Hattingen.
Ein schönes Zitat zu Beginn. Ein Zitat, das ihre Lebensphilosophie widerspiegelt: „Das Kostbarste, das du einem Menschen schenken kannst, ist deine Zeit“, sagt Jutta Kordbarlag. Und weiter: „Offensichtlich schenke ich gerne.“
Jutta Kordbarlag schenkt ihre Zeit ihrem Sport, und sie schenkt sie ihren Schülern. Ihren Taekwondo-Schülern. Seit zwei Jahrzehnten ist das so. Denn vor 20 Jahren gründete sie gemeinsam mit Klaus Ader die Taekwondo-Abteilung des PSV Ennepe. Zunächst auch nicht ganz uneigennützig. „Wir liebten diesen Sport, und wir wollten auch etwas für uns machen“, sagt Jutta Kordbarlag, der damals wahrscheinlich noch gar nicht bewusst war, was sie damit angerichtet hat. Denn heute ist Jutta Kordbarlag, die an der Grundschule Holthausen als Betreuerin arbeitet, voll ausgelastet. „Eigentlich müsste der Tag 48 Stunden haben“, sagt sie.
Erst relativ spät, mit 27 Jahren, kam sie zu ihrem Sport. Vorher hat sie geturnt, doch bald schon hat sie gemerkt, dass der Kampfsport ihr Ding ist. Sie probierte sich in unterschiedlichen Stilarten aus – auch in Jiu Jitsu. Da wird in erster Linie mit den Fäusten gekämpft, die Kontrahenten stehen sich dicht gegenüber. Das gefiel ihr nicht so ganz so. „Zu viel Nähe, das ist für eine Frau manchmal auch unangenehm“, sagt sie. Und auch der Kampf mit den Fäusten war nicht ihre Sache. „Ich trete lieber“, sagt Jutta Kordbarlag mit diesem typischen Jutta-Kordbarlag-Lächeln, zunächst ein wenig verlegen, doch dann offen und herzlich.
Dann also doch lieber Taekwondo. Der koreanische Kampfsport ist schnell, er ist dynamisch. Zudem dominieren beim Taekwondo die Fußtechniken, die Tritte also. Jutta Kordbarlag hatte ihren Sport gefunden.
Dass sie Talent hatte, war schnell klar. Sie nahm an Wettkämpfen teil und gewann fast alles, was man gewinnen kann. Sie wurde Landesmeisterin – mehrfach. Sie wurde Deutsche Meisterin – ebenfalls mehrfach. Und sie wurde Europameisterin. Im Jahr 2003 war das – auf der Mittelmeer-Insel Korsika. Für Jutta Kordbarlag war es der zweite Versuch bei einer EM. Zuvor war sie in St. Petersburg schon einmal Vierte geworden, womit sie nicht zufrieden war. „Da war ich total nervös“, erinnert sie sich. „Ich wusste gar nicht richtig, wo ich war.“
Auf Korsika wusste sie es dann, trotz fast unerträglicher Hitze in der Halle. Sie machte ihr Ding, und sie machte es so gut, dass sie dafür mit der Goldmedaille belohnt wurde.
Danach nahm sie nicht mehr an Wettkämpfen teil. „Jutta hat auf dem Höhepunkt aufgehört“, sagt Ehemann Michael und ergänzt schmunzelnd: „Anders als zum Beispiel Michael Schumacher.“
Michael Kordbarlag unterstützt seine Frau bei der Organisationsarbeit und ist zudem selbst Taekwondo-Sportler. Allerdings mit bescheideneren Mitteln. „Ich bekomme das Bein nicht so hoch“, sagt er.
Jetzt gibt Jutta Kordbarlag also als Trainerin ihr Wissen weiter. 140 Mitglieder hat die Taekwondo-Abteilung des PSV Ennepe, die meisten treiben Breitensport, viele auch Leistungssport. Jutta Kordbarlag kümmert sich um alle. Dreimal in der Woche ist sie beim Training, an den Wochenenden bei Wettkämpfen. Zeit für andere Hobbys bleibt also nicht. „Ich lese gerne Krimis“, sagt sie. „Doch abends fallen mir oft die Augen zu.“
Andere Hobbys braucht sie eigentlich auch nicht, denn sie geht in ihrem Sport auf. „Wenn ich in die Halle komme, und wir uns vor dem Training verbeugen, dann vergesse ich alles andere um mich herum. Das hat mir schon sehr oft geholfen, auch in schwierigen privaten Situationen.“
Ihre Einstellung will sie auch ihren Schülern vermitteln – ihren Schülern, die sie mit all ihrer Kraft fördert. Der PSV Ennepe ist inzwischen auch weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt - als Dan-Schmiede sozusagen. Wahrscheinlich 20 Schüler habe sie schon zum Schwarzgurt geführt, sagt Jutta Kordbarlag. So genau weiß sie das gar nicht mehr. Aber auf jeden ihrer Schüler ist sie stolz, auch auf die, die es nicht zum Schwarzgurt bringen. „Jeder Mensch, jedes Kind ist etwas Besonderes“, sagt sie. „Jeder hat seine ganz besonderen Fähigkeiten. Man muss sie nur entdecken.“
Durch das Taekwondo-Training entwickeln sich ihre Schüler weiter – körperlich und seelisch. Sie lernen den respektvollen Umgang miteinander, sie lernen ihre Körper zu beherrschen. Und sie lernen, sich im Zweifelsfall auch körperlich zu verteidigen, denn Taekwondo ist nun einmal ein Kampfsport.
Nun sollte man aber nicht meinen, bei Trainingsstunden mit Jutta Kordbarlag handele es sich um Schmusekurse. Nein, die Trägerin des 3. Dan legt großen Wert auf Disziplin. Da kennt sie keine Verwandten. Wirklich nicht: Das spürt im Training auch Ehemann Michael.