Trotzdem stolzIm Elfmeterschießen endet der wennische Traum. Tränen fließen, große Enttäuschung. Aber die Sportfreunde dürfen stolz sein.
Den Karton mit den hellgelben T-Shirts rührt niemand an. Er steht da am Mittelkreis und trennt die beiden Lager. Hier die jubelnden, tanzenden, singenden Nettetaler. Auf der anderen Seite die Spieler der Sportfreunde Niederwenigern, die auf der Bank sitzen, auf dem Boden liegen, einfach nur dastehen.
Ins Leere starren, Kopf schütteln, Hände vors Gesicht. „Es fällt mir gerade sehr schwer, Glückwünsche anzunehmen“, sagt Trainer Jürgen Margref. Der Traum ist ausgeträumt, die Sportfreunde Niederwenigern steigen nicht in die Oberliga auf. Die T-Shirts will keiner haben. Aber ja, es gibt T-Shirts, auch für die SF Niederwenigern. Das war schon vorher so eingerichtet – egal, was passiert.
Wennische machen Auswärts- zum Heimspiel
„Egal, was passiert: Hier sieht man, wofür man die ganze Arbeit macht“, hatte der SFN-Fußball-Abteilungsleiter Manfred Lümmer unmittelbar vor Anpfiff gesagt, mit Blick auf die ganz in Gelb strahlende Gegentribüne, wo rund 400 mitgereiste Wennische ihr Team feierten. Zum Einlauf hatten die ein Spruchband gezeigt: „Egal, was heut passiert, du wirst niemals untergehen.“
Für die Sportfreunde waren die Entscheidungsspiele um den Aufstieg ein Gewinn, keine Niederlage. Und doch flossen nach Abpfiff reihenweise Tränen, bei Trainern, Spielern, Fans, nachdem die Sportfreunde ihre erste Niederlage seit rund drei Monaten kassiert hatten – auf die bitterste Art und Weise.
Nach zehn Minuten ist der Vorsprung weg
0:1 hatte es nach 120 Minuten gestanden. Den 1:0-Hinspielsieg hatte Nettetals Marc Paul nach zehn Minuten egalisiert, mit einer Sonntags-Bogenlampe aus 30 Metern, bei dem die komplette SFN-Defensive nicht zupackte und Torwart Alexander Golz am Ende unglücklich aussah. Es folgte eine Partie, die tief blicken ließ.
Es war klar zu erkennen, wie viele Kilometer beide Mannschaften im dritten Spiel bei knapp dreißig Grad innerhalb von sieben Tagen auf dem Tacho hatten. Wie viel Respekt sie vor dem Gegner hatten und auch vor der Bedeutung dieses Spiels. So passierte lange wenig, Nettetal war besser, hatte im Gegensatz zu den Sportfreunden auch einige (wenige klare Chancen) – aber nutzte die nicht.
Keilerei in der Verlängerung
In der Verlängerung entlud sich der ganze Druck in einer handfesten Rudelbildung, für die die Partie sieben Minuten unterbrochen wurde, bis der Schiedsrichter zwei Rote Karten zeigte – für Nettetals Stürmer Reinert und für Niederwenigerns Ersatzmann Anil Kisin.
Überzahl Sportfreunde.
Die drückten nun auf das Siegtor, vergaben aber die besten Chancen durch Machtemes und Fabian Lümmer. Elfmeterschießen.
Ausgerechnet Gipper verschießt
Da wurde Tim Tretbar zum Aufstiegs- und Frederick Gipper zum tragischen Helden. Ausgerechnet Gipper, der erstmals nach sechs Monaten Verletzungspause spielte und Margrefs ultimativer Joker war – er verschoss, nachdem vor ihm alle neun anderen Schützen getroffen hatten. Nettetaler Jubelstürme, Sportfreunde am Boden.
Marc Gotzeina, der Youngster, der in der Schlussphase frischen Wind brachte und auch einen Elfmeter traf, wirkte als einer der Ersten relativ gefasst: „Wir hatten eigentlich den positiven Gedanken, dass ein Tor reichen würde. Aber wir hatten am Ende das Glück nicht. Aber wir haben so eine geile Saison gespielt, durften heute vor dieser Kulisse antreten. Alleine dass wir dieses Spiel machen durften … jetzt ist Trauer, aber wir werden weitermachen.“
Am Ende überwiegt der Stolz
Jürgen Margref meinte: „Nach dem Spiel ist es schwer, wir sind am Boden. Aber nach ein, zwei Nächten werden die Jungs die tolle Saison anerkennen.“ Christopher Weusthoff, dessen aktive Karriere mit diesem Spiel endete, meinte mit Tränen in den Augen: „Es überwiegt der Stolz. Was wir geleistet haben, als Mannschaft, als Verein, als Dorf – das ist nicht selbstverständlich.“
Als die Spieler eine gute Stunde nach Abpfiff aus der Kabine kommen, Tasche über der Schulter, manche ein Getränk in der Hand – da tragen sie die gelben T-Shirts. Dass es die geben würde, war klar – egal, was heut passiert. Drauf steht auch nur: „17/18 … geile Saison.“