Gelsenkirchen. Für Sven Hilling war Dart einst der Ausweg aus der Sucht des Rauchens. Drei Jahre später ist er nun Deutscher Meister bei den Ü40-Spielern.
Es war vor drei Jahren: Sven Hilling ging hinaus auf seinen Balkon in Gelsenkirchen-Rotthausen, um das zu tun, was er dort immer tat: rauchen. Doch als er gerade über die Türschwelle ins Freie trat, fiel es ihm wieder ein. „Ich wollte mit dem Rauchen aufhören, um nicht von meinen Kindern irgendwann gefragt zu werden, warum ich rauche. Darauf hätte ich nämlich keine Antwort gehabt“, erzählt der Familienvater. Auf den Balkon ging Sven Hilling aber trotzdem, um sich mal eine ruhige Minute zu genehmigen.
Nach einiger Zeit überkam ihn jedoch die Langeweile. Eine Beschäftigung während des Ausflugs an die frische Luft musste her. Am nächsten Tag flogen plötzlich Pfeile quer über den Balkon und schlugen in einer Dartscheibe ein. Dart als Ausweg aus der Sucht. Sven Hilling vertrieb sich so die Langeweile und entkam der Versuchung, sich doch wieder eine Zigarette anzustecken.
Drei Jahre später kommt Sven Hilling als frisch gebackener Deutscher Meister der Ü40-Darter zum Gespräch mit der WAZ. Aus dem Mann, der die Pfeile einst aus Jux und Tollerei in Richtung Wand pfefferte, ist einer der besten Dartspieler Deutschlands geworden. Pfeilschnell führte sein Weg in die Spitze. Ende 2017 trat er dem neu gegründeten Gelsenkirchener Verein „Sons of Dart“ bei und nahm kurz darauf erstmals an einem Turnier teil. Und nun folgte der erste offizielle Titel. Bei der Deutschen Ü40-Meisterschaft in Steinfurt setzte sich der 46-Jährige nach acht Siegen in acht Spielen mit einer Leg-Bilanz von 25:5 durch. Für alle Dart-Laien: Legs sind Durchgänge, in denen die Spieler die Ausgangspunktzahl 501 so schnell wie möglich auf null reduzieren müssen. Beim Turnier in Steinfurt benötigte man drei Gewinn-Legs, um das Spiel für sich zu entscheiden. Das Finale wurde dann gemäß der Best-of-Seven Spielweise mit vier Gewinn-Legs ausgetragen.
Hohe Leistungsdichte
Sven Hilling gab im gesamten Turnierverlauf also nur fünf Legs ab. Eine Duftmarke, die ihn selbst am meisten erstaunte: „An diesem Tag hat einfach alles gepasst, das war ein Traum. Ich hatte mir zwar etwas ausgerechnet, aber es ist schwierig, das auch umzusetzen.“ Was ist also das Erfolgsgeheimnis dieses Dart-Emporkömmlings? Eine einfache Erklärung hat Sven Hilling dafür auch nicht. Stattdessen holt er bei den Besonderheiten dieser Sportart aus: „Beim Dart kommt es immer auf die Tagesform an. An einem guten Tag kann fast jeder jeden schlagen, unabhängig davon, wie lange man schon Dart spielt. Die Leistungsdichte ist sehr hoch“, erklärt er.
Aufgrund dieser breiten Spitze sei es wichtig, in den Spielen seine Emotionen im Griff zu haben: „Man muss auch in schwierigen Phasen die Ruhe bewahren. Wenn man sich aufregt, macht das den Gegner stark. Ich hatte im Finale auch die Situation, dass ich früh 3:0 geführt habe und mein Gegner dann nochmal rangekommen ist. Aber da musst du zumindest äußerlich cool bleiben.“ Hinzu komme aber natürlich auch tägliches Training, mindestens eine Stunde pro Tag. „Ich habe mir mal einige Methoden angelesen, wie man besser werfen kann. Als ich das dann umgesetzt habe, hatte ich zwar Muskelkater an Stellen, wo ich nicht einmal wusste, dass ich da Muskeln habe. Aber aktuell funktioniert das ganz gut“, sagt Sven Hilling
Hilling ist auf Sponsorensuche
Dass er sich nach derart kurzer Zeit bereits auf Augenhöhe mit Deutschlands Spitzenspielern befindet, zeigt aber nicht nur sein Ü40-Titel. Darüber hinaus machte Sven Hilling auch mit Siegen gegen den aktuellen Deutschen Meister der altersunabhängigen Klasse und zwei Weltmeisterschaftsteilnehmer auf sich aufmerksam. Hin und wieder ärgert sich Sven Hilling daher schon, dass er sein Talent nicht früher entdeckte. Doch hadern hilft nicht, stattdessen setzt er sich lieber ehrgeizige Ziele für die Zukunft.
Eines davon ist die Q-School der PDC im Januar. Dort werden vier Plätze für die Europa-Tour der PDC vergeben. „Einen dieser Plätze zu bekommen, wäre ein Traum“, sagt Sven Hilling der aufgrund des hohen Startgeldes (450 Pfund) aktuell auf der Suche nach Sponsoren ist. Realistischer sei jedoch das Szenario, durch die Teilnahme an der Q-School (unabhängig von der Abschlussplatzierung) weitere Qualifikationsturniere für einzelne Tour-Veranstaltungen zu spielen. Auf der Tour würden dann sogar Duelle mit europäischen Spitzenspielern wie Michael van Gerwen oder Gary Anderson winken. Es wäre eine weitere Sprosse auf der Erfolgsleiter des Sven Hilling, die vor drei Jahren mal auf einem Balkon in Gelsenkirchen-Rotthausen begann.