ManU oder Schalke? Am 26. April und am 4. Mai begegnen sich im Halbfinale der Champions League nicht nur zwei Teams und ihre Fans, sondern auch zwei alte Industriemetropolen

Reception Manager Veronica O’Brien schüttelt an der Rezeption des Castlefield Hotels Manchester nur noch den Kopf: „Ein Hotelzimmer, hier und heute Abend? No!“

Auf so einen Einfall kann wirklich nur ein Mensch kommen, der nicht aus dieser fußballverrückten Stadt stammt: Wenn Manchester United gegen Manchester City spielt, ist diese Stadt rappeldicht. Und dann fragen sie dich hier den ganzen Tag über: Für wen bis Du, ManU oder City?

ManU oder Schalke? Am 26. April und am 4. Mai begegnen sich im Halbfinale der Champions League nicht nur zwei Teams und ihre Fans, sondern auch zwei alte Industriemetropolen: Ja, in der europäischen Städtefamilie haben beide die gleichen Großeltern - die Industrielle Revolution. Der ältere Nachwuchs hat mit seinen Textilfabriken einem ganzen Zeitalter den Namen gegeben: Manchester-Kapitalismus. Der jüngere Nachwuchs wurde mit seinen Zechen auf dem Kontinent groß und hat wenigstens das Möbeldesign europaweit geprägt: Gelsenkirchener Barock.

Ja, dieses Manchester ist mit dem Ruhrgebiet verwandt und genau so fühlt es sich auch an: Hart, aber herzlich. Auch hier fahren sie gerne mal mit der Straßenbahn zum Stadion, von Piccadilly Station bis Old Trafford; ja, das ist beinahe wie die Strecke von Gelsenkirchen Hauptbahnhof zur Schalke-Arena. Auch in Manchester geht es an mancher leer gefegter Industriebrache vorbei, auch in Manchester rattert die Bahn über Kanäle, die hier allerdings nicht nach Duisburg an den Rhein, sondern nach Liverpool am Mersey führen - noch so ein Fußball-Gigant.

Manchester hat 450 000 Einwohner; im Großraum leben allerdings 2,5 Millionen Menschen - noch so eine Parallele zum Ruhrgebiet, wo Stadt und Region kaum auseinanderzuhalten sind und manche Schalker Fan-Hochburg jenseits der eigentlichen Gelsenkirchener Stadtgrenzen liegt.

Sie haben auch hier ein tiefes Tal des Strukturwandels durchschritten. Und sie haben ganz ähnlich wie Gelsenkirchen und die Städte im Ruhrgebiet ihre alten Schätze wiederentdeckt: herrliche Backsteinfassaden, riesige Fabrikhallen, wunderbare Spazierwege an den Kanalufern mit Restaurants und Bars in restaurierten Lagerhäusern. Sie sind stolz auf ihre Galerie „The Lowry“ nicht weit von Old Trafford, wo sie die Werke von L.S. Lowry (1887-1976) zeigen, der die Arbeiter aus Manchester und ihre Familien mit feinen Bleistift-Strichen in Szene setzte; sie haben ein tolles People’s History Museum, und sie haben den Fußball.

Ja, Manchester fühlt sich ein wenig wie Gelsenkirchen und das Ruhrgebiet an. Man sollte nur nicht kommen, wenn gerade ManU gegen City spielt.