Madrid. .

Manche Bilder werden vom Zufall gemacht. Dieses zum Beispiel: Cristiano Ronaldo und Julian Draxler standen nach dem Spiel Rücken an Rücken in der Interview-Zone. Ronaldo hatte sich eine Dreiviertelstunde nach dem Abpfiff schon ordentlich in Schale geworfen. Er trug Designer-Jeans und Schuhe, die in der Dunkelheit hell glitzerten. Draxler trug Schalker Trainingskleidung. Man kam in diesem Moment nicht um die Feststellung umhin: Schalke wirkte brav im Vergleich zu den Königlichen von Real Madrid. Einfach und vielleicht auch etwas bieder. Doch diese Bodenständigkeit, die schon an der Kleidung zum Ausdruck kam, muss überhaupt nichts Schlechtes sein. Bei Schalke ist sie sogar eine Tugend.

Acht von elf aus der eigenen Jugend

Dass acht von elf Spielern, die am Dienstagabend bei der 1:3-Niederlage gegen Real Madrid im Estadio Santiago Bernabeu zu Beginn auf dem Platz standen, in der Schalker Jugendabteilung ausgebildet wurden, machte dieses chancenlose Scheitern in der Champions League etwas erträglicher. So deutlich Real Madrid mit 9:2 Toren im Gesamtvergleich von Hin- und Rückspiel überlegen war, so sehr durften sich die Gäste aus Gelsenkirchen mit der Hoffnung auf die Zukunft trösten. Kein anderer Verein setzt auf diesem hohen Niveau so stark auf Spieler aus dem eigenen Nachwuchs. „Andere reden davon, jungen Talenten eine Chance zu geben. Wir setzen es um“, sagt Manager Horst Heldt. Mit Kaan Ayhan, einem in Gelsenkirchen geborenen Deutsch-Türken, erlebte in Bernabeu ein 19-Jähriger sogar sein Startelf-Debüt. „Alle Achtung“, lobte Trainer Jens Keller den Mittelfeldspieler, der fast kein Lampenfieber zeigte und dafür später eine einfache Erklärung hatte: „Ich wusste, dass ich hier nicht viel zu verlieren hatte.“

Kaan Ayhan ist nach Sead Kolasinac und Max Meyer der dritte Spieler, der mit dem FC Schalke 2012 Deutscher A-Jugend-Meister wurde und nun bei den Profis Fuß gefasst hat. Auf Schalke bekommen die Talente sehr früh eine Perspektive aufgezeigt, und das rentiert sich in vielerlei Hinsicht. Erst in der vergangenen Woche wurden mit Marvin Friederich, Pascal Itter und Donis Avdijaj die nächsten drei Schalker Talente mit Profi-Verträgen ausgestattet. „Es hilft, wenn man vom Vorstand früh gesagt bekommt, dass der Verein auf die Jugend setzt“, erklärt Ayhan. Auf der Fahrt ins Bernabeu sei es sogar im Mannschaftsbus ein Thema gewesen, dass acht Eigengewächse für die Startelf nominiert waren. „So etwas erlebt man bei keinem anderen Verein in Europa“, schwärmt Ayhan: „Darauf kann man stolz sein.“

Dieser Aspekt, dass die Zukunft Verheißungsvolles bringen mag, überdeckte ein wenig die Bewertung des Alltags: Unterm Strich musste Schalke wie schon beim Hinspiel (1:6) erkennen, dass Real Madrid in einer ganz anderen Welt zu Hause ist - selbst dann noch, wenn bei den Königlichen mit Blick auf den am Sonntag anstehenden Clasico gegen den FC Barcelona die Hälfte der Stars geschont wird. Auf höchstem Niveau konnte in beiden Spielen nur Torwart Ralf Fährmann mithalten - auch einer aus der Knappenschmiede und mit seinen Leistungen dafür verantwortlich, dass auf Schalke inzwischen wirklich niemand mehr Manuel Neuer hinterher trauern muss.

Schalke hatte in Madrid versucht, den Spagat zwischen einem ordentlichen Abschied aus der Champions League und einer möglichst sorgenfreien Vorbereitung auf das wichtige Bundesliga-Heimspiel am Samstag gegen Eintracht Braunschweig zu schaffen. Während das erste Vorhaben aufgegangen ist, muss das zweite als gründlich missraten bezeichnet werden: Denn Kapitän Benedikt Höwedes erlitt eine Muskelverletzung und dürfte damit drei bis vier Wochen ausfallen. „Für uns katastrophal“, klagte Horst Heldt: „Jetzt haben wir neun Verletzte - das ist einfach Wahnsinn.“ Weil Kyriakos Papadopoulos als denkbarem Ersatzmann nach seiner langen Pause noch so eine Menge fehlt, hat Heldt eine andere Idee, wer Höwedes im Abwehrzentrum ersetzen könnte: Kaan Ayhan, der auch das Spiel in der Innenverteidigung beherrscht. Einmal bei den Profis angekommen - und jetzt schon so wichtig.