Gelsenkirchen. Der ehemalige S04-Profi fordert eine Rundum-Erneuerung und kann mit den Anhängern mitfühlen. Von Drohungen hält er allerdings nichts.

Vier Jahre seiner Profi-Laufbahn verbrachte Thorsten Legat beim VfB Stuttgart. Für die Schwaben absolvierte er 40 Spiele, bevor er Anfang 2000 zum FC Schalke 04 wechselte. Bei den Königsblauen musste er seine Karriere wegen anhaltender Verletzungsprobleme beenden. Auch heute noch trägt der 52-Jährige die Königsblauen noch tief in seinem Herzen. Im Interview spricht er über aktuelle Lage und seine Zeit auf Schalke.

Herr Legat, trauen Sie Schalke 04 noch den Klassenerhalt zu?

Thorsten Legat: Meines Erachtens ist Schalke noch zu retten. Ich war 15 Jahre lang Bundesligaspieler und weiß auch, was es heißt, für Schalke 04 zu spielen. Auch wenn es aktuell nicht danach aussieht, bin ich mir sicher, dass auch die aktuelle Mannschaft sich bewusst ist, für welchen Verein sie spielt. Schalke ist ein Virus, eine Religion. Aber klar ist auch, dass jeder Spieler jetzt noch einmal in den Spiegel schauen muss und sich an die Ehre packt. Es sind noch zwölf Partien, in denen muss sich jeder Einzelne zerreißen und in den nächsten Wochen nur für Schalke leben. Wenn die Spieler das beherzigen, dann können Sie noch das Unmögliche möglich machen.

Passt dieses Kumpel- und Malocher-Image noch zum Klub und vor allem zur aktuellen Mannschaft?

Ich kann da nur an meine Zeit erinnern. Ich habe zwei Jahre für Schalke gespielt und habe dieses Image verkörpert. Huub Stevens und Rudi Assauer haben mich deshalb geholt, weil ich das Herz am rechten Fleck hatte. Wir haben uns damals nur auf das Wesentliche konzentriert: den Erfolg des FC Schalke 04. Wenn man jetzt das letzte Jahr Revue passieren lässt, dann muss man natürlich daran zweifeln, ob die aktuelle Mannschaft diese Schalke-Tugenden verkörpert. Leider muss man feststellen, dass das wohl nicht der Fall ist.

Haben Sie die Aktionen der verschiedenen Schalker Fan-Gruppierungen vor und nach dem Revierderby gegen Borussia Dortmund mitbekommen?

Ich habe es am Rande auch mitbekommen, was ein Teil der Fans vor und nach dem Spiel angestellt hat beziehungsweise anstellen wollte. Natürlich kann man das nicht gutheißen. Aber die Ultras Gelsenkirchen sind die Fans schlechthin. Sie lieben ihren Verein nicht nur, sondern sterben auch für ihn. Und was sie seit Wochen, Monaten erleben, ist natürlich brutal. Auch wenn ich es versuche, ein wenig nachzuvollziehen, muss ich am Ende sagen, dass das nicht geht. Denn Wut, Hass und Drohungen sind immer schlechte Ratgeber. Wir müssen auch Vorbilder sein, für unsere Nachzügler, die Jugend von morgen. Ich kenne solche Aktionen auch aus meiner aktiven Zeit. Zwar nicht aus Schalke, aber aus Frankfurt. Da haben wir auch mal Besuch von den Ultras erhalten.

Wie haben Sie die Fans in Ihrer S04-Zeit erlebt und welche Erwartungen hatten diese an die Spieler?

Ich bin damals gekommen und wurde nicht von jedem herzlich willkommen geheißen. Aber die Fans haben dann schnell gemerkt, dass ein Thorsten Legat zu Schalke passt. Weil er das Herz am rechten Fleck trägt. Ich habe schnell verstanden, was es heißt, ein Schalker zu sein. Auf Schalke ist es nicht nur so, dass du gegenüber deinem Arbeitgeber, den Verantwortlichen, dem Vorstand Erwartungen erfüllen musst. Nein! Im Mittelpunkt stehen bei diesem Verein die Fans. Wenn du alles auf dem Platz gibst, dann akzeptieren dich die Fans als Schalker. Das war bei mir der Fall. Ich habe deswegen nur gute Erinnerungen und liebe den Verein, seine Fans bis heute.

Was kann Schalke von Ihrem anderen Ex-Klub VfB Stuttgart, der unter Coach Pellegrino Matarazzo keine Abstiegssorgen hat, lernen?

Man sieht es anhand der Tabelle, wo Stuttgart und wo Schalke steht. Stuttgart hat einfach eine gute Kadermischung aus Jung und Alt. Zudem hat der VfB einen tollen Trainer, der emotional und positiv ist. Er richtet immer gute Kommandos zur Mannschaft. Schalke benötigt auch in Zukunft eine gute Kadermischung und einen hervorragenden Trainer.

Was muss Schalke tun, um eine bessere Zukunft einzuleiten?

Sollte das Unmögliche möglich gemacht werden und Schalke nicht absteigen, dann müssen einige Verantwortlichen die Tasche packen und sich vom Acker machen. Und das gilt nicht nur für Jochen Schneider. Das gilt auch für einige Spieler, die einfach kein Schalke-Format haben. Und Spieler, ich nenne keine Namen, die geholt werden, aber nicht zur Verfügung stehen, weil sie andauernd verletzt sind, sollten auch ihre Tasche packen. Auf Schalke muss frische Luft rein - eine Rundum-Erneuerung im Vorstand und in der Mannschaft.

Wie viele Schalke-Witze bekommen Sie täglich auf Ihr Handy?

Ich glaube, wenn ich das dokumentieren würde, dann müsste ich zehn Handys haben (lacht). Ich gehe aber auf diese Sticheleien nicht ein und antworte auch nicht. Dass man mir diese ganzen blöden Sachen zukommen lässt, finde ich nicht lustig. Wer mir solche Sachen zukommen lässt, der hätte eine Ohrfeige verdient. Schalke liegt am Boden, da sollte man nicht noch drauftreten und sich lustig machen.