Christian Knappmann stellt sich den Fragen der Fans. Westfalia-Trainer sieht Probleme, sucht Lösungen – und entpuppt sich als Daten-Fetischist.

Glatte, geschmeidige Typen gibt es im Fußball zur Genüge. Christian Knappmann ist nichts davon. Er ist das krasse Gegenteil, ein Gegenentwurf zu jenen smarten Burschen, die in gestelzten Worten stets das Gleiche sagen. Er zeigt immer klare Kante, ist laut, aufbrausend, verliert häufig die Fassung – zu häufig für den Geschmack vieler Zuschauer, auch vieler Kollegen und Schiedsrichter. Kurzum: Der Trainer des SC Westfalia Herne polarisiert, an ihm scheiden sich die Geister.

Aber „Knappi“, wie ihn jeder nennen darf, ist nicht nur hoch emotional, er ist auch ein besessener Arbeiter, extrem engagiert und kommunikativ. So kommunikativ, dass er oft schon eine Stunde nach Abpfiff in sozialen Netzwerken in Diskussionen über Taktik, Aufstellung oder Außendarstellung verstrickt war.

Altmodisches Medium: Das Gespräch

Das ist ihm nun zu viel geworden, er hat sich aus einer internen Facebookgruppe zurückgezogen. Um sich der Kritik dennoch zu stellen, sich zu erklären und die Fans mitzunehmen, wählte er jetzt ein altmodisches Medium: Das Gespräch. Offen. Von Angesicht zu Angesicht.

Am Sonntagmittag hatte Knappmann zum Fußball-Stammtisch ins „Tilkowski“ geladen. An seiner Seite Thorsten Sievert, einst „Vorstopper“ beim SCW, heute der Mann für die Gegner-Analyse. Und drei Spieler, so recht nach dem Geschmack des Trainers: Ilias Anan, Nico Thier und Maurice Temme. Laufstarke Jungs mit hoher Eigenmotivation, die laut Knappmann „tragende Säulen der nächsten Jahre“ sein werden, denen er aber auch den Sprung in den Profibereich zutraut.

Als Knappmann mit einer Lokalrunde „Feuer frei“ gab, hatten sich etwa 20 Fans an Tischen und Theke versammelt – kritische Geister, aber nicht grundsätzlich auf Krawall gebürstet. „Wo sind denn die Meckerköppe?“, fragte jemand in die Runde – und erntete den ersten Lacher.

Keine Alternative zu Bövinghausen

Dann ging’s zur Sache. Thema eins: Die Platzfrage. Heimspiele in Bövinghausen seien den Fans kaum zuzumuten. „Mit Bus und Bahn bin ich zwei Stunden unterwegs. Und dann stehen da viele Autos aus Herne, in denen nur einer oder zwei Leute gesessen haben“, ärgerte sich einer. So werde es nichts mit 300 Zuschauern. Knappmann hörte es – und hielt dagegen. Das Stadion bis Mai eine Baustelle, Wanne im Winter keine Alternative, die Forellstraße nicht zugelassen: „Wir haben einfach keinen anderen Platz. Und es bringt nichts, das ständig zu beklagen, wir müssen Lösungen suchen.“

Auch ihn wurme es, auf Platz zehn zu überwintern. „Aber dafür, dass wir kein Heimspiel haben, ist das okay. Und was die Jungs hier abliefern, geht über das Zumutbare hinaus.“ Treffen in Herne, 35 Minuten nach Dortmund, Training, 35 Minuten zurück, in Herne duschen – und das jeden Tag. „Die Jungs spielen hier zum Teil fürn Hunderter, verbrettern aber dreihundert.“ Bei so viel Opferbereitschaft, so seine unausgesprochene Erwartung, müssten auch echte Fans einiges in Kauf nehmen. Oder eben Fahrgemeinschaften organisieren.

Torwartfrage erhitzt die Gemüter

Thema zwei: Der Kader. Besonders die Besetzung der Torwartposition wurde kritisiert. Knappmann erklärte Hintergründe, sagte, dass er mit Robert Moewes geplant habe, mit dem der SCW nur 0,5 Tore pro Spiel kassiert habe. Später waren es fast fünfmal so viele. Ab Januar aber sei Pascal Königs wieder dabei, der Aufstiegstorwart. Auch zwei Feldspieler, Andreas Ogrzall und Calvin Page, sollen noch neu nach Herne kommen. „Wir sind aber zwei Mann weniger als zu Saisonbeginn. Und der Kader ist 3000 Euro pro Monat billiger“, erläuterte Knappmann.

Um sich dann ausführlich seinem Hauptthema zu widmen: Der Trainingssteuerung und Spielvorbereitung auf Basis von Fakten. So wie es 14 Bundesligisten machen, lässt der SCW durch eine in Irland ansässige Firma durch deren russische Mitarbeiter von jedem Spiel ein Video analysieren.

„Seriöse Zahlen sind die einzige Wahrheit“

Ausgedruckt würde die Auswertung etwa 30 Seiten stark sein, unterlegt mit 1500 Videosequenzen. Laufleistung, Sprinttempo, Zweikampfführung, Richtung, Qualität und Länge der Pässe, Bewegung mit und ohne Ball: Alles, was im Fußball zähl- und messbar ist, wird für jeden der mit einem GPS-Tracker ausgerüsteten Spieler festgehalten. Und Knappmann, früher Fußballprofi, heute Profi-Trainer („ich fange hier jeden Tag um sieben oder acht an“), outet sich vor den Fans als Daten-Fetischist. „Seriöse Zahlen sind die einzige Wahrheit“, beharrt es, sonst falle man schnell auf „Blender“ herein.

Und so kommt es, dass auch ein Fatmir Ferati mal auf der Bank sitze. Der habe zwar dem SCW „schon oft den A... gerettet“, aber sei zuletzt nur gut halb so viel gelaufen wie sein Nebenmann auf derselben Position. „Und die Sonne von gestern wärmt heute keinen mehr“, setzt Knappmann allein auf die aktuelle Form.

Mit solchen Aussagen wird er auch weiter provozieren. Für Gesprächsstoff beim nächsten Stammtisch ist sicher gesorgt.