Manuel Charr will ganz nach oben. Der Schwergewichtsboxer aus dem Universum-Stall hat die Weltspitze im Blick. Irgendwann will er gegen Wladimir Klitschko in den Ring steigen. Der, so sagt er, liegt ihm.
„Ich bin kein Klammeraffe. Ich gehe nach vorne. Damit kommt er nicht klar. Wladimir ist kein Nahkämpfer. Aber das ist mein Ding. Mann gegen Mann – da war ich immer erfolgreich“, erzählt Manuel Charr selbstsicher. Sein Handwerk lernte er beim BC Erle unter Michael Kopzog. Doch die Amateur-Laufbahn war erschwert.
In jungen Jahren war Charr mit der Mutter und fünf Geschwistern aus Syrien nach Deutschland gekommen. Der Vater war früh verstorben, das Bleiberecht nicht sicher. Der junge Boxer durfte nur bis zur Westdeutschen Meisterschaft kämpfen. Der 1,92-Meter-Mann wurde zunächst professioneller Thai-Boxer, wurde 2003 Deutscher Meister und absolvierte 17 Kämpfe und wurde 2005 I.K.B.O. Europameister. Parallel dazu erhielt er, nach nur 13 Amateurkämpfen, die Chance, sich beim Sauerland-Stall vorzustellen.
Manuel Charr wusste, diese Minuten würden über sein weiteres Leben entscheiden. Er reiste nach Berlin. Dort bereitete sich Nikolai Valuev gerade auf einen Kampf vor und suchte Sparrings-Partner. „Ich wusste gar nicht, wer das ist“, erinnert sich Charr lachend. „Und dann kommt da ein Mann rein, der ist ein Riese. Aber ich habe es überstanden. Ich wollte zeigen, was Ruhrpott-Kämpfer drauf haben. Das war mein Einstieg ins Profigeschäft. Das war mein Weg fort von der Straße, weg vom Sozialamt.“
Bei Sauerland wurde Manuel Charr von Ulli Wegener trainiert, nach dem Wechsel zu Universum im Jahr 2008 dann zunächst von Fritz Sdunek und heute von Michael Timm. „Ich hatte die besten Trainer Europas“, weiß das Schwergewicht diese gute Ausbildung zu schätzen.
Gerade bereitet sich Manuel Charr auf einen Aufbaukampf im Oktober vor. Acht Monate musste er pausieren, weil er im Winter bei Glatteis stürzte und sich einen Kniescheibenbruch und einen Kreuzbandriss zuzog. Jetzt kann er es kaum mehr abwarten, wieder in den Ring zu steigen. Denn für das kommende Jahr steht der Kampf um die Europameisterschaft an. „Ich will angreifen. Die ganze Schwergewichtsszene und die Klitschkos. Ich bin jetzt der Hoffnungsträger in Europa.“
Demnächst wird Manuel Charr die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen. Dann hätte endlich wieder eine Schwergewichts-Hoffnung einen deutschen Pass. Für den Boxer ist das eine Frage der Ehre. „Ich stehe auf deutschem Boden, also kämpfe ich für Deutschland.“
Manuel Charr ist Boxer durch und durch. Aber er macht sich auch für eine andere Herzenssache stark. Das Schwergewicht weiß, dass nicht alle Menschen mit Migrationshintergrund so viel Glück haben. „Mein Leben lang habe ich mich durchgeboxt. Ich habe früh gelernt, Geld zu machen. Egal wie. Aber man lernt aus seinen Fehlern. Ich will jetzt anderen zeigen, es gibt immer einen guten Weg, es zu schaffen. Die Bildung ist dabei sehr wichtig. Mir wurde diese leider verwehrt. Deswegen bin ich den Weg des Sports gegangen.“ Immer wieder besucht Manuel Charr Jugendeinrichtungen und den Jugendknast. Dort spricht er mit den jungen Menschen.
Die Schwergewichtshoffnung will Hoffnung geben, auf ein besseres Leben in der Mitte der Gesellschaft und nicht an deren Rand. „Man muss viel reden. Das hilft. Die Jugendlichen müssen eine Chance bekommen. Und ich will ihnen zeigen, dass man es als Ausländer in Deutschland schaffen kann. Ich will geschlossene Augen öffnen.“