Buer. Josefine Osigus wohnt in Buer, sie spielt bei der SGS Essen im Tor der U 17 und ist bald in Portugal. Allerdings nicht, um Urlaub zu machen.
Die Nachricht ist, dass Josefine Osigus, die 15-jährige Bueranerin, beim Algarve-Cup in Portugal im Tor der deutschen U-16-Nationalmannschaft stehen wird. Bevor die Geschichte zu Hause an der Hülser Straße jedoch beginnt, ist schon reichlich was los. Nicht nur die Hauptperson ist etwas aufgeregt, auch Osigus-Hund Theo. Es werden Utensilien fürs Foto gesucht. Ein Ball. Ein paar Handschuhe. „Sogar von Manuel“, ruft Mama Tina um die Ecke und schmunzelt, ehe sie mit dem Puggle verschwindet. Als die Bilder im Kasten sind, fragt Josefine Osigus, ob sie diese denn mal sehen dürfe. Klar. „Alles gut“, sagt sie dann, und Foto-Kollege Michael Korte darf – erleichtert? – wieder gehen.
Ein sehr entscheidender Name ist schon gefallen: Manuel. Und damit kann die Geschichte dann auch beginnen: mit Manuel Neuer, dem 33-jährigen Bueraner Nationalkeeper, dem Ausnahmetorwart des Deutschen Meisters FC Bayern München. Ihr Vorbild? „Auf jeden Fall!“, sagt Josefine Osigus leidenschaftlich und enttäuscht diejenigen, die jetzt vielleicht mit einem Namen wie Nadine Angerer, Almuth Schult oder Merle Frohms gerechnet hätten. „Und Papa!“, betont sie. Christof Osigus also, der bekanntlich Torwart sowie Schalker durch und durch ist, obwohl er einst, in der Saison 1992/93, um genau zu sein, auch zum Bundesliga-Kader Borussia Dortmunds gehört hat und hinter Stefan Klos (48) sowie Teddy de Beer (56) dritter Keeper gewesen ist.
Mama Tina und Schwester Charlotte sind Tanzlehrerinnen
Ist sie denn richtig gut? Immerhin stehen in Josefine Osigus‘ Fußball-Vita bereits zwei Länderspiele: Debütiert hat sie am 19. Mai 2019, als die deutsche U-15-Auswahl mit 2:0 in Tschechien gewonnen hat, und zwischen den Pfosten des deutschen U-16-Teams hat sie am 5. November 2019, zehn Tage nach ihrem 15. Geburtstag, beim 6:1-Sieg gegen Dänemark gestanden. „Sie bringt eine Menge Talent mit und, was auch wichtig ist, eine Menge Ehrgeiz“, sagt Christof Osigus. „Das Gesamtpaket ist sehr interessant, weil beides vorhanden ist.“
Und dieses Gesamtpaket ist offensichtlich auch so gut, dass Josefine Osigus die Schule quasi nebenbei erledigen kann. „Wir wissen beide nicht, wie sie’s macht“, sagt der 47-jährige Papa. Trotz der 99 Fehlstunden, die dem Fußball geschuldet sind, hat die U-16-Nationaltorhüterin im Halbjahreszeugnis einen Schnitt von 1,6.
Traum von einem Stipendium in den USA
Auf dem Platz neben der Zehntklässlerin des Leibniz-Gymnasiums am Esszimmer-Tisch der Familie Osigus – „ich bin ein Jahr früher eingeschult worden“, sagt sie und schmunzelt – entstehen recht schnell zwei Eindrücke: Josefine Osigus, die als Vierjährige beim Erler SV 08 begonnen hat, inzwischen in der vierten Saison bei der SGS Essen und dort in der U-17-Bundesliga spielt, mag es eigentlich lieber, wenn Männer vor den Ball treten. Vor allem, wenn es ihre Schalker tun. „Das geht alles viel schneller, und es ist interessanter“, sagt sie. Und: Sie weiß als 15-Jährige schon verdammt genau, was sie will.
In Kürze liest sich das wie folgt: Josefine Osigus möchte in der nächsten Saison – dann ist sie alt genug, um zu dürfen – im Bundesliga-Tor der SGS Essen stehen und „direkt Vollgas geben“, wie sie sagt. Sie möchte ein Stipendium in den USA bekommen, sie möchte Grundschullehrerin werden und absolviert als solche auch gerade ein Praktikum, und, klar, sie möchte irgendwann zur Frauen-Nationalmannschaft gehören. „Und dort“, sagt sie dann nahezu kompromisslos, „möchte ich die Nummer eins werden.“
Den VfL Wolfsburg und den FC Bayern München findet Josefine Osigus interessant
Auf dem Weg dorthin kann sich Josefine Osigus auch eine Veränderung sehr gut vorstellen. „Den VfL Wolfsburg und den FC Bayern München finde ich schon interessant“, sagt sie mit einem verschmitzten Lächeln. Also den aktuellen Spitzenreiter und den aktuellen Tabellendritten der Frauenfußball-Bundesliga. „Aber“, schiebt sie gleich nach, „ich bin auch in Essen zufrieden.“ Beim Spitzenreiter der U-17-Bundesliga, für den Josefine Osigus in dieser Saison zehn von zwölf Partien bestritten hat. „Das ist“, sagt Christof Osigus, „ein guter Ausbildungsverein.“
Irgendwie kann der Papa sogar von Glück reden, dass es zumindest bei einer Tochter geklappt hat, die Fußball-Begeisterung zu vererben. Obwohl: Josefine Osigus hat früher auch gerne getanzt – wie Mama Tina (46) und Schwester Charlotte (23), die beide Tanzlehrerinnen sind. „Aber irgendwann musste ich mich entscheiden, weil ich so oft Training hatte“, sagt sie. Es ist eine sehr leichte Entscheidung gewesen, und zwar für den Ball.
Und von ihrer Position zwischen den Pfosten, für die sie eigentlich von ihrer Mama Tina entdeckt worden ist, weil die gesehen hat, dass „ich genauso wie Papa im Tor stehe“, ist sie begeistert. „Das ist so gut, dass du einmal der Depp sein kannst, dann aber auch der Held. Das macht Spaß“, sagt Josefine Osigus, der es gefällt, von hinten raus für ihre Mannschaft da zu sein, diese zu dirigieren. Sympathisch und selbstbewusst, wie sie nun mal ist.