Hattingen. . Mathias Harmel (63) sagt zwar nichts, aber der Blick des Tai-Chi-Lehrers vom Kneipp-Verein gen Boden verrät: Mit meinen gut gedämpften Laufschuhen habe ich nicht die beste Wahl getroffen für diese 90-minütige Einheit in der chinesischen Kampf- und Bewegungskunst. Wenig später weiß ich, warum.
Mathias Harmel (63) sagt zwar nichts, aber der Blick des Tai-Chi-Lehrers vom Kneipp-Verein gen Boden verrät: Mit meinen gut gedämpften Laufschuhen habe ich nicht die beste Wahl getroffen für diese 90-minütige Einheit in der chinesischen Kampf- und Bewegungskunst. Wenig später weiß ich, warum.
Gelenkstellung optimieren
Bevor Mathias Harmel mit der Kurseinheit beginnt, gibt er mir eine Grundeinweisung in puncto Körperstatik. Wie ich mein Becken in der Waage halte, lässt er mich erspüren, ebenso, wie mir dies mit meinen Schultern gelingt. „Stellen Sie sich vor, die eine ist der Bug und die andere das Heck eines Schiffes, das ganz gerade auf dem Wasser liegt.“ Und dann sagt er mir mit einem nun deutlich sichtbaren Schmunzeln, dass es beim Tai Chi wichtig sei, jeden einzelnen Zeh zu spüren. Okay: Schuhe aus – und los. Ich reihe mich ein in die Gruppe der Teilnehmerinnen, die ins Haus der Diakonie zum Training gekommen sind. Wir machen uns warm.
Nahezu synchron mit der Dame zu meiner Linken lasse ich meine Schultern erst vor-, dann rückwärts kreisen, erspüre in meinen nun nur noch besockten Füßen, wie jeder einzelne Zeh Kontakt zum Linoleum hat. Ich halte, während ich meinen Oberkörper langsam aus der Standstellung etwas absenke, meine Mitte in der Waagerechten – und meine Füße fest am Boden.
Allmählich bekomme ich eine erste Ahnung davon, was Mathias Harmel vorhin damit gemeint hat, als er sagte: Ein Kernprinzip des Tai Chi sei es, die Stellung der Gelenke zu optimieren, isolierte Körperteile verbunden miteinander zu bewegen. Doch meine Euphorie verfliegt rasch, als wir zu meditativen chinesischen Klängen die erste Tai-Chi-Form durchlaufen: die „Erde“.
Zwar erkenne ich einzelne Bewegungsteile vom Aufwärmen wieder. Doch die knapp zehnminütige Form – eine Abfolge einzelner Tai-Chi-Übungen – auch nur halbwegs fehlerfrei hinzubekommen, gelingt mir nicht.
Die anderen beruhigen mich: Sie machen Tai Chi ja auch alle schon mehr als zehn Jahre. Dann sollte ich die „Erde“ zumindest mit Ende 50 verstanden haben.
Wir gehen im Kreis, lockern uns, es folgen die nächsten Formen. Wir vollführen langsame fließende Bewegungen – typisch für den Yang-Stil, in dem Mathias Harmel seine Stunden abhält. Ich spüre, wie sich meine Gedanken sammeln, ich jetzt nur noch auf meinen Körper und die nächste Figur konzentriert bin . . .
Dass Tai Chi auch als „Meditation in Bewegung“ bezeichnet wird: Spätestens in diesem Moment kann ich es nachvollziehen.