Gelsenkirchen. Von Januar bis November ist bei den Königsblauen ein dramatischer Einbruch passiert. Vom Spitzenteam zum Schlusslicht. Eine Zusammenfassung.

Genau 314 Tage ist es her, da schauen tausende Schalke-Fans mit einem breiten Grinsen auf die Tabelle der Fußball-Bundesliga. Die Königsblauen gewinnen am 17. Januar gegen Mönchengladbach im Spitzenspiel vor 62.271 Zuschauern 2:0. Suat Serdar (48.) und Leihspieler Michael Gregoritsch (58.) ballern Schalke ins kurze Winter-Glück. Mit 33 Zählern sitzt der Kumpel-und Malocher-Klub als Tabellenfünfter dem punktgleichen Revier-Rivalen Borussia Dortmund im Nacken. Rekordmeister Bayern München ist in Reichweite.

Schalke 04: Aus zwei Punkten wird Klassen-Unterschied

Doch beim direkten Duell in München wird aus dem Zwei-Punkte-Unterschied ein Klassen-Unterschied. Bayern siegt 5:0, Schalkes-Torwart Markus Schubert unterlaufen zwei dicke Patzer . Die Bundesliga-Talfahrt beginnt.

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© Ralf Ibing/firo Sportphoto | firo Sportphoto/Ralf Ibing

Im Achtelfinale des DFB-Pokals gewinnt Schalke 3:2 nach Verlängerung gegen Hertha. Nur ein kleiner Aufheller. In der Meisterschaft folgt ein schwaches 1:1 gegen Paderborn, ein 0:0 in Mainz und ein bitteres 0:5 zuhause gegen Leipzig. Nach dem 0:3 in Köln liegt Schalke 16 Punkte hinter den Bayern, die man im Januar noch zum Spitzenduell aufgefordert hatte, zurück.

Die Restrunde, die unter anderem im Mai einen 0:4-Abschuss in Dortmund bereit hält, bleibt eine einzige Enttäuschung. Schalke wird Vorletzter in der Tabelle der zweiten Halbserie (neun Punkte). Nur Absteiger Paderborn (8) bringt noch weniger auf die Platte.

Schalke 04 verabschiedet sich in die Sommerpause, kommt aber nicht zur Ruhe. Der langjährige Finanzvorstand Peter Peters verabschiedet sich Anfang Juni. Der mächtige Aufsichtsrats-Boss Clemens Tönnies gibt Ende Juni seinen Rücktritt bekannt. Am 1. Juli läutet Schalke mit einer fast zweistündigen Pressekonferenz, an der neben Trainer David Wagner auch Marketing-Vorstand Alexander Jobst und Sportvorstand Jochen Schneider teilnehmen, die neue Saison ein.

Kleiner Geldbeutel, gute Ideen?

Jobst schraubt die Erwartungen herunter und sagt: „Es ist nicht realistisch, einen Europa-Anspruch auszurufen.“ Trainer Wagner zeigt keine Selbstkritik, gibt sich aber kämpferisch: „Wir müssen mit einem kleinen Geldbeutel gute Transferentscheidungen treffen, damit wir wieder den Fußball spielen wie wir uns das vorstellen.“

Autsch: Schalkes Goncalo Paciencia im Duell mit Stuttgarts Atakan Karazor.
Autsch: Schalkes Goncalo Paciencia im Duell mit Stuttgarts Atakan Karazor. © Foto: firo

Schalke startet in die Vorbereitung und bestreitet ein Trainingslager im österreichischen Längenfeld, das Stamm-Quartier in Mittersill steht wegen einer Hochzeit nicht zur Verfügung. Ausgerechnet in seiner Heimat infiziert sich Allrounder Alessandro Schöpf mit dem Corona-Virus, muss in Quarantäne. Schöpf muss nach Beendigung des Trainingslagers mit vier Kontaktpersonen, zu denen auch Benito Raman und Guido Burgstaller zählen, einige Tage in Österreich bleiben.

Schon vor dem Bundesliga-Auftaktspiel bei Meister Bayern München rumort es hinter den Kulissen. Im Aufsichtsrat soll Trainer Wagner nur noch wenig Befürworter haben, Kaderplaner Michael Reschke wendet sich von ihm ab. Sportvorstand Schneider hält zu Wagner.

Schalke, das sich in der Offensive viel von Leihspieler Gonçalo Paciência (Frankfurt) erhofft und den ablösefreien Routinier Vedad Ibisevic (36) erst fit machen muss, verliert das erste Saisonspiel in München 0:8. S04-Fans, die bereits Karten für das erste Heimspiel gegen Bremen geordert haben, geben ihre Tickets entnervt zurück. Zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht klar, dass die Partie wegen gestiegener Corona-Zahlen ohnehin vor leeren Rängen stattfindet. Schalke verliert gegen Werder 1:3, Verteidiger Ozan Kabak wird wegen einer Spuck-Attacke Richtung Augustinsson für vier Spiele gesperrt. Der glücklose Trainer David Wagner wird nach dem zweiten Spieltag entlassen. Mit Manuel Baum und Schalkes Ex-Spieler Naldo als Assistent setzen die Königsblauen auf ein neues Coach-Duo. Für Baum & Naldo verläuft der Start schlecht: 0:4-Klatsche bei RB Leipzig.

Schalke 04: Der Sturz auf Platz 18 und die Folgen

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© dpa | Guido Kirchner

Es folgen drei Remis, zwei Niederlagen und der Sturz auf Platz 18. In der Halbzeit des mit 0:2 verlorenen Wolfsburg-Spiels kommt es zu Disziplinlosigkeiten. Unter anderem geht der zurecht ausgewechselte Zweikampf-Verweigerer Amine Harit direkt in die Kabine - ohne Trainer Baum eines Blickes zu würdigen. Ein absolutes No-Go.

Am Dienstag gibt Schalke 04 die „einvernehmliche“ Trennung von Kaderplaner Michael Reschke bekannt und beendet das im Mai 2019 begonnene Missverständnis. Reschke: „Ich bin überzeugt, dass die Mannschaft die Qualität besitzt, die Klasse zu halten.“ Für Schalke ist es der vorläufige Tiefpunkt nach 314 Tagen Sturzflug. Die Mannschaft wartet seit 24 Bundesliga-Spielen auf einen Sieg. Ende der Negativ-Spirale? Offen.