Gelsenkirchen.

Als der schwer erkämpfte 1:0 (0:0)-Sieg im Sonntagabend-Spiel feststand, mit dem Borussia Mönchengladbach schon wieder von der Spitze geholt wurde, machte sich auf der Nordtribüne schnell Trotz breit: „Die Nummer eins im Pott sind wir“, hallte es tausendfach aus den Fankehlen. Welch eine Befreiung! Und man kann sich vorstellen, wie sich die königsblauen Anhänger von der Dominanz ihres Nachbarn, der inzwischen als Deutscher Meister firmiert, in der vergangenen Saison unterjocht fühlten.

Inzwischen macht der Blick auf die Tabelle wieder Spaß, auch wenn man Momentaufnahmen sicherlich nicht überbewerten will. Kapitän Benedikt Höwedes sprach jedenfalls vielen aus der Seele: „Nach vier Spieltagen ist es meiner Meinung noch viel zu früh, um über Platzierungen zu sprechen. Wir spielen momentan einen guten Fußball, aber dürfen jetzt nicht nachlassen.“

Das taten sie auch gegen Mönchengladbach nicht, dem Tabellenführer merkte man zumindest in der ersten Hälfte das erstaunlich gewachsene Selbstbewusstsein an. In atemberaubender Hochgeschwindigkeit ging es in den ersten 45 Minuten durch das Mittelfeld, die Gäste schienen immer einen Mann mehr im Umkreis des Balles auf dem Feld zu haben. Alles, was der überragende Marco Reus auch anpackte, gelang. Darum irritierte später die Aussage von Trainer Lucien Favre: „Das technische Tempo war zu hoch für uns.“ Damit konnte der Schweizer aber nur die Entwicklung nach der Pause gemeint haben.

In Übereinstimmung mit den Zuschauern stellte er aber auch fest, dass „der letzte Pass in die Spitze gefehlt hat“. So musste Schalke-Torhüter Ralf Fährmann nur zweimal, dann aber richtig zur Stelle sein: Einmal gegen den Abschluss von Juan Arango (8.), dann noch gegen den Ex-Schalker Mike Hanke (20.), beides Mal prächtig in Szene gesetzt von – wem sonst? – Marco Reus.

Und die Schalker? Die bündelten ihre Kräfte, weil sie offensichtlich nicht wussten, wie viele Körner sie am Donnerstag gegen Helsinki verloren hatten. Auch Klaas-Jan Huntelaar, der auffälligste der letzten beiden Partien, verordnete sich vor dem Gästetor diesmal eine Schonung und gab später offen zu: „Wir haben am Donnerstag viel Kraft verloren, und das konnte man heute merken. In den ersten 45 Minuten haben wir gut gestanden, aber nicht viel nach vorne gemacht.“

Doch Fußballspiele bleiben ein ewiges Rätsel. Sollte man geglaubt haben, die frischere Mannschaft sei am Ende die ausgeruhtere, der sah sich getäuscht. Gladbach verzettelte sich immer mehr in Einzelaktionen, weil auch Reus endlich müde wurde, und auf Schalker Seite gab es ein paar Dauerläufer (Huntelaar, Raúl), die nicht zufällig auch am Tor des Abends beteiligt waren: Eine Flanke von Jefferson Farfán verlängerte Kyriakos Papadopoulos an den Fünfmeterraum, dort legte Huntelaar quer auf Raúl, der dann mit Torhüter Marc-André ter Stegen Dreiband-Billard spielte: Zweimal scheiterte der Spanier bei Schussversuchen mit rechts an der Faust des Keepers, beim dritten Versuch mit links bugsierte er die Kugel schließlich über die Linie (65.).

Was Trainer Ralf Rangnick danach ebenso freute wie der knappe Sieg und Rang zwei in der Tabelle, war die Tatsache, dass die Null diesmal hinten stand: „Wir haben relativ wenig Chancen zugelassen, das haben die Jungs richtig gut gemacht heute, wir haben viel gegen den Ball gearbeitet.“ Und das mit einer Änderung hinten rechts: Für Marco Höger spielte diesmal Atsuto Uchida von Beginn an. „Er scharrte schon seit Wochen mit den Hufen“, meinte Rangnick schmunzelnd.