Hattingen. . Josef Hettchen wird für 90-jährige Mitgliedschaft ausgezeichnet. Der 99-Jährige war in seiner aktiven Zeit leidenschaftlicher Handballer.
Wenn die DJK Märkisch Hattingen am 23. März ihre Jahreshauptversammlung abhält, wird ein Tagesordnungspunkt sicher ein ganz besonderer und emotionaler werden. Dann wird Josef Hettchen für seine 90-jährige Mitgliedschaft bei den Jugendkraftlern geehrt. Und natürlich möchte Hettchen, der in diesem Jahr seinen hundertsten Geburtstag feiert, sich seine Ehrung persönlich abholen. So wie er es all die Jahre zuvor auch gemacht hat, wenn es seine Tagesform zugelassen hat.
Es war also im Jahr 1928, als Josef Hettchen sich der DJK anschloss, um seiner Leidenschaft, dem Feldhandball, nachgehen zu können. Die DJK Märkisch wurde im Jahr 1925 gegründet, und sicher wäre „Jupp“ Hettchen, wie er von seinen Freunden genannt wird, auch Gründungsmitglied des Vereins gewesen, wenn man damals nicht erst mit zehn Jahren in einen Sportverein hätte eintreten dürfen. Hettchen musste also zunächst ein paar Jahre warten, machte sich dann aber gerne einige Male in der Woche zu Fuß, meistens zusammen mit seinem Bruder Heinz, auf dem Weg von seinem Zuhause am Beul hin zum Sportplatz im Ludwigstal, auf dem die DJK damals spielte. Aber nach nur fünf Jahren konnte Hettchen sein Hobby nicht mehr bei der DJK Märkisch Hattingen ausüben, denn nach der Machtergreifung durch die Nazis im Jahr 1933 wurden alle DJK-, Kirchen- und Arbeitervereine verboten.
Bei Schalkes Sieg gegen Admira Wien dabei
Hettchen musste sich also einen neuen Verein suchen und schloss sich schließlich der ersten Mannschaft von TuRa Hattingen an. Aber auch diese Phase war nicht von langer Dauer, denn 1939 musste er zur Wehrmacht. Als Soldat kam er 1944 in russische Gefangenschaft und kehrte erst 1949 zurück nach Hattingen. „Man hat unserer Generation die Jugend genommen“, sagt Josef Hettchen und kann sich aber dennoch an einen ganz besonderen Höhepunkt in seiner Jugendzeit erinnern. Denn Josef Hettchen ist von Kindesbeinen an auch Fan des FC Schalke 04. Und ihm war es vergönnt, einen deutschen Meistertitel zusammen mit seinen Idolen zu feiern.
Im Juni 1939 fand im Berliner Olympiastadion vor 100 000 Zuschauern das Finale um die Deutsche Meisterschaft statt, und Schalke gewann mit 9:0 gegen Admira Wien. Ernst Kalwitzki erzielte damals fünf Tore, aber auch die späteren Legenden Ernst Kuzorra und Fritz Szepan trugen jeweils einen Treffer zum Titelgewinn bei.
Der Mannschaft stellte er sein Auto zur Verfügung
Nach dem Krieg wurde dann die DJK Märkisch Hattingen wiedergegründet und stand jetzt allen Konfessionen offen. Josef Hettchen war automatisch wieder Mitglied, hatte aber nicht mehr so viel Zeit für den Handballsport, weil er seinen Vater im heimischen Stahlbaubetrieb unterstützen musste. Aber Josef Hettchen versuchte seiner DJK zu helfen, wo es ging, Märkisch spielte inzwischen nicht mehr im Ludwigstal, sondern an der Waldstraße, und kurzerhand wurden in der Firma Hettchen Stahlnetze für die Tore hergestellt und dem Verein gestiftet. „Und ich habe damals immer mein Auto zur Verfügung gestellt, damit die Jungs zu den Spielen fahren konnten“, erinnert sich Jupp Hettchen. „Meine Frau wusste das zuerst nicht. Die hat sogar einmal gedacht, dass das Auto geklaut worden wäre. Aber ich hatte den Jungs vorher heimlich den Schlüssel gegeben und musste ihr dann alles beichten“, lacht der 99-Jährige.
Erfolg bei der DJK-Verbandsmeisterschaft
Hettchen wurde später Handball-Schiedsrichter und hat auch dazu ein Anekdötchen auf Lager. „Ich war kein guter Schiedsrichter und hab’ das auch nur gemacht, weil damals jeder Verein einen stellen musste. Einmal wollten die mich sogar verkloppen“, so Jupp Hettchen, und seine Tochter Rita ergänzt: „Und einmal hatte mein Vater mich und meine Schwester Ulla mit zum Spiel genommen. Da ist uns während des Spiels unser Dackel Bobby weggelaufen. Der musste dann erst mal wieder eingefangen werden.“ Anfang der 1950er Jahre wurde Josef Hettchen dann Schiedsrichterwart und Handball-Fachwart und betreute seine Jungs bei den Spielen.
Der Höhepunkt in dieser Zeit war sicherlich der Gewinn der DJK-Verbandsmeisterschaft im Jahr 1955, und Hettchen präsentiert stolz eine aus Kohle gepresste Medaille, die es für den Titelgewinn gab. „Wir haben damals auch Stadtmeisterschaften in Hattingen gehabt, aber da hatten wir meistens keine Chance. Da war der TV Einigkeit immer richtig gut“, erinnert sich Hettchen. Insgesamt gab es zu der Zeit sechs Handballvereine im erweiterten Stadtgebiet. „Neben Märkisch und Einigkeit spielten noch der TuS Hattingen, Henrichshütte, der Hattinger Sport-Verein (HSV) und der Verein Eichenkreuz, aus dem sich später der CVJM bildete, um den Stadttitel mit. TuRa gab es nach dem Krieg dann nicht mehr“, weiß Josef Hettchen.
Eine enge Freundschaft mit Heinz Sauer
In dieser Zeit entwickelte sich auch eine ganz dicke Freundschaft zu Heinz Sauer, dem langjährigen Vorsitzenden der DJK Märkisch. Und natürlich kaufte man im Hause Hettchen damals auch nur im kleinen Tante-Emma-Laden an der Nordstraße ein, den Heinz Sauer damals zusammen mit seiner Mutter führte. Im Gegenzug wusste Heinz Sauer aber auch, dass er sich immer auf Josef Hettchen verlassen konnte, wenn er mal was brauchte. Gemeinsam waren beide auch in der CDU, wo Hettchen im letzten Jahr für seine 50-jährige Mitgliedschaft ausgezeichnet wurde.
„Ich war auch noch in anderen Vereinen, aber an Märkisch hab’ ich immer gehangen und den Verein immer irgendwie unterstützt“, so Josef Hettchen. Dafür ist er immer wieder ausgezeichnet worden. Stolz zeigt er seine Pokale, die er inzwischen für seine langjährige Mitgliedschaft erhalten hat, darunter auch das Ludwig-Wolker-Relief, das für hervorragenden Einsatz und besondere Verdienste um die DJK verliehen wird, und welches ihm vor zehn Jahren anlässlich seiner 80-jährigen Mitgliedschaft überreicht wurde.
Die Auszeichnung will er persönlich abholen
Welche Auszeichnung ihn in der nächsten Woche erwartet, weiß Josef Hettchen noch nicht, denn das Ludwig-Wolker-Relief ist schon die höchste Auszeichnung, die man als DJKler erhalten kann. Aber wenn es seine Tagesform zulässt, wird er sich diese Auszeichnung auf jeden Fall persönlich abholen, denn Jupp Hettchen hat in seinem Leben nur wenige Jahreshauptversammlungen verpasst. „Das war für mich immer ein Pflichttermin“, sagt der 99-Jährige und hofft darauf, dass er teilnehmen kann. Denn nach einem Sturz und einem komplizierten Oberschenkelhalsbruch vor fünf Jahren klappt es mit dem Laufen nicht mehr so, wie er es gerne hätte. „Aber ansonsten war ich Gott sei Dank nie richtig krank. Nur im Krieg hatte ich mal einen Armdurchschuss“, schmunzelt er.
Der Traum von einer Schalker Meisterschaft
„Dafür ist er aber im Kopf topfit“, sagt Tochter Rita und holt das Rummikub-Spiel aus dem Schrank, welches scheinbar an diesem Abend noch zum Einsatz kommt. „Und bei Sportsendungen, wie zuletzt bei der Olympiade und bei Quizshows bekommt man meinen Vater kaum vom Fernseher weg“, lacht Rita Hettchen.
Und selbstverständlich verfolgt Josef Hettchen auch weiterhin die Spiele des FC Schalke 04, war in den vergangenen Jahrzehnten sowohl in der Arena als auch im Parkstadion und ganz früher in der Glückauf-Kampfbahn. Und er war auch bei Schalkes Pokaltriumph gegen Bayer Leverkusen im Jahr 2002 noch mal live in Berlin dabei. Aber sein größter Wunsch bleibt Josef Hettchen wohl verwehrt. „Ich würde gerne noch einmal mitkriegen, wie Schalke Deutscher Meister wird, aber das wird wohl ein Traum bleiben“, sagt er.