Region. Die Heim-EM hat das Interesse am Handball befördert. So sieht der Handballkreis Industrie die derzeitige Entwicklung
Die Handball-Europameisterschaft war auch ein Turnier der Bilder. Von der Düsseldorfer Arena vor Weltrekordkulisse, über den enttäuschten Juri Knorr, der nach dem Halbfinal-Aus das Gesicht in den Händen verborgen hatte, oder Nikola Karabatic, der seiner bald endenden Weltkarriere mit dem EM-Titel noch ein Kapitel hinzufügte. Das Turnier in Deutschland war ein Erfolg, so hieß es schon vor dem Finale am 28. Januar.
„Die beste EM der Geschichte“ sei es gewesen. Die vielen Zuschauer, allein davon 53.568 beim Deutschen Auftakt in Düsseldorf, trugen ihren Teil zum Turnier bei. Immer wieder fingen die Fernseh-Kameras auch Kinder ein, die auf den Rängen mitjubelten und ihre Fahnen schwenkten. Vielleicht war der nächste Johannes Golla, die nächste Alina Grijseels dabei. Denn auch sie haben irgendwann mal angefangen.
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Nach der Heim-EM kam schnell die Frage auf. Gibt es nun einen Handball-Hype, einen Boom in den Vereinen, ihren Nachwuchsabteilungen und Mannschaften? Wie schon die Basketballer im vergangenen Jahr erhofften sich die Klubs von dem guten Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft sicherlich einen Mehrwert für die eigene Arbeit. Gesteigertes Interesse, Aufmerksamkeit und im Endeffekt auch neue Mitglieder. Der Handballkreis Industrie (HKI) geht das Thema allerdings mit Vorsicht an. „Es ist noch zu früh, um darüber zu sprechen“, sagt Holger Kück, Vorsitzender des Handballkreises. „Das muss jetzt erstmal sacken.“
Jugendwart Bolte: Fehlende Hallenzeiten und Ehrenamtler sind ein Problem
Der Informationsfluss aus den Vereinen in den Kreis sei gering. Zwar gebe es nach Hörensagen immer wieder Fälle, in denen „Vereine die Halle in der D- und E-Jugend voll haben“, sagt Kück. Das kann HKI-Jungenwart Andre Bolte bestätigen. „In den unteren Jahrgängen, wie in der E-Jugend hatten wir als Langzeitfolge von Corona einen gigantischen Aufwuchs“, berichtet er. Auch ohne die Europameisterschaft kam es sogar in kleineren Vereinen teilweise zu Aufnahmestopps. Eine flächendeckende Beobachtung ist das allerdings nicht, sondern nur die Spitzen auf dem Handball-EKG. „Wir können aktuell nur schwierig beurteilen, wie sich die EM auswirken wird“, sagt Bolte.
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Ein Problem bricht sich aber auch schon ohne Hype seine Bahn. Die fehlenden Hallenzeiten. „Viele Vereine würden gerne mehr Training anbieten, können es aber nicht“, sagt Bolte. Diese Klage höre er von vielen Vereinen im Kreis. Darüber hinaus, je mehr Kinder, Jugendliche oder Erwachsene in einem geregelten Sportbetrieb Handball spielen wollen, je größer wird der Aufwand. Und da hakt es erneut. Es fehlen qualifizierte Trainer, Schiedsrichter, Zeitnehmer, oder im Grunde: Ehrenamtler. Deren Zahl ging vor allem durch die Pandemie herunter. Einige tauschten die Wochenenden in der Halle gegen andere Freizeitbeschäftigungen oder schlichtweg ein neues Hobby. Das Problem im Handball liegt derzeit also nicht auf der Ebene der Spieler und Spielerinnen, sondern eine darüber.
Kaum noch Trainer aus dem Kreis: Vereine sind in der Verantwortung
„Es ist eine Herausforderung. Man muss sich auf den Hype einstellen“, sagt Kück. Bei der Ausbildung der Trainer sieht er die Vereine in der Verantwortung. Im Kreis sind sei die Ausbildung derzeit etwas eingeschlafen. Einen vollen Lehrgangsraum habe es in der jüngeren Vergangenheit eher selten gegeben. „Die Nachfrage nach Plätzen ist derzeit nicht so hoch“, berichtet er. Mehr als das Angebot zur Qualifizierung bereitzustellen, könne der Kreis nicht machen. Die „Leuchtturmveranstaltung“ des Deutschen Handball Bundes bei der EM, bei der in fünf Städten insgesamt 1000 Menschen zu Kinderhandballtrainern ausgebildet wurden, sei „eine tolle Idee und ein guter Ansatz, die eigentliche Arbeit wird im Kreis gemacht“.
Für einen möglichen Zuwachs an Mannschaften sieht sich der HKI gerüstet. Die Struktur könne das durchaus verkraften, meint Bolte. „Der Aufwachs von unten ist ja schon sichtbar.“ In den letzten Jahren sei man durch einen kleinen Einbruch in den älteren Jahrgängen etwas geschrumpft. „Wir würden dann einfach zu den alten Zahlen zurückkehren. Die Einteilung der Staffeln und Ligen wäre kein Problem.“
Der Kreis hat die langfristige Entwicklung im Blick; ein Boom oder ein Hype sind da doch nur kurzfristige Phänomene. „Der Fußball steht ja jetzt auch wieder vor der Tür“, sagt Kück. Wie viel nun dran ist an dem EM-Effekt „wird die Zeit zeigen“, betont er noch mal. Dass es im Handballkreis auch vor der Europameisterschaft ganz gut um die Jugend bestellt war, dürfte nicht nur im Kreis für Freude sorgen. Aber Andre Bolte zitiert seinen Vorsitzenden nur zu gerne: „Es ist gerade ein zartes Pflänzchen, was entsteht. Man muss sich drum kümmern und darf es nicht zertrampeln.“