Sein erstes Torwarttraining hatte er in der Sandgrube bei Adler Ellinghorst. Heute steht er im Bundesliga-Kader von Borussia Mönchengladbach.
Kalter Wind pfeift durch den Kröger Park. Letzte Schneereste schmelzen an der Seitenlinie langsam vor sich hin. Still ist es am Rande des Wittringer Waldes. Nichts deutet hier an einem eisigen Dezembertag auf den Beginn einer aussichtsreichen Fußballgeschichte hin.
Wie selbstverständlich sitzt Moritz Nicolas heute gemütlich im Warmen. Und zwar in einer Lounge im Borussia Park. Er schmunzelt, als er an seine Zeit bei Adler Ellinghorst zurückdenkt. „Ich würde sagen: der Aschenplatz“, antwortet er auf die Frage, was ihm dabei als erstes einfällt. Auf Asche spielt er längst nicht mehr.
Der Gladbecker steckt mitten in seiner zweiten Saison als Fußballprofi. Bei Borussia Mönchengladbach. Wenn auch als Reservetorwart: Bundesliga. Sein großer Kindheitstraum.
Damals in der Sandgrube
„Ich hatte gar keinen anderen Wunsch. Ich wollte immer Profi werden“, sagt der 20-Jährige. Aufgewachsen in Gladbeck beginnt er mit dem Kicken bei den Adlern. Damals allerdings im Feld. „Irgendwann bin ich bei einem Hallentraining mal ins Tor gegangen und drin geblieben“, ergänzt er und lacht. „Dann habe ich mit Pascal Schulz, der hat das Torwarttraining damals gemacht, immer in der Sandgrube trainiert. Daran erinnere ich mich noch.“ Nicht nur er.
„Die Lieblingsübung vom Mo war das Übergreifen. Wenn er in die Ecke fliegen und mit der oberen Hand den Ball herausfischen konnte“, verrät jener Pascal Schulz. 16 Jahre ist er alt, als er hobbymäßig nebenbei den Torwarttrainer macht. Der heute 26-jährige Ellinghorster erinnert sich noch gut an die Zeit. Und besonders gut an Nicolas natürlich: „Die ganze Motorik. Wie er die Bälle fängt. Wie er sich in die Bälle reinhaut. Er war ein eher ruhiger Zeitgenosse.“ Und: „Er soll genauso ehrgeizig bleiben, wie er damals angefangen hat.“
Über Zweckel und Essen an den Niederrhein
Als sich die Mannschaft in Ellinghorst auflöst, steht Nicolas schon auf dem Zettel großer Clubs. Schalke und Dortmund haben angefragt. Bei Königsblau absolviert er auch ein Probetraining. „Die hätten das auch gemacht. Aber für mich hat es sich nicht so gut angefühlt“, sagt der junge Keeper rückblickend. Stattdessen zieht es ihn zum SV Zweckel. Ein neues Kapitel.
„Ibo Mbaye“, fällt ihm der Name ein. Ebenso ein alter Trainer. Bei Eckbällen schickt der ihn damals immer ganz nach vorne. Denn der heute 1,93m lange Torwart ist der größte Spieler im Team und soll nicht nur hinten den Kasten sauber halten, sondern auch vorne per Kopf einnetzen.
Über die Zwischenstation VfB Hüls wechselt er 2012 in die Jugend von Rot-Weiß Essen, spielt Junioren-Bundesliga. „Das war immer das, was ich wollte“, meint er. Die Augen funkeln.
Gladbach ist der richtige Schritt
Spätestens jetzt nimmt seine Karriere Fahrt auf. Der Rechtsfuß ist im erweiterten Kreis der Nationalmannschaft. Nebenbei aber noch Schüler. Bis ein Jahr vor dem Abitur besucht er das Ratsgymnasium. „Ja, ich habe da auch schon einmal ein Autogramm geschrieben“, gibt er zu und lacht.
Der Wechsel zum großen VfL Borussia Mönchengladbach drei Jahre später ist auch deshalb mit mehr verbunden als nur mit Fußball. „Du ziehst von zu Hause aus, bist im Internat. Neuer Verein. Neue Stadt“, erinnert er sich zurück an jenen Sommer. Für ihn aber rückblickend betrachtet ein guter Schritt.
„Das Gesamtpaket hat hier für mich gestimmt. Ich glaube, dass ich mich in Gladbach besonders fußballerisch weiterentwickelt habe“, meint Nicolas. „Ich versuche, mutig zu spielen.“
Großes Lob von Dieter Hecking
Als Spieler der U19 geht es in der Sommervorbereitung sofort zu den Profis. Sein erstes Training hat er noch vor Augen als wäre es gestern gewesen. „Das war anstrengend“, sagt er und pustet kräftig durch. „Das war im Sommer nicht so zimperlich. Eine Woche trainiert und danach hast du dich 100 Jahre älter gefühlt.“ Tatsächlich um einiges älter ist sein Torhüterkollege Christopher Heimeroth. „Wenn ich eine Frage hatte, habe ich sie meist ihm gestellt“, berichtet der Gladbecker. Aber damals wie heute könne er eigentlich zu jedem gehen.
Und so gelingt die Eingewöhnung in Mönchengladbach. Gefolgt von dem nächsten Highlight: U19, U20 und seit November sogar U21-Nationalmannschaft. Der Schlussmann findet: „Das ist das Größte, was du dir vorstellen kannst. Das ist auch eine gewisse Auszeichnung. Das hat mich riesig gefreut, dass ich da mein erstes Spiel gemacht habe.“ Unter anderem trifft er in Länderspielen auf Ousmane Dembélé (FC Barcelona), Theo Hernandez (Real Madrid) oder Reece Oxford (seine heutigen Kollegen in Gladbach).
„Ganze Jugend dafür gearbeitet“
Ob er sich da manchmal kneifen muss, was er so alles erlebt? Alleine im Sommer 2017 schüttelt er die Hand von Papst Franziskus, steht Max Kruse (Werder Bremen) beim Strafstoß gegenüber und bekommt Lob vom Chef-Trainer Dieter Hecking. „Natürlich erlebt man viel“, sagt der Youngster. „Aber das ist ja nicht von heute auf morgen. Du hast im Prinzip die ganze Jugend dafür gearbeitet. Immer dran geglaubt. Immer trainiert.“
In dieser Saison steht er erstmals im Kader der Profimannschaft. In Dortmund und zu Hause gegen den VfB Stuttgart sitzt er auf der Auswechselbank. Die Geschichte steht, mehr als ein Jahrzehnt später, zwar immer noch am Anfang. Spielpraxis bekommt er in der Regionalliga-Mannschaft. Der Gladbecker Winterkälte ist er nicht mehr ausgesetzt. Er sitzt im warmen Borussia Park.