Gelsenkichen. Krisen-Experte David Rölleke stuft Neu-Trainer Gross als „Kugelfang“ ein und sieht Rückkehrer Kolasinac als passendes Puzzleteil.

David Rölleke ist nicht nur Reputations-Experte und ehemaliger PR-Berater im Bundestag, sondern gilt auch als einer der bekanntesten Krisen-Manager in Deutschland. Aktuell betreut er rund 25 Kunden, die wegen der Corona-Krise in arge Schieflage geraten sind. „Die Situation ist bei vielen Leute dramatisch. Ich bin teilweise schockiert über die Dinge, die aktuell passieren“, sagt Rölleke. Das Beispiel Schalke 04 zeigt allerdings, dass es auch in großen Krisen wieder Hoffnung geben kann.

Herr Rölleke, Schalke 04 hat nach 30 sieglosen Bundesliga-Spielen einen Befreiungsschlag geschafft und 4:0 gegen Hoffenheim gewonnen. Hat Sie das überrascht?

David Rölleke (38): Schalke hat dem fußballerischen Tod ins Auge gesehen. Ich hatte jetzt den Eindruck, dass der Fußball-Gott mal wieder in der Veltins-Arena vorbeigeschaut hat. Der junge Stürmer Matthew Hoppe hatte zuvor in 16 Regionalliga-Begegnungen genau einmal getroffen. Gegen die ersatzgeschwächten Hoffenheimer sind ihm drei Tore gelungen. Man hat bei Schalke den Kolasinac-Effekt gespürt. Dieser Spieler kann helfen, aber er alleine wird nicht reichen, um das Ziel Klassenerhalt zu packen.

Kann man Sead Kolasinac als Krisen-Manager im Trikot bezeichnen?

Das passt durchaus. Er ist ein Typ. Was hat Kolascinac vor ein paar Monaten in London gemacht, als er zusammen mit seinem Teamkollegen Mesut Özil von Räubern im Auto gestoppt wurde? Er ist ausgestiegen und hat den Überfall abgewendet. Schalke braucht genau solche Kämpfer. Die Königsblauen haben jetzt genau zweimal etwas richtig gemacht. Sie haben mit Kolasinac ein sportliches Puzzleteil eingefügt. Und mit Trainer Christian Gross einen Mann installiert, der als eine Art Kugelfang fungiert.

Das heißt übersetzt?

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Er stellt sich in den Wind und nimmt so den Druck von der Mannschaft. Gross strahlt Ruhe und Vertrauen aus, er gibt der Mannschaft, die oft verloren wirkte, Elan und Frische auf den Weg. Kolasinac und Gross, das sind zwei Maschinen, die jetzt auf Schalke arbeiten. Gross sagt dem Team: Spielt einfach Fußball. Das, was wir hier machen, muss Freude bereiten. Es ist fast wie in dem Football-Film an jedem verdammten Sonntag mit Al Pacino. Da schiebt das Team auch alle Probleme von sich und spielt einfach. Ich bin sicher: Ohne Gross und Kolasinac hätte Schalke den Tasmania-Rekord geknackt.

Der Vergleich mit Tasmania Berlin ging vielen Experten wie zum Beispiel Ex-S04-Coach Peter Neururer gehörig auf die Nerven. Wird Schalke diesen Tasmania-Schatten überhaupt noch los?

Nein, der bleibt. Das steckt in der Historie drin: 30 Spiele nicht gewonnen, knapp am Tasmania-Rekord vorbei. Aber man kann das vermeintlich Schlechte und Negative auch umdrehen. Nämlich ins Humorvolle. Ich würde Tassen und Shirts drucken lassen und das ganze als Marketing-Gag laufen lassen. Tasmania nimmt seine 31 Spiele ohne Sieg ja auch mit sehr viel Humor. Das macht sympathisch.

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Hat Schalke 04 durch die einjährige Durststrecke Fans verloren oder passiert so etwas bei einem Traditionsklub mit Riesen-Anhängerschaft nicht?

Schalke hat keine Fans verloren, sie haben ihre Fans sauer gemacht. Du bist Schalker, du bleibst Schalker. Selbst bei einem Abstieg würde die Anhänger ihrem S04 treu bleiben. Das Thema ist ja noch nicht durch. Schalke hat trotz des Hoffenheim-Sieges noch einen langen Weg vor sich. Ich sehe den Verein nach wie vor als gefährdet an. Schalke muss im Januar noch an die Transfer-Schippe.

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Nein. In der Krise muss man auch mal Chamäleon sein und sich etwas anpassen. Vielleicht hätte man ein Abstimmungsvotum mit Fans machen und herausstreichen können, dass es bei Schalke um viele hundert Arbeitsplätze geht. Wenn man ganz klar sagt: Wo stehen wir, wo wollen wir 2021 hin, was müssen wir dafür tun, dann sorgt das für Transparenz. Ich hätte das Tönnies-Angebot nicht ausgeschlagen. Schalke hätte das Thema anders steuern können.

Sie haben gerade Neu-Trainer Christian Gross gelobt. Was sagen Sie zum gescheiterten Manuel Baum, der eigentlich die Wende einleiten sollte, dann aber nach zehn sieglosen Spielen seine Sachen packen musste?

Im Fußball geht es um Zahlen, Daten, Fakten. Baum ist erstmal weg vom Fenster. Wenn du als Feuerwehrmann irgendwo hinkommst, brauchst du gelöschte Häuser. Das ist ihm nicht gelungen. Manuel Baum muss jetzt erst einmal kleiner denken. Top-Angebote wird er in nächster Zeit nicht bekommen.

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