Berlin/Gelsenkirchen. Die Augen sind verbunden, der Ball rasselt. Willkommen in der Bundesliga – allerdings der blinden Menschen. Schalke hat sogar Frauenpower im Team.
Die Bundesliga-Saison ist eröffnet. Eine Woche nach dem Start der Profis von Bayern München, Borussia Mönchengladbach und Co. haben auch die Blindenfußballer die Spielpause beendet. Mit einem Doppelspieltag der acht teilnehmenden Teams ging es am 21. und 22. August in Berlin los.
Am Westufer in der Bundeshauptstadt war auch Katharina Kühnlein am Ball. Die Kickerin des FC Schalke 04 ist zwar nicht die einzige Frau in der Blindenfußball-Bundesliga, aber die einzige, die auch regelmäßig zum Einsatz kommt. Die 23-Jährige erzählt im folgenden Gespräch, wie sie zum Blindenfußball kam und warum sich Schalke ein an sich schönes Wochenende in Berlin ziemlich verhagelte.
Frau Kühnlein, das war ja kein guter Auftakt für den FC Schalke 04 in die Saison!
Katharina Kühnlein: Nein! Leider haben wir am Samstag das erste Spiel gegen Borussia Dortmund mit 0:3 verloren. Das war völlig unnötig, denn ich fand, dass wir besser waren, haben uns aber leider alle drei Gegentore durch Standardsituationen gefangen.
Ist eine Derbyniederlage unter Schalkern und Dortmundern im Blindenfußball genau so schlimm wie bei den Profis?
Ich kann das schlecht vergleichen, sondern nur beurteilen, wie sich das für uns anfühlt. Also: Ja, eine Derbyniederlage tut auf jeden Fall mehr weh als gegen andere Gegner.
Das zweite Spiel gegen den FC St. Pauli ging sogar mit 0:8 verloren! Was war denn los mit Schalke?
Wir haben leider nicht das auf den Platz gekriegt, was wir uns vorgenommen hatten. Ich denke, dass es auch daran lag, dass wir unser System umgestellt haben. In der vorvergangenen Saison, bevor wegen Corona der Trainings- und Spielbetrieb eingestellt werden musste, haben wir im 2-2 gespielt. Jetzt haben wir es im 3-1 versucht, also mit drei Leuten hinten deutlich defensiver. Das ist leider missglückt. Man muss aber auch zugeben, dass St. Pauli sehr stark ist und zusammen mit Stuttgart sicher zu den Favoriten auf die Meisterschaft zu zählen ist.
Wie lief auf Schalke die Vorbereitung auf die Blindenfußball-Bundesliga?
Wir konnten nach der langen Pause erst vor gut einem Monat mit dem Training anfangen. Man muss wissen, dass wir fast eineinhalb Jahre komplett raus waren. Wir haben zwar, wie die meisten anderen Fußballer sicher auch, online etwas gemacht, aber das ist ja nicht vergleichbar mit Fußball auf dem Platz. Uns ist das Ballgefühl verloren gegangen, das, was sonst fast wie im Schlaf funktioniert, war weg.
Wie sind Sie denn zum Fußball gekommen?
Ich habe schon als kleines Kind angefangen, Fußball zu spielen, und war schon mit drei im Verein. Ich bin ja in Franken in Roth in der Nähe von Nürnberg aufgewachsen und habe bis zu meinem 18. Lebensjahr ganz normal in verschiedenen Klubs bei mir in der Heimat gekickt, ehe ich mit dem Blindenfußball angefangen habe. Dort habe ich zunächst für Blista Marburg gespielt, ehe ich zum Studium nach Köln gezogen bin und mich dem FC Schalke 04 angeschlossen habe.
„Ich bin mit 1,78 Metern recht groß und zudem kräftig gebaut. Daher habe ich körperlich sogar manchmal Vorteile gegen Männer.“
Konnten Sie schon von Geburt an kaum etwas sehen?
Nein! Ich bin mit einer Sehkraft von etwa 25 Prozent auf die Welt gekommen. Leider konnte uns kein Arzt sagen, was die Ursache war, aber ich konnte einigermaßen damit umgehen. Als ich 18 war, habe ich dann über Nacht fast meine komplette Sehstärke verloren, es ist nur noch ein Rest von zwei Prozent da. Auch diesmal haben die Ärzte nicht gewusst, woran das lag, man vermutete einen Schlaganfall.
Sie sind die einzige Spielerin, die in der Blindenfußball-Bundesliga auch regelmäßig zum Einsatz kommt. Ist es nicht schade, dass die Frauen in den anderen Teams, zum Beispiel in Dortmund und St. Pauli, nur auf der Bank sitzen?
Das ist ja eine Entscheidung der jeweiligen Trainer oder anderen Verantwortlichen dort. Ich kann ja nur für Schalke oder mich speziell sprechen und denke, dass meine Leistung auf dem Platz den Ausschlag dafür gibt, dass ich regelmäßig spiele.
Wie groß ist denn im Blindenfußball der Leistungsunterschied zwischen Männern und Frauen?
Das kommt auf die Statur an. Ich bin mit 1,78 Metern recht groß und zudem kräftig gebaut. Daher habe ich körperlich sogar manchmal Vorteile gegen Männer, wenn diese kleiner und schmächtiger sind. Ich lasse mich auf dem Platz jedenfalls nicht wegdrängen, sondern kann ganz gut dagegenhalten. Im Großen und Ganzen ist der Leistungsunterschied zwischen Männern und Frauen jedoch sehr groß. Das liegt meiner Ansicht vor allem daran, dass das Thema Frauen im Blindenfußball erst seit etwa zwei Jahren Fahrt aufnimmt. Wir sind im Blindenfußball auch noch nicht so weit, dass Frauen genau so wie Männer anerkannt werden und deswegen auch nicht die gleiche Förderung erfahren. Schalke ist eines der wenigen Teams, in dem nicht aufs Geschlecht eines ,Players’ geachtet wird, sondern auf die Leistung und das Engagement.
Was machen Sie abseits des Fußballfeldes?
Ich bin beim FC Schalke 04 in der Abteilung für Nachhaltigkeit angestellt. Weil ich nicht sehen kann, hilft mir ein Screenreader-Programm, mit dem Dokumente in Sprachnachrichten umgewandelt werden. So kann ich gut arbeiten.