt. Mit 17 bin ich dann zuerst nach Serbien gekommen, weil meine Eltern von dort stammen. Gespielt habe ich in der Zeit für einen ungarischen Erstligisten. Vor zwei Jahren wechselte ich nach Belgien, wo ich die beiden ersten Jahre in der Superdivison (1. Liga) aktiv war.
Wo wohnt ihr?
Katsman: Ich wohne in einer Sportlerunterkunft in einem Haus mit sechs anderen Sportlern.
Medjugorac: Und ich teile mir ein kleines Apartment mit einem belgischen Tischtennis-Kollegen.
Um die sechs Wochen im Jahr in der Heimat
Wer kümmert sich um Essen, Wäsche und alles andere?
Katsman: Mein Frühstück muss ich mir selber machen. Alles andere wird uns dort abgenommen. Darum kümmert sich mein Ausrüster GEWO.
Meddjugorac: So gut habe ich es nicht. Ich muss komplett alles selber machen.
Wie oft und wie lange trainiert ihr in der Woche?
Katsman: Ich trainiere jeden Tag vier bis fünf Stunden.
Medjugorac: Ich trainiere fünfmal die Woche, insgesamt ungefähr 24 Stunden.
Was macht ihr außerhalb der Trainingszeit? Habt ihr noch andere Hobbys?
Katsman: Ich lese gerne – Abenteuerromane von Jack London zum Beispiel und ab und zu auch mal einen Liebesroman. Außerdem sehr gerne Biografien von berühmten Sportlern wie Christiano Ronaldo und Novak Djokovic.
Medjugorac: Ich habe kaum Freizeit. Am Wochenende muss ich ja mal aufräumen und putzen. Ab und zu rufe ich zu Hause an und spreche mit der Familie und Freunden. Gelegentlich gehe ich mal in ein Restaurant in der Umgebung.
Was macht ihr, wenn ihr Heimweh habt?
Medjugorac: Das ist manchmal ziemlich hart. Besonders wenn man längere Zeit weg ist. Früher hat mir das nicht so viel ausgemacht, aber je älter ich werde, umso öfter bekomme ich Heimweh. Meistens rufe ich dann zu Hause an.
Katsman: Bei mir ist es genauso. In den ersten Jahren in Moskau habe ich kaum Heimweh gehabt. Da war alles nur ein großes Abenteuer. Jetzt denke ich ziemlich oft an zu Hause. Ich telefoniere dann auch oder chatte übers Internet.
Wie viele Wochen im Jahr seid ihr zu Hause?
Katsman: Ungefähr fünf bis sechs.
Medjugorac: So sechs bis sieben. Einmal im Jahr kommen mich meine Eltern besuchen. Im Moment sind sie auch gerade da. Sie bleiben dann immer etwa zehn Tage.
Was vermisst ihr hier am meisten?
Medjugorac: Ich kann da gar nichts Spezielles nennen. Manchmal vermisse ich einfach alles: die Straßen, die Häuser und vor allem die Menschen.
Katsman: Ich vermisse das russische Essen sehr. Vor allem die leckeren russischen Suppen bekomme ich hier überhaupt nicht.
Was gefällt euch in Deutschland bzw. Belgien am besten?
Medjugorac: Dass ich viele neue Menschen kennenlerne und tolle Trainingsbedingungen habe.
Katsman: Ja, vor allem, dass ich Kontakt zu großartigen Tischtennis-Spielern habe, von denen ich viel lernen kann und ich durch nichts vom Tischtennis abgelenkt werde.
Das kann man aber auch so deuten, dass Ochsenhausen in Baden-Württemberg nicht gerade der Nabel der Welt ist.
Katsman: Ja, es ist schon eine Riesenumstellung, wenn man aus einer Stadt wie Moskau kommt. Da pulsiert das Leben sieben Tage die Woche rund um die Uhr.
Medjugorac: Ochsenhausen ist gegen Blegny ja noch die reinste Großstadt. Ich werde jeden Morgen vom Hahn geweckt.
Sogar die Cola ist viel kleiner als in Kanada
Was findet ihr hier seltsam und fremd?
Medjugorac: Alles ist in Europa klein: kleine Straßen, kleine Autos – sogar die Cola ist viel kleiner als in Kanada.
Katsman: Ich fand hier anfangs total verrückt, dass die Leute im Lokal zur Begrüßung und Verabschiedung auf den Tisch klopfen.
Welche sportlichen Ziele habt ihr?
Medjugorac: Ich will mich einfach so viel wie möglich verbessern. Ich habe spät angefangen und deshalb noch Rückstand gegenüber Gleichaltrigen. Wie weit es dann gehen kann, werden wir sehen.
Katsman: Das russische Herren-Nationalteam ist ein Ziel. Ein Traum wäre es, in Deutschland in der 1. Bundesliga zu spielen.
Und gibt es einen Plan B, falls es mit der Profikarriere nicht klappt?
Katsman: Ich mache nebenbei ein Fernstudium an einem russischen College zum Tischtennis-Trainer. Noch lieber würde ich aber später im Sport-Management arbeiten.
Medjugorac: Meine Eltern haben eine Immobilienfirma, in die ich jederzeit einsteigen könnte. Auch das würde mir großen Spaß machen, weil man da viel mit Menschen zu tun hat. Ich habe da also keine Existenzängste, wenn es im Sport nicht so läuft wie erhofft.