Gelsenkirchen. Im EM-Viertelfinale trifft Deutschland auf Spanien. Was Gelsenkirchens Sportlerinnen und Sportler der DFB-Elf zutrauen und wie sie die EM bisher erleben
Nach Platz eins in der Vorrunden-Gruppe A hat Deutschland auch das Gewitter-Achtelfinale gegen Dänemark erfolgreich gemeistert. Im Viertelfinale wartet am Freitag mit Spanien nun ein ganz dicker Brocken. Wir haben bei Gelsenkirchener Sportlerinnen und Sportlern nachgefragt: Wie weit kann die DFB-Elf kommen? Und wie haben sie die Europameisterschaft im eigenen Land bisher erlebt?
Norbert Elgert, Trainer der Schalker U19 DFB-Nachwuchsligamannschaft: „Für mich gab es die Möglichkeit, das Achtelfinale zwischen England und der Slowakei live in Gelsenkirchen zu sehen, aber ich bin nicht zum Spiel gegangen, weil mein Fokus gerade total bei meiner U19-Mannschaft ist. Im Fernsehen schaue ich mir aber EM-Spiele an. Was mich freut: Das Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann hat es geschafft, sich selbst zu emotionalisieren. Die Mannschaft strahlt Spielfreude aus und tritt als Einheit auf. Das persönliche Ego wird komplett zurückgestellt. Es wirkt so, als wenn das Team zusammen alles schaffen kann. Es könnte auch passieren, dass das Turnier für Deutschland nach dem Spiel gegen Spanien beendet ist.“
Thomas Bertels trainiert die U17 des FC Schalke 04, die in der DFB-Nachwuchsliga antritt. Er hatte schon vor einiger Zeit auf den Spielplan der Fußball-Europameisterschaft geschaut und sich schon damals gedacht, dass die DFB-Elf in ihrem Baum auf schwere Gegner treffen könnte: „So ist es jetzt ja auch, das ist ein ungünstiger Los-Baum, das muss man schon sagen. Bisher haben mir Spanien, Deutschland und auch Österreich am besten gefallen. Im Viertelfinale am Freitag wird einen Favoriten treffen. Ich glaube, es ist ein fünfzig-fünfzig-Spiel. Wenn sie Spanien schlagen, dann kann es bis ins Finale gehen oder sogar für den Titel reichen. Man sieht eine Handschrift und merkt, dass es eine Mannschaft ist. Aber Spanien am Freitag ist natürlich ein Brett. Die Stimmung ist 2006 vielleicht besser gewesen, so fühlt es sich an, aber der Vergleich hinkt ja auch. Wie man allerdings über unsere Stadt (Gelsenkirchen) gesprochen hat von Seiten mancher Engländer: Die sollen mal ganz ruhig sein - ich war selbst schon in vielen Städten in England.“
Bastian Grundmann, Trainer des American Football-Verbandsligisten Gelsenkirchen Devils: „Es wäre schön, wenn Deutschland das Ding holen würde! Vor dem Turnierbeginn gab es viel Kritik. Quatschen und meckern ist bekanntlich immer einfacher als das Machen. Unter anderem kam medial die Frage auf, warum man den alten Manuel Neuer ins Tor stellen kann. Ich denke er hat gezeigt, warum er Deutschlands Nummer eins ist. Dann ging es noch um das pinke Trikot, das für viele zunächst komisch aussah. Mittlerweile ist das Shirt komplett ausverkauft. Man spürt auch hier in Gelsenkirchen die EM-Euphorie. Wenn ich zum Training fahre, dann sehe ich oft Fans, die Richtung Stadion oder Public Viewing unterwegs sind. Natürlich ist das Endspiel noch ein weiter Weg für das DFB-Team, aber Deutschland ist eine Turnier-Mannschaft. Selbstverständlich werden die Gegner von Runde zu Runde unbequemer, aber wenn man bei der EM im eigenen Land ganz nach oben will, dann muss man liefern.“
Christine Kreßmann, Sportwartin des SV 14/19 Westerholt: „Um ehrlich zu sein, verfolgen wir die Fußball-EM aktuell gar nicht so sehr, weil wir selbst gerade bei der Europameisterschaft der Masters im Gewichtheben in Norwegen unterwegs sind. Aber wir alle rechnen damit, dass es das deutsche Team ins Finale schafft. Wir sind eine Turniermannschaft, auch wenn die letzten Jahre etwas holprig waren. Die EM im eigenen Land wird hier aber sicherlich für Aufwind und hoffentlich für ein weiteres Sommermärchen sorgen.“
Michael Seeger, Cheftrainer der Schimmerinnen und Schwimmer der SG Gelsenkirchen: „Ich würde das Turnier gerne mehr verfolgen, aber das kriege ich leider nicht hin. Beim zweiten Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft hatten wir Training. Da musste ich mir das etwas zusammensuchen. Von der Stimmung bekomme ich nicht so viel mit. Bei den Schwimmerinnen und Schwimmern ist es auch eher geteilt. Die Hälfte ist da ziemlich hinterher, die andere Hälfte überhaupt nicht. Bezeichnend ist, dass beim Gruppenspiel gegen Ungarn alle beim Training waren.“
Tina Rohwetter, Mädchen-Hockeytrainerin beim Buerschen HC: „Wir sind als Familie durchaus im EM-Fieber und schauen die Spiele der Deutschen Nationalelf zu Hause mit Freunden im DFB-Trikot. Allerdings im weißen, nicht im pinken. Bei uns in Gelsenkirchen haben ja mehrere Gruppenspiele stattgefunden. Man merkt schon, dass in der Stadt etwas los ist, aber ich habe die Weltmeisterschaft 2006 intensiver in Erinnerung als die Europameisterschaft jetzt. Natürlich hoffe ich, dass Deutschland weit kommt. Als Mitfavoriten habe ich noch mehrere Mannschaften auf der Rechnung - unter Spanien, das in der Gruppe kein einziges Gegentor kassiert hat. Ich bin nicht der große Julian Nagelsmann-Fan, aber ich finde, dass der Bundestrainer es bei der Zusammenstellung der Mannschaft gut gemacht hat. Toni Kroos und „Lücke“ Füllkrug sind echte Typen, dazu gibt es viele junge Spieler, die richtig gut sind. Allerdings hat man im Gruppenspiel gegen die Schweiz auch gesehen, dass es für Deutschland schwierig wird, wenn Widerstände auftreten oder wenn Überraschendes passiert. So richtig stabil finde ich unser Team noch nicht. Trotzdem halte ich den EM-Titel für machbar.“
Daniel Nienhaus, Abteilungsleiter der Schalker Handballer: „Ich bin ein richtiger Fan der Deutschen Nationalmannschaft. Das 1:1 gegen die Schweiz habe ich im Amphiteater gesehen, das Spiel zwischen Spanien und Italien habe ich auf dem Domplatz in Buer erlebt. Vor den Spaniern, auf die wir im Viertelfinale treffen, habe ich großen Respekt. Vielleicht kommt mit einem Sieg über einen Mitfavoriten die ganz große Euphorie. Beim Sommermärchen 2006 war ich aus beruflichen Gründen in der Schweiz und bin erst nach Deutschland zurückgekehrt, als unser Team schon ausgeschieden war. Von daher habe ich jetzt nicht den Vergleich zu heute. Aber ich finde es schon ganz gut, was hier im Moment passiert. Im Amphitheater habe ich eine grandiose Stimmung erlebt.“
Peter Gendreiko (ehemaliger Vorsitzender des Erler SV 08): „Für Gelsenkirchen ist die Fußball-Europameisterschaft eine gute Geschichte, von der alle profitieren. Wir können Rudi Assauer dankbar sein, dass er maßgeblich für den Bau der Arena gesorgt hat. Sportlich beginnt die EM so richtig erst jetzt mit den K.o-Spielen. Es wird sich jetzt zeigen, ob die etablierten Mannschaften mehr draufhaben als das, was sie bisher gezeigt haben. Auch auf Deutschland bin ich gespannt. Zum EM-Titel wird es aber wohl nicht reichen.“
Ludwik Harelik (ehemaliger Fußball-Trainer, zuletzt SC Hassel II): „Das Wetter hat zwar anfangs nicht mitgespielt, aber die Spiele selbst fand ich super. Die Vorrunde hat gezeigt, dass es keine Kleinen mehr gibt. Das ist erfreulich. Ich glaube, das wird noch eine ganz tolle EM. Die deutsche Mannschaft ist super zusammengesetzt, es passt von den Typen und Charakteren. Es macht wieder Spaß, der Mannschaft zuzuschauen. Der späte Ausgleich gegen die Schweiz wird ihr zusätzlichen Schwung geben. Ich hoffe, sie erreicht das Endspiel.“
Frank Grundmann (Schalker Walking-Footballer, ehemaliger Zweitliga-Spieler bei RW Lüdenscheid): „Die meisten Spiele sind interessant, deshalb gefällt mir die Europameisterschaft gut, Wir haben einige Überraschungsmannschaften gesehen, zum Beispiel die Österreicher. Spanien hat sehr stark aufgespielt. Was die deutsche Mannschaft betrifft, muss man abwarten, denn die Gegner in der Vorrunde waren keine echten Prüfsteine, das war unterer europäischer Durchschnitt. Wir spielen einen guten Ball, haben vorne mit Florian Wirtz und mit Jamal Musial zwei außerordentlich begabte junge Spieler. Verbesserungspotenzial sehe ich in der Defensive auf der rechten Seite, für die Joshua Kimmich verantwortlich ist. Mit ein bisschen Glück können wir weit kommen.“
Niklas Zacharias (Fußballtrainer, zuletzt beim SV Horst 08): „Mit zunehmender Dauer gefällt mir die Europameisterschaft immer besser. Es macht Spaß, die Fan-Feste zu besuchen. Ich war auch im Düsseldorfer Stadion beim Spiel zwischen Frankreich und Österreich. Das war echt schön. Die deutsche Mannschaft? Sehr schwierig. Wenn sie eine Top-Leistung abliefert und der jeweilige Gegner es zulässt, kann sie viel erreichen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass für Deutschland im Viertelfinale Schluss ist. Ab jetzt könnte jeder kleine Fehler spielentscheidend sein.“
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