Buer. . Nach 23 Jahren als Vorsitzender des Kreises Gelsenkirchen, Gladbeck, Kirchhellen sowie 59 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit wird Manfred Wichmann am 4. März nicht mehr kandidieren. „Ehe sie mich wegschicken, gehe ich lieber selbst“, sagt der 75-Jährige.
„Niemals geht man so ganz“, sang Trude Herr mit Tommy Engel und Wolfgang Niedecken. Und Manfred Wichmann wird sich auch nicht vom Fußball verabschieden – jedenfalls nicht so ganz. „Aber ehe sie mich wegschicken, gehe ich lieber selbst“, sagt er. So wird er am 4. März nicht mehr als Vorsitzender des Fußball-Kreises Gelsenkirchen, Gladbeck, Kirchhellen kandidieren – Schluss nach 23 Jahren an der Spitze des Kreises und nach 59 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit.
Da kommt doch Wehmut auf? Manfred Wichmann schmunzelt. „Ich will nicht mit diesem Amt ins Grab kommen“, sagt er. Und er macht dann auch gar kein Geheimnis daraus, dass dieser Abschied für ihn eine der leichteren Aufgaben ist. Die Entwicklung zuletzt hat dem 75-Jährigen nicht mehr wirklich gefallen. Zum einen sei da die Technik, immer mehr komme der Computer zum Einsatz. „Darauf habe ich auch keine Lust mehr“, sagt Manfred Wichmann. Zum anderen sei da der mittlerweile sehr schlechte Stellenwert des Amateursports – besonders in Gelsenkirchen. „Ehrenamt? Wer will das denn machen?“, fragt der Noch-Kreischef. „Und Sponsoren? Die gibt es nicht. Nur für Schalke. Gucken Sie doch mal aufs Land, zum Beispiel nach Heiden. Die haben wunderschöne Anlagen und ihre Bauern.“
Traute Idylle, könnte man auch sagen. Schaut Manfred Wichmann auf die Klubs seines Kreises, macht er sich Sorgen. „Manche Vereine leben von nur zwei Mitarbeitern“, sagt er. „Und die sollen sich auch noch qualifizieren. Ich weiß gar nicht, wie das gehen soll.“ Und über diesen Rüffel eines sehr erfahrenen Mannes sollten die Verantwortlichen jenes Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen vielleicht einmal nachdenken.
Hat er da gerade etwa auch ein bisschen über den FC Schalke 04 geschimpft? Aber er ist doch Fan? „Ja sicher“, kommt als Antwort in Höchstgeschwindigkeit. „Ist doch jeder hier.“ Und Manfred Wichmann, der zwischen 1968 und 1981 als Schiedsrichter in der 1. und 2. Bundesliga unterwegs war und Beckenbauers sowie Schwarzenbecks neben sich hatte, ist seit vielen Jahren ganz nah dran. Schon seit 1972 betreut er alle Gespanne bei internationalen Partien in Gelsenkirchen – also auch den Länderspielen – und inzwischen seit mehr als 30 Jahren die Unparteiischen, die die Meisterschaftsspiele des FC Schalke 04 leiten. „In der ganzen Zeit habe ich nur ein Spiel verpasst“, sagt er. Apropos: 3800 Euro erhält ein Bundesliga-Schiri für einen Einsatz. „Wir haben damals 24 Mark pro Tag bekommen, und drei Tage durften wir abrechnen“, sagt Manfred Wichmann. Macht 36,81 Euro. „Ehe wir am Spielort ankamen, waren die schon ausgegeben.“
Ehrenmitglied der SSV Buer
Klar: Wenn einer Abschied nimmt, darf die Frage nach den schönsten Erlebnissen nicht fehlen. „Es war nicht alles schön“, sagt Manfred Wichmann aber erst einmal und denkt zum Beispiel an Anfang 2009, als der Fußball-Kreis Gelsenkirchen, Gladbeck, Kirchhellen die Keimzelle des Aufstandes der Amateure gegen das Sonntag-Spiel in der Bundesliga um 15.30 Uhr war. „Der Protest war gut, aber leider nicht erfolgreich“, sagt der Vorsitzende. „Es ist gut, dass es so etwas gegeben hat; auch wenn ich dadurch ein bisschen in Misskredit geraten bin, auch bei Schalke.“
Und die schönen Fußball-Erlebnisse? Davon gibt es einige: als es beim FC Bayern München nicht nur Fußball, sondern sozusagen als Rahmenprogramm auch noch Fasching oder Oktoberfest gab; als er am 2. Mai 1984 im Parkstadion das Schalker 6:6 nach Verlängerung gegen Bayern München und seinen Kollegen Wolf-Günter Wiesel an der Pfeife im Pokal-Halbfinale erlebte; oder als er als Linienrichter des Gespannes von Manfred Weilandt unter anderem in Athen oder Kairo war. „Ich reise sehr gerne“, sagt er. Und er will unbedingt mal nach Graz. „Ich gehe gerne und viel ins Theater. Langeweile werde ich mit Sicherheit nicht bekommen. Ich bin auch noch Opa geworden, und da muss ich ja hin und wieder zu meiner Tochter nach Stuttgart.“
Und er ist Hobby-Koch – geprägt von seiner Kindheit, dem katholischen Ermland in Ostpreußen. Nicht zuletzt deshalb hat er zum Ende seiner Lehrer-Laufbahn an der Bottroper Willy-Brandt-Gesamtschule neben Deutsch, Wirtschaftslehre und Sport auch Haushaltslehre unterrichtet. „Am liebsten mache ich Königsberger Klopse“, sagt er.
Als Schiedsrichter-Betreuer wird Manfred Wichmann auch in Zukunft zu sehen und zu erleben sein. „Ich möchte nicht gleich von 100 auf null“, erklärt er. Und deshalb ist eine Mitgliedschaft beim FC Schalke 04 nach wie vor ausgeschlossen; sonst nämlich dürfte er bei Champions-League-Heimspielen der Königsblauen nicht als Betreuer der Unparteiischen auftreten. Und wer weiß? Vielleicht lässt er sich ja demnächst auch häufiger bei seiner SSV Buer sehen, deren einziges Ehrenmitglied er ist und bei der 1954 – damals noch bei den Spfr. Buer – alles begonnen hat.
Seine Frau Inge würde es wohl verkraften. „Sie ist das doch schon vor mir gewohnt gewesen“, sagt Manfred Wichmann und schmunzelt. „Sie hat das deshalb immer ertragen, weil mein Schwiegervater Schiedsrichter-Obmann von Gelsenkirchen war und auch in der 2. Liga pfiff.“ Nämlich der 2011 im Alter von 90 Jahren gestorbene Werner Oelmann. Vorwürfe, erzählt er, hätten ihm seine Kinder Nicole und Christoph gemacht. Wie? „Sie haben gesagt: Du hast uns nicht erzogen, du warst ja nie zu Hause.“ Es vergeht ein Moment, ehe Papas Stolz zu hören ist. „Aber trotzdem ist aus ihnen was geworden.“