Der Herner TC steht finanziell zwar etwas besser da als in den letzten Jahren, kann aber immer noch nicht mit Geld um sich werfen. Das familiäre Umfeld nimmt aber finanziellen Druck.

„Eine große Familie.“ – „Es ist sehr familiär.“ – „Wir halten zusammen wie eine Familie.“ Familie – das Wort fiel immer wieder, als der HTC am Mittwochabend in der MCG-Arena seine neue Mannschaft präsentierte. Und es beschreibt gut, was den DBBL-Club Herner TC ausmacht: Das Umfeld und die Stimmung sind besonders, so besonders, dass damit auch finanzielle Nachteile gegenüber anderen Bundesligisten aufgewogen werden.

Die existieren nämlich immer noch, auch wenn der HTC sich zurzeit in der nationalen Spitze etabliert. Den schwierigsten Job der Sommerpause hatte mal wieder Wolfgang Siebert. Während Trainer Marek Piotrowski den Kader zusammenstellte, suchte der Präsident die finanziellen Mittel zusammen, um ein weiteres Jahr Bundesliga-Basketball in Herne zu stemmen.

Top-4-Aufwand zahlt sich aus

Das ausschließlich positiv aufgenommene Pokal-Top-4 im Frühjahr hat seinen Teil dazu beigetragen, dass Siebert sich leichter tat als gewohnt: „Das Top 4 hat etwas gebracht. Wir haben ein Zeichen gesetzt, Herne positiv ins Rampenlicht gerückt.“ Auch wenn dieses Highlight dem HTC letztendlich durch die zusätzliche physische, vor allem aber mentale Belastung den sportlichen Erfolg in der Playoff-Runde kostetet – Siebert würde es wohl wieder genau so machen.

Die neue Saison sei, ganz normal, zwar noch nicht komplett durchfinanziert, „wir sind beim Sponsoring aber deutlich weiter als wir es schon mal waren. Aber es geht mehr, es wissen immer noch nicht alle, dass hier großer Sport geboten wird.“

Siebert machte auch die Erfahrung, dass Geld nicht alles ist: „Eine Spielerin hat explizit wegen der guten Stimmung und des Umfelds bei uns zugesagt.“ Besonders bei den weichen Standortfaktoren – also alldem, was sich nicht auf dem Kontoauszug widerspiegelt, versucht der HTC zu punkten: „Für die Spielerinnen ist wichtig, sich wohlzufühlen, dass Team und Atmosphäre gut sind. Und sie wollen einen Trainer, an dem sie sich orientieren können, der eine klare Linie hat. Wir können alles bieten – außer Geld.“

Die Suche nach Verstärkungen war erfolgreich: In Lea Mersch, die Quenice Davis im Aufbau entlastet, und Sonja Greinacher (Piotrowski: „Ein Siebener im Lotto“) hat der HTC zwei deutsche Nationalspielerinnen verpflichtet. Außerdem stoßen aus den USA Tiffany Porter-Talbert und Alexis Harris zum Kader. Zumindest Greinacher (bei der Nationalmannschaft) und Harris (bei ihrer Center-Vorgängerin Teya Wright) hatten sich vorher schon über Herne informiert – und dann bewusst dafür entschieden.

Mit Mersch, Greinacher, Ireti Amojo und Emina Karic waren vier Hernerinnen mit der Nationalmannschaft in China. Hätte Kitty Müller nicht zugunsten eines freien Sommers abgesagt, wären es sogar fünf gewesen. „Damit stellen wir ein Drittel des Nationalmannschaftskaders“, ist Siebert stolz, „das hätte ich vor zwei Jahren niemals gedacht.“

Und die Erfolgsgeschichte soll längerfristig weitergehen: Amojo unterschrieb direkt für zwei Jahre. Marek Piotrowski sprach stolz davon, dass Spielerinnen sich längerfristig für Herne entscheiden würden. Auch Sonja Greinachers Engagement soll wohl länger als ein Jahr dauern. Siebert verriet nur so viel: „Wir haben bestimmte Optionen, es gibt aber auch Ausstiegsklauseln.“

Samstag Test gegen BG Opladen

Mit sportlichen Kampfansagen hält der HTC sich trotzdem bedeckt – erst einmal abwarten, wie Teya Wrights Abgang verschmerzt wird. Platz zwei in der Hauptrunde sei ein großer Erfolg gewesen, den wolle man wiederholen. In den Playoffs soll mehr drin sein als das Viertelfinale, ganz klar. Als Herausforderer von Serienmeister Wasserburg möchte sich aber niemand positionieren, schon gar nicht öffentlich.

Wozu die neue Mannschaft fähig ist, hat sie bereits im Trainingslager bewiesen, als sie auch osteuropäische Topteams besiegte. Einen ersten Eindruck vor dem Auftakt gegen Saarlouis (26. September) können sich die Herner Fans am Samstag, 18 Uhr, machen, wenn der hochkarätig verstärkte Zweitligist aus Opladen in die MCG-Arena kommt.