Gelsenkirchen. Fahrradfahren im Pott statt Olympische Spiele als Funktionär mit dem Deutschland-Achter in Tokio. Carsten Oberhagemann muss umdenken.
Eigentlich war schon alles geklärt. Carsten Oberhagemann, Geschäftsführer der Deutschland-Achter GmbH, wäre bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio bei einem alten Schulfreund untergekommen, der seit Jahren mit seiner Familie in Japans Metropole lebt. „Das Treffen müssen wir nach der Olympia-Absage nun um ein Jahr verschieben. Wir standen vorgestern noch per Skype in Kontakt. Mit dieser Situation hätte man vor ein paar Wochen so nicht gerechnet“, sagt Oberhagemann, der mit seiner Familie in Gelsenkirchen-Buer wohnt.
Die Corona-Pandemie hat fast die ganze Welt im Griff und den Sport komplett lahmgelegt. Vor wenigen Tagen powerten die Ruderer Malte Jakschik, Johannes Weißenfeld & Co. noch in intensiven Trainingseinheiten über das Wasser. Das Ziel Olympia hatte jeder fest vor Augen.
Mittlerweile trainieren Malte Jakschik und seine Teamkollegen zuhause - oder zwischen Hecken vor dem eigenen Haus - auf Ergometern, um einigermaßen fit zu bleiben. „Als die Entscheidung bekannt gegeben wurde, dass die Olympischen Spiele verschoben werden, ist ein Mitglied unseres Deutschland-Achters erstmal in den Supermarkt gegangen, um sich Süßigkeiten zu kaufen. So etwas hilft bei der Frustbewältigung. Das ganze Warten bis zur Entscheidung ging allen gehörig auf den Keks“, sagt Oberhagemann.
Training hinein ins Ungewisse
Er schiebt ohne Umschweife nach: „Die Jungs haben eigentlich ins Ungewisse hinein trainiert. Jetzt sind sie zwar enttäuscht, dass das sportliche Highlight nicht stattfindet, sicherlich auch etwas gefrustet, aber unter dem Strich auch erleichtert.“ Seit über 15 Jahren kümmert sich der Hobby-Tischtennisspieler des TST Buer-Mitte um den Deutschland-Achter, der auf viele Sportfans eine besondere Faszination ausstrahlt. „Das ist ein toller Job, ich arbeite mit tollen Jungs zusammen. Die Tätigkeit hält mich jung“, sagt der Geschäftsführer.
In der letzten Zeit war die Hektik rund um die deutschen Ruderer groß, Anfragen, Interviewwünsche, Trainingseinheiten, PR, das alles musste koordiniert werden. Carsten Oberhagemann: „Wir haben viel gemacht, doch jetzt ist der Termindruck bei uns weg. Bei mir ist die Anspannung und die Stimmung komplett runtergefahren. Man ist dabei, zu entschleunigen, was auch mal vorteilhaft sein kann.“
Der Funktionär ist fest davon überzeugt, dass die Olympia-Verschiebung der richtige Schritt ist. „Selbst, wenn man die Corona-Ausbreitung bis zum Sommer besser unter Kontrolle bekommen hätte: Du kannst nicht die ganze Welt an einen Ort zusammenholen und dann Olympische Spiele austragen. Dann würde alles, was man zuvor vielleicht einigermaßen unter Kontrolle gebracht hätte, von vorne anfangen. Jetzt geht es darum, einen Impfstoff zu besorgen.“
Finanzielle Auswirkungen durch einen eventuell drohenden Sponsoren-Rückzug oder das Herunterschrauben finanzieller Zusagen sieht der Bueraner nicht auf den Deutschland-Achter zukommen. Carsten Oberhagemann: „Nein, bei uns ist das nicht so wie im Fußball, wo es um viel höhere Dimensionen geht. Wir haben einen Pumpenhersteller als Sponsor, ihm kommt es vor allem auf die Komponenten Teamgeist und Wasser an.“
Oberhagemann stellt fest: „Da steht die persönliche Bindung eindeutig im Vordergrund. Der Kontakt zu unseren Jungs ist da. Der Sponsor ist ein treuer Partner für uns, er hat sich bereits erkundigt, wie es allen Jungs aus dem Deutschland-Achter geht.“ Auch die deutsche Sporthilfe hat den Ruderern, die bei Olympia erneut einer der großen Medaillenkandidaten gewesen wären, ihre Unterstützung zugesagt.