Gelsenkirchen. . Erika Rost vollendet am Samstag ihr siebtes Lebensjahrzehnt. Sie ist immer noch die schnellste Schalkerin aller Zeiten. Sieben Deutsche Meistertitel und 18-mal für Deutschland am Start.

Es gab mal eine Zeit, in der der FC Schalke 04 nicht nur mit seinen Fußballern überregional für großes Aufsehen sorgte. Die Leichtathletik stand einst ebenfalls in voller Blüte, und ein Name wird auf ewig untrennbar mit dieser glanzvollen Vergangenheit verbunden bleiben: Erika Rost, die sich unter ihrem Geburtsnamen Erika Pollmann zu einer Klasse-Sprinterin über 100 Meter und 200 Meter entwickelte. Die einst schnellste Frau Gelsenkirchens wird an diesem Samstag stolze 70 Jahre alt.

Sieben Deutsche Meistertitel, drei Deutsche Vize-Meisterschaften, sechs Westdeutsche Meisterschaften und 17 Westfalenmeistertitel – das sind die bloßen Fakten, mit denen Erika Rost vor allem zwischen 1959 und 1968 neue Maßstäbe setzte. Zudem ging sie in 18 Länderkämpfen für Deutschland an den Start.

Ein einmaliges Erlebnis

Und nicht zu vergessen: Im Oktober 1964 nahm sie an den Olympischen Sommerspielen in Tokio teil. Erika Rost durfte sich durchaus Hoffnungen auf eine Medaille machen, zumindest in der 4-mal-100-Meter-Staffel. Aber alle Träume von Gold, Silber oder Bronze zerrannen im Nichts. „Im entscheidenden Moment haben bei mir die Nerven versagt“, erinnert sich die damals 20-Jährige. Im Einzel-Wettkampf über 100 Meter legte sie zwei Fehlstarts hin - und schon war ihr erster Auftritt vorbei. Über 200 Meter kam das Aus im Vorlauf, und in der Staffel musste sie sich gemeinsam mit Karin Frisch, Martha Pensberger und Jutta Heine mit dem fünften Platz begnügen.

„Trotzdem war die Zeit in Tokio ein einmaliges Erlebnis“, sagt Erika Rost. Ein Erlebnis, das sie zeitlich noch etwas ausdehnte. Nach Abschluss der Spiele ging sie in einigen weiteren Wettkämpfen in Japan und in Hongkong an den Start. Dass sie das über mehrere Wochen so machen konnte, hatte sie auch ihrem großzügigen Arbeitgeber zu verdanken: Glas + Spiegel, einer inzwischen nicht mehr existierenden Glasfabrik in Gelsenkirchen, wo sie als kaufmännische Angestellte tätig war. Dort sorgte vor allem der Prokurist Günter Heymann dafür, dass ihr Sport nicht allzu sehr unter der beruflichen Beanspruchung litt.

1964 war trotz des Missgeschicks in Tokio eines der erfolgreichsten Jahre von Erika Rost. Zwei Monate vor Beginn der Olympischen Spiele wurde sie im Berliner Olympiastadion über 200 Meter erstmals Deutsche Meisterin im Erwachsenenbereich, nachdem sie in den Jahren zuvor zweimal als Jugendliche und einmal als Juniorin national triumphiert hatte. 1965, dem Jahr ihrer Hochzeit, wiederholte sie im Duisburger Wedaustadion ihren Erfolg über 200 Meter und gewann zudem die 100 Meter. Zwei Jahre später errang sie zudem in Dortmund den Deutschen Hallenmeistertitel über 60 Meter.

An der Spitze der vereinsinternen Rekordliste

Mit ihren persönlichen Bestzeiten rangiert Erika Rost in den Chroniken des FC Schalke 04 immer noch an erster Stelle der vereinsinternen Rekordliste: 11,5 Sekunden über 100 sowie 23,9 Sekunden über 200 Meter (1964).

Auch in den Staffel-Wettbewerben gab es noch kein königsblaues Damen-Quartett ohne Erika Rost, das schneller gelaufen ist: 36,58 Sekunden über 4-mal-100-Meter sowie 3:50,93 Minuten über 4-mal-400-Meter.

Trotz ihrer großen Erfolge kam Erika Rost nie ernsthaft in den Sinn, sich einem der ganz großen Leichtathletik-Klubs anzuschließen. „Das war damals eine andere Zeit“, sagt sie rückblickend. „Damals hat man noch nicht so häufig den Verein gewechselt. Außerdem habe ich mich bei Schalke 04 immer wohl gefühlt.“

Durch ihren Sportlehrer Günter Sporn von der Comenius-Schule an der Caubstraße kam sie im Alter von 15 Jahren in den Verein. 13 Jahre später, nachdem sie die Olympischen Spiele 1968 in Mexiko-City verpasst hatte, beendete sie erstmals ihre Karriere. 1976 fing sie wieder an, und auch im für Sprinterinnen gesetzteren Alter war sie immer noch sehr flott auf den Beinen. Bei den Deutschen Seniorenbestenkämpfen staubte sie in ihrer Altersklasse reihenweise erste Plätze ab, auch über die von ihr nicht so geliebten 400 Meter. In der Ende 1981 veröffentlichen Weltjahresbestenliste stand sie in der W35 mit 11,6 Sekunden über 100 Meter an erster Stelle. Ein Jahr zuvor war sie zu Gelsenkirchens Sportlerin des Jahres gewählt worden. 1986 hängte sie die Spikes dann endgültig an den Nagel.

Daumendrücken in der Arena

Wenn Erika Rost von früher erzählt, müssen sich heutige Spitzen-Leichtathleten wie in der Steinzeit fühlen. „Damals haben wir nur dreimal in der Woche trainiert. Hinzu kamen die Lehrgänge am Wochenende“, sagt sie. Die Zeiten wurden anfangs noch mit der Hand gestoppt. Ihre Sprints legte Erika Rost auf Asche hin, meistens am Schürenkamp, aber auch in der Glückauf-Kampfbahn. Auf Kunststoffbahnen hat sie erst im 1973 eröffneten Parkstadion trainiert.

Auch mit sieben Jahrzehnten in den Knochen versucht sich Erika Rost immer noch fit zu halten. Sie joggt, macht Reha-Sport und betreibt Wasser-Gymnastik. „Gesundheitlich geht es mir ganz gut“, sagt sie. „Nur mit den Gelenken habe ich manchmal Last.“

Kontakt zu den heutigen Schalker Leichtathleten hat sie kaum noch. „Es sind jetzt andere Leute da“, sagt sie. „Nur den Gerd Peine kenne ich noch von ganz früher.“ Wesentlich häufiger ist sie hingegen in der Veltins-Arena anzutreffen, um den Fußballern der Königsblauen die Daumen zu drücken. „Am Freitag in einer Woche bin ich gegen Mainz in der Südkurve mit dabei“, erzählt sie. Aber vorher feiert sie an diesem Samstag ihren 70. Geburtstag, der mit einem Schalker Sieg bei Bayer 04 Leverkusen für Erika Rost sicherlich noch ein kleines Stück angenehmer werden würde.