Hattingen. Vor 50 Jahren schafften die Fußballer des TuS Hattingen den Aufstieg in die Verbandsliga. Darüber gab es damals nur Regionalliga und Bundesliga.
Ein herrlicher Tag, dieser 8. Juni des Jahres 1969. Es war ein schöner Sonnentag, eher ein Tag, um zum Schwimmen zu gehen. Für Fußball war dieser 8. Juni des Jahres 1969 eigentlich schon viel zu heiß. Aber es wurde gespielt. Und beim TuS Hattingen ging der 8. Juni des Jahres 1969 in die Geschichte ein. Denn an diesem Tag schaffte der TuS den Aufstieg in die Verbandsliga. So hoch hatten die Rot-Weißen zuvor noch noch nie gespielt.
Die Verbandsliga war damals die dritthöchste Klasse
Auch heute gibt es noch eine Verbandsliga. In dem Fußball-Verband, zu dem der Großteil Hattingens gehört, wird diese Spielklasse Westfalenliga genannt. Dabei handelt es sich um die sechsthöchste Fußball-Klasse. Im Jahr 1969 gab es aber bei weitem noch nicht so viele Ligen wie heute, damals war die Verbandsliga noch die dritthöchste Spielklasse – darüber kamen nur noch Regionalliga und Bundesliga.
TuS Hattingen und Arminia Marten punktgleich
war also ein großer Tag für den TuS Hattingen, und anlässlich dieses Ereignisses druckte die Westfälische Rundschau auch ein Extrablatt und verteilte es an die Hattinger Haushalte.
Im Kampf um den Aufstieg in diese Verbandsliga war ein Entscheidungsspiel fällig geworden. TuS Hattingen und Arminia Marten hatten die Saison punktgleich abgeschlossen, der Aufsteiger musste also in einem Extraspiel auf neutralem Boden ermittelt werden.
Gespielt wurde schließlich in Bochum - vor großer Kulisse. 4000 Zuschauer füllten das Stadion von Langendreer 04. Der Anhang des TuS Hattingen hatte sich in großer Zahl auf den Weg gemacht, um die Rot-Weißen in dem vielleicht wichtigsten Spiel ihrer Geschichte zu unterstützen. Die Stimmung war euphorisch, doch dann gab es einen herben Dämpfer, denn in der 38. Minute ging Arminia Marten in Führung.
Drei Wagners in der Mannschaft
Doch der TuS drehte das Spiel noch. Durch zwei Tore von Frank Wagner. „Frank Wagner war ein Riesenspieler,“ erinnert sich Reinhard Birck an den Stürmer. Birck gehörte damals zum erweiterten Kader der Rot-Weißen.
Der Torjäger verunglückt 1987 auf der Hütte
Frank Wagner war einer von drei Wagners beim TuS Hattingen. Außer ihm gab es noch seinen Bruder Bernhard, der so etwas wie die Kampfmaschine beim TuS war. Und schließlich war da auch noch der damals gerade einmal 18-jährige Hansi Wagner, der unter Wagner III geführt wurde und mit Wagner I und Wagner II nicht verwandt oder verschwägert war.
Einige der Helden von damals treffen sich immer noch, um über alte Zeiten zu reden. Am Samstag ist es wieder so weit. Bei den letzten Treffen war der Mann des Finales aber nicht mehr dabei, denn Frank Wagner starb bei einem Arbeitsunfall. Einen Tag bevor am 18. Dezember 1987 auf der Henrichshütte der Hochofen ausgeblasen wurde, kam er dort ums Leben.
Alfred Grävingholt leitet den Aufschwung ein
Frank Wagner war der Torjäger der Aufstiegsmannschaft, Josef Lammers war ihr Trainer. Den Aufschwung der Rot-Weißen eingeleitet hatte aber Alfred Grävingholt, der den TuS 1967 nach dem Abstieg in die Bezirksklasse übernahm und dann 1968 wieder in die Landesliga führte. „Er hatte an der Sporthochschule Köln studiert und kannte die damals neusten Trainingsmethoden. Davon haben wir damals alle enorm profitiert“, erinnert sich Reinhard Birck.
Lammers gehörte zum 100.000-DM-Sturm
Im Jahr 1968 übergab Alfred Grävingholt dann an Josef Lammers, der in der Fußball-Szene eine echte Größe war, gehörte er doch in seiner aktiven Zeit als Spieler zum legendären „100.000-DM-Sturm“ von Preußen Münster.
„Heute gibt es in den Vereinen ja viele Spezialisten, die den Trainer unterstützen, Jupp Lammers machte bei uns damals aber alles ganz alleine“, erzählt Reinhard Birck. Im Kader waren etwas 20 Spieler, trainiert wurde drei- bis viermal in der Woche, und die Abschlussbesprechung fand dann jeweils freitags beim gemeinsamen Abendessen in der „Börse“ statt. Eingeladen hatte meist Abteilungsleiter Alfred Hesse, der die Mannschaft enorm unterstützte.
Seine Heimspiele hat der TuS Hattingen damals auf dem Platz am Reschop ausgetragen. Die Zuschauer-Resonanz war enorm, der Schnitt lag etwa bei 1800 Fans, bei einem Spiel gegen Horst-Emscher waren es aber auch einmal 2300. Im Vergleich zu heute sind das natürlich enorme Zahlen.
Der TuS war das Thema in der Stadt
„Die Eickener Straße musste damals aus Sicherheitsgründen auch jedesmal gesperrt werden. Und manchmal gingen uns wegen des großen Andrangs auch die Eintrittskarten aus. Da haben wir sie einfach halbiert“, sagt Reinhard Birck mit einem Lachen. Am Tag nach dem Sieg im Entscheidungsspiel war der TuS in der Stadt das große Gesprächsthema. Nach dem Spiel gab es bei „Engelhardt“ auf der Engelbert-/Ecke Gottwaldstraße die interne Aufstiegsfeier. Gefeiert wurde bis in die Morgenstunden, aber am nächsten Tag ging es pünktlich zur Arbeit. In der „Glocke“ fand am 21. Juni dann die offizielle Aufstiegsfeier statt.
Fahrt zum Pokalfinale nach Frankfurt als Geschenk
Die Leistung der Fußballer wurde übrigens auch von der Stadt Hattingen gewürdigt. Denn die schenkte den TuS-Kickern eine Fahrt zum DFB-Pokalfinale, in dem sich in Frankfurt die Mannschaften von Bayern München und Schalke 04 gegenüber standen. Und nur der Vollständigkeit halber: Die Bayern gewannen mit 2:1.
Der TuS wurde dann auch für die richtig großen Vereine interessant. So gab es Freundschaftsspiele gegen Bundes- und Regionalligisten.
Nach der Saison 1974/75 geht es wieder runter
Der TuS Hattingen war also in der dritthöchsten Fußball-Liga angekommen, hatte im ersten Jahr aber schwer zu kämpfen, kam auf Platz 14 und schaffte schließlich in der Relegation den Klassenerhalt. In der Saison 1970/1971 wurde es dann Platz acht, ein Jahr später sogar Rang fünf. Danach zeigte die Kurve aber wieder ein bisschen nach unten. Die Spielzeit 1972/73 beendete der TuS auf Rang elf, danach ging’s runter auf Platz 13, und die Saison 1974/75 beschlossen die Rot-Weißen auf Tabellenplatz 17 - und das war gleichbedeutend mit dem Abstieg. Danach ging es in einem Rutsch runter bis in die Kreisliga A.
Absturz bis in die Kreisliga A
Ein Grund dafür war sicherlich auch, dass sich die Mannschaftsstruktur geändert hatte. Die Klassensprünge wurden noch mit vielen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs geschafft. Rolf Packlin beispielsweise war sogar bei allen vier Aufstiegen dabei, Bernd Wagner und Alfred Grävingholt jubelten jeweils dreimal mit dem TuS.
Sechs Jahre lang hatte man sich in der Verbandsliga behauptet. Um die Spieler zu halten, hatte sich beim TuS eigens ein Förderverein gegründet, was aber nicht nur Positives mit sich brachte. „Dadurch wurden auch einige Begehrlichkeiten geweckt“, so Reinhard Birck. Als es dann nicht mehr so lief, verließen jährlich gleich mehrere Spieler den Verein, der Abstieg auf Raten war damit eingeleitet.
Im Nachgang steigt auch Arminia Marten auf
Doch die Rot-Weißen erholten sich davon, aktuell spielen sie wieder in der Bezirksliga, womit man am Wildhagen – seit 1971 ist das die Heimat des Vereins – auch absolut zufrieden ist. Bei der Bezirksliga handelt es sich im Jahr 2019 um die achthöchste Spielklasse. Kein Vergleich also zur ganz großen Zeit der Rot-Weißen, die sich in der dritthöchsten Liga abspielte. Also in der Verbandsliga, in die der TuS vor genau 50 Jahren aufgestiegen ist.
Übrigens: Einen richtigen Verlierer gab es im Finale von 1969 eigentlich doch nicht. Denn im Nachgang stieg auch noch Arminia Marten auf.